Prolog

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Der Olymp lag verlassen da. In den Straßen war es still. Totenstill. Kein einziger Gott war unterwegs. Heute war ein Trauertag. Jeder Gott trauerte um verlorene Gefährten. Manche mehr und manche weniger. Auch im Thronsaal hielt sich niemand auf, bis auf eine einzelne Göttin, die still und in Gedanken versunken auf ihrem Thron saß. Es war die Göttin der Jagd, Artemis. Sie saß auf ihrem Thron und erinnerte sich an längst vergangene Zeiten. Zeiten in denen jeder Gott einen Gefährten, Beschützer und Freund gehabt hatte. Einen Wächter. Zusammen hatten sie viele Abenteuer erlebt, Kriege gewonnen und andere schlechte Zeiten durchgestanden. Doch vor allem erinnerte sich Artemis an den Spaß den sie zusammen gehabt hatten. Seit dem diese Personen aus dem Leben der Götter verschwunden waren, lebten diese nur noch vor sich hin. Alles um sie herum verging. Sie konnten keine neuen Freundschaften schließen ohne, dass sie sich am Ende in tiefer Trauer von ihren Freunden verabschieden mussten. Nicht einmal die Wächter hatten es nicht durchgehalten ewig zu leben. Eigentlich waren sie unsterblich gewesen, um die Götter immer beschützen zu können. Aber am Ende waren sie doch alle gestorben, da sie im Kampf gefallen waren. Artemis hatte versucht mithilfe ihrer Jägerinnen, denen sie die gleiche Unsterblichkeit gewährt hatte wie ihm, über seinen Tod hinweg zu kommen, denn schließlich hatten sie ihn auch gekannt und waren so etwas wie seine Schwestern gewesen, aber auch von ihnen waren viele gestorben. Zwar wurden sie immer durch neu dazugekommene Jägerinnen ersetzt, aber bei fast keiner von Ihnen konnte Artemis so eine Verbindung spüren, wie bei ihren ersten Begleiterinnen. Mittlerweile waren ihr nur noch ihre Leutnantin Zoe und ihre beste Fährtenleserin Fibie geblieben. Selbst bei Thalia, ihrer neuesten Jägerin, die sie sogar zur zweiten Leutnantin gemacht hatte, war ihre Verbindung nicht so stark, wie sie es bei der ersten Generation der Jägerinnen der Artemis gewesen war. Wahrscheinlich lag das aber einfach nur daran, dass damals Artemis Wächter noch da gewesen war und nicht zugelassen hatte, dass seinen Schwestern etwas zustößt und sie dadurch einfach länger gelebt hatten und Artemis mehr Zeit hatte eine starke Bindung mit ihnen aufzubauen. Diese Erkenntnis schmerzte Artemis sehr und machte ihr den Umstand, dass die Wächter die größten Helden aller Zeiten gewesen waren, nur noch bewusster. Aber diese gehörten nun der Vergangenheit an und lebten nur noch in den fernen Erinnerungen der Götter weiter. Heute trauerten alle Götter diesen Zeiten nach, denn heute war der Gedenktag an alle verstorbenen Helden und insbesondere an den letzten von ihnen. Er hatte bis zum Schluss überlebt und gekämpft, aber am Ende hatte er sich geopfert. Er hatte sich durch seine Macht selbst zerstört, aber mit ihm waren auch die Feinde der Götter untergegangen. Dieser Tag hätte durch den damaligen Sieg ein Freudentag werden sollen, aber das Opfer war zu groß gewesen und der Tag ging als Trauertag in die Geschichte ein. Stumm rann Artemis eine Träne über die Wange als sie sich an diesen einen Tag erinnerte.

Flashback

Sie standen auf einem riesigen Schlachtfeld. Alle Götter des Olymp und auch Hades und Hestia waren anwesend. Sie kämpften an der Seite ihrer Wächter. Zeus kämpfte neben Creusa gegen irgendeinen Riesen. Hera hatte zusammen mit Antheia einen Titanen in die Ecke gedrängt. Poseidon provozierte einen anderen Titanen, während Demian diesen von hinten angriff. Hades ließ gerade ein paar Skelettkrieger erscheinen und Jone zerschlug ein paar Empusen. Athene schrie Anweisungen über das Schlachtfeld, wobei sie von Iantha beschützt wurde. Ares fuhr zusammen mit Egeas in seinem Streitwagen und gemeinsam schlugen sie eine Schneise in die Reihen der Gegner. Kayla wehrte gemeinsam mit Aphrodite einen riesigen Höllenhund ab, obwohl sie von der anderen Seite auch schon angegriffen wurden. Faina und Apollo rannten gemeinsam von einem Verletzten zum Nächsten und während Apollo sie heilte beschützte Faina ihn. Hermes schwebte ein paar Meter in der Luft und verwirrte seinen Gegner, wobei Xantia den völlig verwirrten Riesen zu Staub zerfallen ließ. Hephaistos und Ilias schickten viele Maschinen auf das Schlachtfeld und Demeter ließ die Pflanzen jeden fesseln der ihr zu nahe kam, während Teris sie noch zusätzlich vor Angriffen schützte. Hestia und Elpidia waren in einen Kampf mit einem Zyklopen vertieft und Dyonisos kämpfte mit Theseus gegen einen weiteren Riesen. Artemis kämpfte gerade an der Seite ihres eigenen Wächters gegen einen weiteren Titanen, als sie einen Schrei hörte. Es war ein verzweifelter Schrei, der tiefste Trauer zum Ausdruck brachte. Artemis wirbelte herum, um die Quelle des Schreis ausfindig zu machen. Was sie sah ließ sie erstarren. Ihr Bruder, Apollo, hatte so geschrien. Er kniete vor einem leblosen Körper am Boden und als sie erkannte wer es war zog sie scharf die Luft ein. Es war seine Wächterin, Faina, die tot vor ihm am Boden lag. Artemis zögerte kurz und sah ihren eigenen Wächter an. Als er ihr durch ein Nicken zu verstehen gab, dass er auch allein zurechtkommen würde, rannte sie schnell zu ihrem Bruder hinüber und nahm ihn in die Arme. Er weinte hemmungslos, während um die beiden herum der Kampf weiterhin tobte. Artemis bemerkte schnell, dass sie keine Chance mehr hatten. Immer mehr Wächter fielen und die dazugehörigen Gottheiten waren danach auch nicht mehr zu gebrauchen, da sie nur noch trauernd über ihren gefallenen Gefährten knieten. Der Kampf schien aussichtslos zu sein. Es gab keine Möglichkeit diesen Krieg zu gewinnen. Doch als schon alle Hoffnung verloren war schien plötzlich ein sanftes Glimmen den ganzen Platz zu erleuchten. Artemis Blick wanderte über das ganze Schlachtfeld um die Ursache des Glimmens auszumachen, doch als sie sie gefunden hatte blieb ihr Mund offen stehen. In der Mitte des Schlachtfeldes, umgeben von den toten Körpern seiner Freunde sah sie ihn stehen. Es war ihr Wächter. Er stand mit geballten Fäusten in der Mitte einer goldenen Lichtkugel. Sie wurde immer größer und heller, während sein Gesichtsausdruck immer wütender wurde. Artemis versuchte zu ihm zu gelangen, aber sie wurde von einer unglaublichen Macht daran gehindert zu ihm durchzudringen. Sie hatte große Angst um ihn. Ohne ihn würde ihr ewiges Leben nur noch ein Scherbenhaufen sein. Er hatte sie immer unterstützt, beraten und ihre Welt für sie zusammengehalten. Das Licht hatte sie mittlerweile erreicht. Als sie eingehüllt wurde hatte sie das Gefühl, dass ihr jemand einen warmen, schützenden Mantel umlegen würde. Doch als sie sich umsah bemerkte sie, dass sobald das Licht ein Monster erreichte, dieses sich vor Schmerz krümmte und kurz darauf in goldenen Staub zerstob. Irgendwann stand kein einziges Monster mehr. Stattdessen bedeckte eine Schicht von goldenem Staub das Schlachtfeld. Artemis Blick wanderte sofort zu ihrem Wächter zurück. Erst konnte sie ihn nirgends entdecken, aber dann sah sie eine riesige Wasserwand, hinter der zwei Personen kämpften. Die eine Person war ihr Wächter und die andere musste Kronos sein. Wieder versuchte Artemis zu ihm zu gelangen, aber wieder war sie nicht stark genug. Verzweifelt verfolgte sie den Kampf von außen. Ihr Wächter schlug sich gut aber Kronos Wunden heilten immer wieder und außerdem verlangsamte er die Zeit. Es sah immer mehr danach aus, dass der letzte Wächter es nicht schaffen würde. Doch dann fing sein Körper an zu glühen, während riesige Wassermassen über Kronos zusammenbrachen und ihn anschließend hochhoben. Artemis Wächter ließ sich ebenfalls von einer Wassersäule in die Luft tragen und dann stieß er sein Schwert direkt in Kronos Herz. Plötzlich versiegte das Wasser. Kronos Körper war noch in der Luft zu Staub geworden. Artemis Wächter schlug hart auf der Erde auf, als sich auch seine Wassersäule auflöste. Artemis stürzte so schnell sie konnte auf ihn zu. Er lag zitternd am Boden. Immer wieder wurde er von Hustenattaken geschüttelt, bei denen er Blut spuckte. Artemis kniete sich neben ihn auf den von Blut durchtränkten Boden. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und schaute ihn liebevoll, aber unter Tränen, an. Neben ihr erschien Apollo. Er drückte sie sanft weg, damit er ihn besser untersuchen und heilen könnte. Nach einer Weile schüttelte er nur traurig den Kopf. „Ich kann ihm nicht mehr helfen. Er ist einfach zu schwach um sich weiterhin an das Leben zu klammern. Er hat all seine Energie im Kampf aufgebraucht. Da bringen selbst Nektar oder Ambrosia nichts mehr. Er wird sterben. Als letzter Wächter der Götter wird er in unserer Erinnerung weiterleben, aber unter den Lebenden wird er nun nicht mehr weilen." Sagte Apollo mit leiser, belegter Stimme. Artemis sah ihn ungläubig an. Er konnte einfach nicht sterben. Schnell kniete sie sich wieder neben ihren Wächter und bettete seinen Kopf in ihrem Schoß. „Ich kann dich nicht verlieren. Du bist mein engster Vertrauter, mein Wächter, mein Freund. Ich darf dich nicht verlieren. Bitte verlass mich nicht. Lass mich nicht mit den ganzen nervigen Göttern allein. Ich schaffe das nicht ohne dich." Redete Artemis unter Tränen auf ihn ein. Obwohl man sah, welche Anstrengung es ihn kostete, hob er ein letztes Mal seinen Kopf um Artemis in die Augen zu schauen. „ Lady Artemis... es war mir... eine Ehre... dir zu dienen. Ich werde... nun sterben. Ich habe...einfach... keine Kraft mehr. Aber... eines wäre da... noch. Bitte, Lady Artemis... lebe weiter. Schwöre, dass... du weiterlebst...dein ewiges Leben genießt... und nicht bis in alle Ewigkeit...trauerst. Schwöre es..." dann kippte sein Kopf zurück und seine Augen wurden leer. Er war tot. Artemis stieß einen verzweifelten Schrei aus und Tränen rannen ihr in Strömen übers Gesicht. Sie streichelte ein letztes Mal sanft durch seine verstrubbelten und durch Blut verklebten Haare. Sie wusste nicht, wie lange sie bei ihm gesessen und getrauert hatte. Es war ihr aber auch egal. Als sie von Apollo umarmt wurde, drückte sie ihn weg und nur mithilfe von Ares und Poseidon schaffte er es die trauernde Artemis von ihrem Wächter wegzuzerren und sicher auf den Olymp zu bringen. Dort brach Artemis auf ihrem Thron erneut zusammen.

Flashback Ende

Nun saß sie wie damals auf ihrem Thron und weinte stumm vor sich hin. Genau heute war er gestorben. Alle anderen Wächter zwar auch, aber zu ihnen hatte sie nie eine besonders große Bindung gehabt. Ohne ihn wären die Götter damals untergegangen. Doch dieser Krieg hatte für alle Götter ein sehr hohes Opfer gefordert. Ihre Kinder und Wächter waren damals gestorben. Jeder Gott hatte getrauert. Jahrelang, obwohl das für einen unsterblichen, ewig lebenden Gott immer noch eine relativ kurze Zeitspanne ist. Einige Götter hatten sich früher erholt. Das war zum Beispiel bei Zeus der Fall. Er hatte nur knapp zwei Jahre lang intensiv getrauert. Andere hatten dagegen sehr lange gebraucht. Unter diesen war zum Beispiel Apollo gewesen. Aber dann gab es noch Artemis. Sie hatte ihre Trauer nie überwinden können. Sie lebte weiter, aber ohne ein Ziel vor Augen. Nach außen hin, war sie immer die starke, jungfräuliche Göttin der Jagd geblieben, aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das nur eine Hülle war. Eine Mauer um sich zu schützen. Wenn sie sich von der Leere in ihrem Herzen ganz einnehmen lassen würde, könnte sie es nicht mehr ertragen weiterzuleben. Ihr Wächter hatte ihr das Versprechen abnehmen wollen, dass sie leben würde und nicht ewig trauern, aber er war gestorben, noch bevor sie diesen Schwur hatte leisten können. Und das war auch gut so, denn sie wusste, dass sie ihn nie im Leben hätte erfüllen können. Sie konnte einfach nicht weiterleben als sei nichts gewesen. Ihr Wächter war die wichtigste Person in ihrem Leben und ohne ihn machte es keinen Sinn mehr. Das schlimmste waren diese Gedenktage. Sie wühlten den alten Schmerz noch einmal auf und es ging ihr schlechter denn je. An diesen Tagen waren die Selbstvorwürfe am schlimmsten. Sie fragte sich immer wieder, ob sie ihn hätte retten können oder ob er hatte sterben müssen um sie und die anderen Götter zu retten. Doch jedes Mal kam sie am Ende zu demselben Schluss. Sie hätte gegen Kronos kämpfen sollen und nicht er. Sie hätte es irgendwie geschafft und selbst wenn nicht. Wenigstens hätte er den Kampf nicht alleine ausfechten sollen. Sie hätte ihn wenigsten unterstützen können und vielleicht wäre er dann noch am Leben. Artemis hätte ihr Leben gegeben um ihn zu retten und wenn er sie gelassen hätte wäre er noch am Leben. Dann würde Perseus Achilles Jackson, der größte Held der jemals gelebt hat, noch am Leben sein.


Der letzte Wächter des OlympWo Geschichten leben. Entdecke jetzt