Chapter 15

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- Luke -
Ich sprintete sofort auf Stacy zu, sobald ich sie in der Menge erblickt hatte. Samira und Tyler mir dicht auf den Fersen.
„Du hast mir gesagt, Jade hat DICH angegriffen!", knurrte ich sie an. Die gerade aufkeimende Wut war unaufhaltsam.
„Hat sie auch", verteidigte sie sich sofort.
„Was hast du davor zu ihr gesagt?", spuckte ich förmlich aus und starrte sie mit einem undurchdringliche Blick an. Meine Augen formten sich zu zwei Schlitzen, während Stacy's sich weiteten, wie ein aufgescheuchtes Rehkitz.
„Nichts, nur das du nichts von ihr willst und das du mir gehörst", meinte sie langsam etwas verängstigt.
„Was-", setzte ich an zu fragen, warum sie so einen Unsinn von sich gab, brach aber ab um mit meiner Hand über mein Gesicht zu fahren. Die Realität holte mich ein. Ich hätte mehr nachfragen müssen. Hätte ihr nicht blind Glauben schenken sollen.
Hinter mir hörte ich, wie Samira und Tyler jetzt auch angerannt kamen. Doch ich ließ mich nicht ablenken.
„Was genau hast du zu ihr gesagt?", zischte ich ihr zu und näherte mich ihr langsam immer bedrohlicher, mit einem wütenden Ausdruck auf meinem Gesicht. Das konnte nicht alles gewesen sein. Irgendwas versteckte sich da noch.
„Ich weiß nicht mehr genau. Irgendwas mit, dass du sie nicht willst und sie auch nie jemand wollen wird, nicht mal ihre eigene Familie. Danach hat sie mich sofort angerempelt und ich hab mir den Knöchel verstaucht. Das ist sicher nicht meine Schuld", redete sie weiter, doch ich hörte schon nicht mehr zu. Ihre Worte waren nur noch ein nerviges Blubbern in meinem Kopf. Wie als wollte sie durch Wasser zu mir sprechen.
Nicht mal ihre eigene Familie. Jegliche Farbe entwich mir aus meinem Gesicht. Mir wurde schlagartig übel und ich musste mich zusammenreißen, um Stacy nicht an den Kragen zu gehen.

- auf der Party -
„Wer war denn dieser Freak?", fragte mich Stacy, als Jade verschwunden war. Ich antwortete ihr nicht. Ich versuchte noch immer Jades Blick zu deuten. Ihre Augen waren neutral auf mich gerichtet, bis sie eine Augenbraue in die Höhe zog und aus meinem Blick weichte. War sie etwa eifersüchtig? Mich überkam ein seltsames Gefühl der Freude. Sofort wurde ich von einer innerlichen Hitze überrollt, doch konnte sie mir nicht erklären. Stacy drehte sich wieder zu mir, in ihren Augen loderte eine Wut. Doch meine waren immer noch auf die Tür fixiert, in welcher der Grund meiner gesamten Gedanken eben noch stand. Sie hatte sich einen Platz in meinem Kopf reserviert und bestand darauf diesen hartnäckig zu verteidigen. Stacy's Stimme riss meinen Blick jedoch weg von der Tür und direkt auf sie. „Wenn sie dich noch einmal so ansieht, dann...", doch weiter kam sie nicht, denn ich hatte sie schon unterbrochen. Sie wagt es Jade zu drohen? Ich verspürte augenblicklich einen Beschützerinstikt, der mich leider zu meinen nächsten Worten führte.
„Jetzt hör mir zu! Wenn du ihr irgendetwas tust, werde ich das erfahren. Sie hat es schwer genug mit ihrer Familie, da muss nicht noch jemand auf sie einprügeln", entfuhr es mir. Erschrocken und ängstlich, dass mir etwas zu Jades Geschichte herausgerutscht war, sah ich auf Stacy hinab, jedoch verriet mir ihr Blick, dass sie den Zusammenhang Gott sei Dank nicht verstanden hatte. Ich war augenblicklich so geblendet von Wut, aber auch Angst um Jade, dass ich mein Versprechen vergaß. Nur für diesen einen Moment.
Ich drehte mich zur Bar und bestellte noch einen weiteren Drink. Stacy merkte meine Unaufmerksamkeit sofort und verschwand ebenfalls. Sofort leerte ich schuldig meinen Drink und bestellte zwei weitere.
-

Sie hat es verstanden. Sie musste gleich darauf Jade aufgesucht haben. Nicht mal deine eigene Familie, hat sie ihr vorgeworfen. Und es ist alles meine Schuld. Jade hatte mir etwas erzählt und ich hab ihr Vertrauen missbraucht. Ich raufte mir aufgebracht durch die Haare, blickte durch die Menschenmenge, konnte mich jedoch auf nichts fixieren. Die Gesichter um uns herum verschwammen vor meinen Augen. Wie von alleine begann ich meine Kopf zu schütteln und zu murmeln: „Nein, nein-!" Tyler merkte sofort meine komische Art und fragte nach: „Luke, was ist los?" Ich fühlte alles auf einmal. Wut, Schuld, Reue. So unterschiedliche Gefühle und doch schlugen sie alle harmonisch auf mich ein.
„Jade hat mir etwas von ihrer Familie erzählt und mir ist etwas vor Stacy rausgerutscht", murmelte ich völlig fertig mit meinen Nerven und sah zu Samira. „Sie ist danach zu Jade und hat sie damit konfrontiert." Mir rasten tausend Gedanken durch den Kopf. Weiß sie, dass es von mir kommt? Wenn ja, wird sie mir das je verzeihen? Sie hatte nur eine Bitte an mich und ich renn herum und posaune ihr Geheimnis heraus.
„Sie hat dir etwas erzählt? Über ihre Familie?", fragte mich Samira und sah mir dabei in die Augen. Ihr Blick verriet ihre Ungläubigkeit, als ob ich ihr ein Märchen erzählte mit Werwölfen und Vampiren, welches am Schluss mit: ‚Nach einer wahren Begebenheit' beendet wurde. Doch ihr Gesichtsausdruck änderte sich spontan von Verwirrung auf Wut.
„Bist du völlig übergeschnappt? Du bist wahrscheinlich der erste Mensch, dem Jade jemals irgendetwas über ihre Familie anvertraut hat. Nicht einmal ich weiß etwas darüber", meinte Samira stocksauer und mein schlechtes Gewissen wuchs und wuchs. Sie musste also wissen, dass es von mir kam. Sie wird wissen von wem Stacy es hat. Gefühle jeglicher Art übermannten mich. Zum einen eine Freude, dass Jade mir etwas anvertraut hat, etwas, dass sie nicht einmal Samira erzählt hatte. Zum anderen Wut auf mich selbst und Traurigkeit, dass mir Jade niemals mehr so vertrauen wird. Ich sah in Samiras Gesicht und bemerkte ihre Verwunderung.
„S-Sie... Weißt du eigentlich, wie schwer es ihr gefallen sein muss, einem Fremden irgendetwas von ihr zu erzählen. Sie ist für dich über ihren eigenen Schatten gesprungen und du hast sie einfach verraten!", Samira wirkte immer geschockter und funkelte mich immer wütender an. Ich konnte nicht mehr klar denken. Das wollte ich doch nicht. Es ist mir einfach so rausgerutscht. Sie wird mir niemals verzeihen. Und ich dämlicher Affe glaubte auch noch, dass sie eifersüchtig war. Wie dumm von mir. Ich ließ meine Kopf sinken, ich konnte keinem mehr in die Augen blicken. Ich wusste nicht mehr weiter. Ich habe jegliche Beziehung zwischen mir und Jade zunichte gemacht. Das Einzige, was mir noch einfiel, war Jade zu finden und ihr dieses Missgeschick zu erklären. Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Wenn sie mir überhaupt zuhören wird.
„Samira, wo ist sie? Ich muss mich wenigstens dafür entschuldigen! Bitte sag es mir", flehte ich sie an, doch sie zuckte nur mit ihren Schultern.
„Sie ist vorhin einfach abgehauen, keine Ahnung wo hin. Das war vor gut 45 Minuten. Ich bezweifle jedoch, dass sie mit dir reden wird. Du hast sie wirklich verletzt. Das ist sogar ihm aufgefallen", entgegnete sie mir nun etwas sanfter und deutete auf Tyler.
Ich sah verzweifelt in die Augen meines besten Freundes, welcher nickte und ebenfalls meinte: „Sie ist noch abweisender als sonst schon."
Mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte und das Display verriet mir, dass es Zeit war, die Startlinie anzufahren. „Geh schon", erklärte mir Tyler, jedoch besetzte nur Jade alleine meine Gedanken.
„Ich muss sie suchen", brachte ich noch aufgebracht heraus und wollte schon gehen, als mich Samira zurück hielt.
„Wenn du eine Chance haben willst, dann lass sie erstmal alleine. Wenn sie nicht will, dass du sie siehst, wirst du sie auch nicht finden", erklärte sie mir. „Fahr dein Rennen und wir überlegen uns danach etwas", lächelte sie nun leicht und ließ mich wieder los. Ich bewunderte Samiras Optimismus, aber ich hatte nicht mehr viel Hoffnung mit Jade jemals wieder so weit zu sein, wie wir vor der Party waren. Ich werde jedoch nicht aufgeben.

Ich fuhr mein Motorrad bis zur Linie und wartete darauf, dass sich auch die anderen positionierten. Wie gewöhnlich waren 6 bis 7 weitere Jungs angetreten, um mich zu schlagen und auch dieses Jahr wird es ihnen nicht gelingen. Auch wenn meine Gedanken nur bei Jade waren. Ich hoffe Samira weiß etwas, damit ich Jade das Ganze erklären kann.
Plötzlich fuhr ein Motorrad samt Fahrer dicht neben mir vor und blieb ebenfalls an der Linie stehen. Trotz der Finsternis der Nacht hatte er ein schwarzes Visier und ließ einmal seinen Motor aufheulen. Ich muss sagen, ich bin etwas beeindruckt. Die Maschine muss schon etwas drauf haben. Der Fahrer blickte mich kurz an, bevor er sich seinem Motorrad zuwandte. Ich muss mich jetzt auch konzentrieren. Auch wenn es mir gerade außergewöhnlich schwer fiel.
Stacy machte sich mit ihren High Heels bereits auf den Weg in die Mitte der Rennstrecke und zog ein Tuch aus ihrem BH hervor. Gleich geht's los. Ich umgriff meinen Lenker noch fester, als ich Stacy vor uns stehen sah.
Sie hob ihr Tuch, sodass es im Wind flatterte. Ich versuchte noch, Jade vielleicht in der Menge ausfindig zu machen, jedoch blieb ich erfolglos. Ich sah Samira, Mandy, Jack, Mason, Tyler, Daniel und Kyle alle zusammen am Straßenrand stehen. Doch keine Spur von ihr. Und auch Samira schüttelte den Kopf, als ein Zeichen, dass Jade nicht aufgetaucht war.
Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie Stacy ihr Tuch fallen ließ und ich drehte den Gashebel um. Mein Motorrad zog los und ließ alle meine Gegner hinter mir, bis auf den Konkurrenten direkt neben mir. Sein Motorrad war mit meinem ziemlich gleich auf.
Du wirst vielleicht mehr PS haben, aber in der Kurve hab ich dich, meinte ich zu mir selbst und sah schon am Horizont die Einfahrt des kurvigen Streckenabschnitts. Ich versuchte noch ein bisschen Abstand zu gewinnen, jedoch war dies nicht ganz so leicht, wie sonst immer mit meinen anderen Gegnern. Ich sah schon die erste Kurve vor uns und bremste schnell ab. Der Typ neben mir zog an mir vorbei und bremste erst so spät, dass ich glaubte, wir müssen heute noch eine Leiche von der Straße entfernen. Doch er nahm dir Kurve nahezu perfekt und beschleunigte schon wieder heraus. Bei ihm würde ich mich doch etwas mehr anstrengen müssen.
Er fuhr den Abschnitt an der Grenze von Genie und Wahnsinn. Er hängte mich immer weiter ab. Ich kam ihm einfach nicht nach. Meine einzige Hoffnung war die lange Gerade am Schluss und etwas Windschatten, wenn er bis dahin nicht schon 3 bis 4 Sekunden vor mir lag. Ich wollte meinen Titel nicht so einfach aufgeben.
Auf dem letzten Stück versuchte ich noch alles herauszuholen, jedoch hatte er, wie vermutet, schon viel zu großen Abstand. Ich fuhr weit hinter ihm übers Ziel und betrachtete niedergeschlagen die Zeit. Er war ganze 5 Sekunden schneller als ich. Das kann nicht sein. Vor lauter Wut schlug ich mit meiner Hand gegen den Lenker und Daniel eilte herbei. Langsam kamen auch die restlichen Fahrer über die Ziellinie geschossen und die Menschenmassen versammelten sich um jeden Fahrer. „Bro, wer war das? Er fährt einfach perfekt. Da hat keiner eine Chance", murmelte Daniel und ich blickte nach vorne, es hatte sich mittlerweile eine ganze Traube an Menschen um den mysteriösen Fahrer gebildet.
Ich setzte meinen Helm ab und sah mich nach Samira und Tyler um. Auch wenn ich verloren hatte, war mir Jade gerade die Wichtigste. Ich musste ihr zumindest alles erklären. Auch wenn sie danach nie wieder mit mir reden wird. Als ich Tyler und Samira jedoch gefunden hatte, war wieder keine Spur von ihr und ich senkte meinen Kopf.
„Wen versuchst du denn in der Menge zu finden, Carter?"
Nur einer nannte mich Carter. Oder eher EINE. Jade. Mein Kopf schnellte zu dem Fahrer vor mir, welcher gerade seinen Helm absetzte. War Jade schon bei ihm? Sie geht eher zu ihm, als zu mir? Ich versuchte sie unter den Leuten ausfindig zu machen, jedoch konnte ich sie nicht finden. Mein Blick wanderte wieder zum Sieger. Wahrscheinlich hängte sie ihm schon um den Hals.
Doch mein Blick blieb auf dem Gesicht des Fahrers hängen. Es war kein Fahrer.
Sondern eine Fahrerin.
Und nicht nur irgendeine. Die Einzige, die mich immer wieder aufs Neue überraschte. Jade war die Siegerin des Rennens. Meinen Augen weiteten sich und auch Daniel, Tyler und der Rest von Samiras Bande blickten geschockt zu Jade. Um sie herum jubelten die Zuschauer, doch jeder hielt respektvoll Abstand, was ihrem Auftreten zuzuschreiben war. Man verspürte die Kälte und die Verachtung, die sie ausstrahlte, konnte das Eis förmlich greifen. Ein Mensch, der für gewöhnlich so geschickt darin war, die Gefühle zu verstecken, präsentierte diese jetzt wie auf einem Silbertablett. Ich wusste genau, wem dies galt. Mir.
„Jade, was...", doch ich verstummte wieder, denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Fans scherten sich um sie und himmelten sie an. Viele Jungs unter ihnen war der Sabber am Mund deutlich zu erkennen.
Ich versuchte von meinem Motorrad abzusteigen und mich ihr zu nähern, aber sie setzte sich sofort ihren Helm auf. Mit einem leise zischenden ‚Verschwindet' seitens Jade machten die Leute vor ihr eingeschüchtert Platz und Jade raste davon, in die Nacht hinein.
Ich blickte verzweifelt zu Samira, die mit ihrem Kopf in die Richtung deutete, in der Jade gerade verschwunden war. Leicht verwirrt, verstand ich erst nach ein paar Sekunden, dass ich ihr nachfahren sollte und schmiss mir den Helm über. „Wünscht mir Glück. Das werde ich sicher brauchen", und mit diesen Worten raste ich Jade so schnell ich konnte hinterher.

Killing my FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt