Kapitel 15

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Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und er atmete tief durch.
Wenn er es, von seinem morgendlichen Blick auf den Interdimensionalen Kalender, noch richtig wusste, hatte Black Hat kurzfristig einen Klienten zu Gast, er dürfte also ungestört ins Labor gelangen...
Papiertüte und Brille hatte er sich bereits wieder übergezogen, wollte nur noch kurz in sein Zimmer um sich umzuziehen. Geduscht hatte er bei Cassandra, ebenso gefrühstückt.
Das Anwesen war von Stille erfüllt und so summte er leise den Song, der als letztes im Radio gelaufen war – „In my mind" von Gigi D'Agostino.
Den Anzug warf er in den kleinen Wäschekorb, der direkt neben dem Kleiderschrank stand und schlüpfte schnell in frische Unterwäsche, Bluejeans und T-Shirt. Seinen Laborkittel warf er sich als letztes über die Schultern, rückte noch einmal Tüte und Schutzbrille zurecht.
Noch immer summend huschte er die Treppe ins Labor hinunter, bereit den neuen Tag komplett auszunutzen um endlich den Roboter und die Schrumpfpistole für Mr. Gâcher fertigzustellen.
Doch war das Labor keineswegs so verlassen, wie er erwartet hatte.
Black Hat lehnte nachdenklich auf seinem Gehstock, betrachtete das Ziffernblatt seiner schwarz-silbernen Taschenuhr mit einem erwartungsvollen Funkeln im gesunden Auge.
Dieser Anblick jedoch sorgte nicht dafür, dass sein Herz für einen kurzen Moment aussetzte. Es war eher der Gast, den sein Chef mitgebracht hatte.
Ein junger Mann stand an einem seiner Schreibtische, betrachtete die dort liegenden Blaupausen. Ein schlanker Mann mit dunkelbraunen Haaren, die ihm wild ins Gesicht hingen und den Flug noch am Tag zuvor gesehen hatte.
Cousin Jonny.
Er durfte nicht erfahren, wer Flug war!
Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn die Familie herausfand, wer hinter der Maske steckte! Die Medien würden es definitiv herausfinden und mit seiner Sicherheit wäre es vorbei!
Gerade wollte er sich umdrehen und aus seinem Labor flüchten, da hatte Black Hat ihn entdeckt.
„Doktor! Wir haben schon auf Sie gewartet", verkündete er und Jonny wandte sich von den Blaupausen ab, richtete den neugierigen Blick auf Flug.
Der Wissenschaftler jedoch blieb nur stocksteif stehen, sein Verstand war wie gelähmt.
Das geschah doch nicht wirklich, oder?
„Dr. Flug, alles in Ordnung?"
Sein Blick schnellte zu Black Hat, welcher sich nun wieder aufgerichtet hatte, das anfängliche Grinsen verschwand.
Hastig schüttelte er den Kopf, dann wandte er sich doch noch um und rannte.
Erst als die Tür seines Zimmers hinter ihm verschlossen war atmete er wieder aus.
Das machte jetzt vermutlich keinen guten Eindruck, aber er konnte es einfach nicht riskieren, dass Cousin Jonny ihn erkannte.
Er ließ sich auf der Couch nieder, verschränkte die Hände ineinander und wartete darauf, dass die Situation sich auflöste.
Nicht lange und es klopfte an seine Tür.
„Flug...darf ich reinkommen?"
Der Doktor blieb still. Es konnte immer noch sein, dass Jonny dort draußen stand und ihn hören konnte...
„Wir sind alleine, falls dich das beruhigt..."
„In Ordnung", seufzte er und im nächsten Augenblick zwängte sich ein tiefschwarzer Schatten unter seiner Tür hindurch und materialisierte sich ihm gegenüber wieder.
Ohne zu zögern ging Black Hat vor ihm in die Hocke und nahm Flugs Hände in seine.
„Was ist los? Du hattest noch nie Probleme mit Kunden zu agieren", seufzte der Dämon und Flug atmete tief durch.
„Ich kenne diesen Mann und er kennt mich – aber vor meiner Zeit hier. Wenn er mich erkennen würde..."
„Ich verstehe vollkommen", nickte Black Hat und dachte kurz nach.
„Er wollte wissen, ob wir ein Gerät herstellen, das nicht nur Musikboxen hacken, sondern auch Menschen zum Tanzen bringen kann. Gibt es da eine Erfindung, von der ich nichts weiß?"
Flug nickte und begann gleichzeitig zu kichern.
„Das war so klar... Wissen Sie, er war gestern auch auf der Beerdigung und ja – es gibt dieses kleine Gerät, aber es ist noch in der Entwicklungsphase. Er war einer der Unglücklichen, die als Testpersonen herhalten mussten."
„Hört sich an, als hättest du Spaß gehabt", bemerkte Black Hat und Flug nickte wieder.
„In gewisser Weise ist es immer schön etwas Chaos zu stiften..."
Black Hat grinste ihn breit an, seine rechte Hand wanderte langsam Flugs Arm hinauf, rutschte behutsam unter die Tüte, schob diese dabei ein Stück weit nach oben.
Der Wissenschaftler selbst hatte es gar nicht so bemerkt, er amüsierte sich in Gedanken gerade über den Grund von Jonnys Besuch.
Natürlich wollte dieser Vorstadtgauner wissen, was ihn da wie eine Marionette hatte tanzen lassen. Dann könnte er immerhin sein verletztes Ego etwas befriedigen...
„Du bist der beste, verrückteste und chaotischste Wissenschaftler, denn man sich nur wünschen kann", murmelte Black Hat und holte Flug damit aus seinen Gedanken, welcher die Situation sofort erkannte und handeln wollte.
Doch der Dämon war wieder einmal schneller und verwickelte den Doktor in einen leidenschaftlichen Kuss, denn dieser anfangs mit gemischten Gefühlen erwiderte.
Die kalte Hand seines Bosses wanderte in seinen Nacken, seine gespaltene Zunge stupste sanft gegen Flugs Lippen.
Was sollte er jetzt nur machen?
Auf seine Schwester hören oder sich auf seinen Verstand beschränken?
Aber als Wissenschaftler ging es darum sein Wissen zu erweitern...
Verdammt, warum nicht?
Kaum ließ er die gespaltene Zunge in seinen Mund, wanderten Flugs Hände automatisch an Black Hat's Rücken, gruben sich in den weichen Stoff der Anzugweste.
Der Griff um seinen Nacken verstärkte sich leicht, zog ihn näher an den Dämon heran.
Dadurch rutschte der Wissenschaftler von der Couch, während Black Hat sich langsam auf dem Boden niederließ, den Menschen auf seinem Schoß positionierte.
Seine andere Hand griff Flug um die Hüfte, suchte sich einen Weg unter das T-Shirt.
Die Berührung war kalt und gleichzeitig so unglaublich heiß.
Unbewusst drängte er sich näher an den schlanken Körper des Dämons, vertiefte den Kuss noch weiter, inzwischen ebenso fordernd wie Black Hat selbst.
So lange hatte er keinen körperlichen Kontakt mehr gehabt...
Ein nervöses Klopfen brachte beide Parteien zurück in die Gegenwart und wiederwillig löste sich der Dämon von ihm, betrachte ihn jedoch aus seinem halbgeöffneten Auge lüstern, leckte sich über die Lippen.
Ein angenehmer Schauer rann Flug über den Rücken, während dieser versuchte seine beschleunigte Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
„Was ist?", bellte Black Hat zur Tür, seine Finger klopften währenddessen rhythmisch auf die weiche Haut unter ihnen.
„Bonbon? Was... egal, da wartet jemand in der Eingangshalle auf dich. Meint, du hättest sie herbestellt", rief Dementia durch die Tür und Flug konnte sich gut vorstellen, was für einen skeptischen Gesichtsausdruck sie gerade trug.
Was sollte der Chef schon im Zimmer des nutzlosen Wissenschaftlers wollen?
Black Hat brummte frustriert, seine Klauen gruben sich etwas schmerzhaft in das weiche Fleisch. Flug wollte es verhindern, aber ein leises Wimmern entkam ihm doch.
Sofort ließ sein Boss ihn los und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu.
„Bring unseren Gast schon einmal in mein Büro und sag, dass ich gleich komme", befahl er und im nächsten Moment konnte man hören, wie Dementia davon hastete.
„Nun, Flug, wo waren wir?", schnurrte der Dämon und wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder seinem Wissenschaftler zu.
„Bei etwas, für das wir anscheinend nicht genügend Zeit haben", antwortete dieser und lehnte sich leicht zurück, hielt aber seine Hände noch immer auf Black Hat's Seiten.
Wenn er sich nun doch darauf einließ und er später dafür getötet wurde, dann wollte er immerhin das ganze Erlebnis mitnehmen und nicht nur eine kurze Aktion in seinem Zimmer.
Wenn schon, denn schon...
„Sicher?"
„Definitiv, Jefecito", entgegnete er und stand langsam auf.
Der Dämon tat es ihm gleich, unzufrieden und genervt.
„Wenn es ihre Laune bessert, Sir...Wir können heute Abend weiter machen...", bot er an und sofort änderte sich die angespannte Haltung seines Gegenübers.
„Dann werde ich dich in meinem Büro erwarten...So gegen sieben?"
Flug schloss die Tür auf, atmete tief durch.
„Ich werde da sein."

Villainous -  Accidentally in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt