Eine einmalige Gelegenheit und ellenlange Warteschlangen

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Eine einmalige Gelegenheit und ellenlange Warteschlangen

Lucie sitzt im Auto und schaut aus dem Fenster, während Gebäude, Autos, ab und zu mal Bäume und Wiesen an ihr vorbeiziehen. Dabei lässt sich echt gut nachdenken, findet Lucie. Sie ist total angespannt und zittert und friert am ganzen Körper, obwohl heute sogar 20 Grad warm ist. Sie ist wirklich durcheinander und weiss gar nicht wie sie sich fühlt. Sie könnte im Moment gerade schreien und rumhüpfen vor Glück oder auch weinen vor Glück und Freude. Lucie versucht sich zu entspannen – vergebens. Dann legt sie den Kopf zurück, schliesst die Augen und lässt den Morgen und Nachmittag im Revue passieren. Zuerst wie sie früh aufgewacht ist, dann Musik gehört hat und wieder eingeschlafen ist. Danach wie aufgestanden ist und sich bereit für die Schule gemacht hat, die Auseinandersetzung mit dem Geschichtslehrer, den Englischunterricht, wo sie kurzzeitig in der Klemme sass und dass überhaupt der ganze Morgen so langsam voranschritt. Dann erinnert sich Lucie an das Mittagessen, dass sie nachher in die Dusche gesprungen ist, die Tasche gepackt hat, danach das Outfit ausgesucht hat. Ihr kommt auch die lange Schmink-Prozedur in den Sinn und das Haarstyling. Und dann als vor etwa einer halben Stunde ihre Tante geklingelt hat und Lucie abgeholt hat. Auch ihre Tante Marisa freut sich riesig auf das Konzert obwohl sie schon vierzig ist. Und jetzt sitzt Lucie eben im Auto nach Zürich. Tante Marisa wundert sich, dass Lucie so leise ist, denn sonst ist sie nie so, besonders nicht wenn sie sich freut. Darum fragt sie Lucie: Warum bist du denn so still? Freust du dich denn nicht? Oder geht es dir nicht gut? Lucie antwortet plötzlich wieder ganz aufgedreht: Ich freue mich riesig! Du kannst dir gar nicht vorstellen wie fest ich mich freue! Und wenn ich nicht still bin, dann hüpfe ich eben die ganze Zeit rum. Ich kann auch weinen. Und mir geht es nicht gut, denn ich krieg bald einen Nervenzusammenbruch! Jetzt ist Marisa verwirrt: Aber warum denn? Ich werde jetzt dann gleich ONE DIRECTION live sehen! Live! Kapierst du denn nicht, sagt Lucie etwas zu laut. Marisa nickt nur. Die nächsten zehn Minuten Autofahrt verlaufen wieder ruhig. Nur einmal unterhalten sich die beiden über One Direction. Was sonst? Und dann, als Marisa sagt: Schau mal Lucie, da ist das Hallenstadion. Die Stille ist nun vorüber. Wo? Wie? Das dort? Wow! Und irgendwo dort ist One Direction, kreischt Lucie. Jetzt müssen die beiden nur noch einen Parkplatz finden, denn obwohl es erst vier Uhr ist (das Hallenstadion öffnet um sechs Uhr) warten schon etwa zweihundert Fans, oder korrekt gesagt Directioners vor dem Eingang und haben deshalb die besten Parkplätze schon besetzt. Also suchen Marisa und Lucie sich einen Parkplatz etwas weiter entfernt. Hey, da gleich an der Ecke hat es noch einen freien Parkplatz, sagt Lucie zu Marisa. Perfekt, entgegnete Marisa und parkiert das Auto geschickt ein. Beide steigen aus und Lucie schnappt sich ihre Tasche mit dem von ihr genannten ‘Heiligtum‘ drin. Die beiden lösen noch eine Parkkarte am Automaten. Dann laufen die beiden schweigend nebeneinander zum Hallenstadion. Währenddessen entdeckt Lucie eine nicht allzu grosse Baracke neben dem Stadion, vor welcher ein Sicherheitsmann steht. Lucie fragt sich, was das soll und so weiter. Als sie fast an der Warteschlange angelangt sind, hat Lucie plötzlich eine Idee. Also sagt sie zu Marisa: Nimmst du bitte kurz meine Tasche und stellst dich schon einmal an, ich komme in einigen Minuten nach. Was? Aber das geht doch nicht! Wie findest du mich dann wieder, entgegnet Marisa. Lucie antwortet mit einem Grinsen: Ich habe eine App runtergeladen, mit welcher ich andere Handys orten kann. Und zwar sehr genau. Ich werde dich schon wieder finden! Und bevor Marisa noch irgendwas sagen kann, rennt Lucie schon weg – in Richtung Baracke. Als sie sich dann eine Minute später vor der Baracke befindet, schaut sie sich erst einmal um und checkt die Lage. Und bevor der Sicherheitsmann sie sehen kann, versteckt sie sich hinter einem grossen Blumentopf, von welchem sie die Tür der Baracke und den Mann sehr gut im Blick hat. Dann beschliesst Lucie erst einmal zu warten. Nach etwa zehn Minuten wird sie ungeduldig, doch ihre Chance kommt nur wenige Minuten später. Der Wachmann geht auf das Klo, also auf die Bauarbeitertoilette, die etwa zwanzig Meter entfernt der Baracke liegt. Als er die Tür zugeschlagen hat, nützt Lucie die einmalige Chance und rennt schnell zur Barackentür. Sie ist nicht verschlossen und vorsichtig tritt Lucie ein. Dann schliesst sie die Tür schnell wieder hinter sich. Nun befindet sie sich in einem kleinen Vorräumchen, welches wieder durch eine Tür abgetrennt ist. Ganz kurz verschwendet sie einen Gedanken, was wohl geschehen wird, wenn der Security-Mann sie erwischen würde. Aber dann verdrängt sie den Gedanken und nimmt ihren ganzen Mut zusammen und versucht die nächste Tür aufzumachen. Abgeschlossen! Aber der Schlüssel steckt. Also dreht sie vorsichtig den Schlüssel um und öffnet die Tür ein klein wenig. Dann steckt sie vorsichtig den Kopf durch den Spalt. Doch niemand ist zu sehen. Nur ein langer, dunkler Flur. Sie schlüpft vorsichtig rein und schliesst auch da die Tür schnell hinter sich. Fast wie in einem Bürogebäude, schiesst es Lucie durch den Kopf. Sie schaut sich kurz um und beschliesst dann, die erste Tür auf der linken Seite aufzumachen. Aber zuerst legt sie das Ohr an die Tür um zu horchen, ob sich  irgendwer in diesem Raum befindet, der sich hinter Tür verbirgt. Doch sie hört kein Geräusch. Also streckt sie die Hand aus, um die Tür zu öffnen. Doch gerade in diesem Augenblick öffnete jemand die Tür von innen. Wegrennen ist auch keine Rettung mehr. Lucie seufzt und will dieser Person gar nicht in die Augen schauen, also schaut sie auf den Boden. Sie sieht zwei Herrenschuhe, wobei der Schnürsenkel des rechten Schuhs offen ist. Sie denkt nur noch: Jetzt ist alles aus! Doch irgendwie macht diese Person keine Anstalten, Lucie raus zu schmeissen. Also nimmt Lucie nach einigen Schweigesekunden all ihren Mut zusammen und lässt ihren Blick nach oben schweifen. Dieser Mann trägt eine beigefarbene Röhrenhose und einen grauen Pullover. Irgendwoher kenne ich doch diesen Körper, denkt sich Lucie. An der Brust des Mannes angelangt macht Lucie eine kurze Pause und dann schaut sie dem Mann ins Gesicht. Schock! Vor ihr steht niemand anderes als Harry Styles persönlich. Er ist grösser als sie gedacht oder erwartet hatte. Und er verschlägt ihr die Sprache! Doch auch Harry ist irgendwie perplex und starrt sie nur mit einem Blick an, den sie nicht deuten kann. Hey, wach auf Lucie! Auf diesen Augenblick hast du so lange gewartet, jetzt tu schon irgendwas, sagt sich Lucie innerlich. Da fällt ihr irgendwas ein und sagt: Deine Schnürsenkel sind offen! Doch Harry schaut nicht mal runter auf seine Füsse. Er lächelt nicht mal. Er starrt Lucie immer noch mit demselben Blick wie vorhin an. In diesem Moment muss der Sicherheitsmann irgendwie gemerkt haben, dass sich Lucie im Gebäude befindet und stürmt deshalb herein um sie zu suchen. Als er sie im Flur entdeckt atmet er erleichtert auf. Er packt Lucie unsanft am Arm und zerrt sie raus und ruft Harry noch ein ‘Sorry‘ zu. Als sie dann draussen sind beginnt er auf Englisch zu fluchen, doch Lucie versteht kein einziges Wort. Sie hofft nur, dass er sie nicht anzeigt oder irgend so etwas. Doch er lässt sie einfach laufen ohne ihre Personalien aufnehmen zu wollen. Lucie geht geschwind bis zur Strasse und setzt sich dann auf die erst beste Bank die sie finden konnte. Das musste sie erst mal verdauen. Sie, ja, ausgerechnet sie, hatte Harry Styles gesehen! Oh mein Gott! Na diese Aktion hat sich mal gelohnt. Dann kramt sie ihr Handy hervor und versucht Marisas Handy zu orten. Doch irgendwie funktioniert es ausgerechnet jetzt nicht, wo sie es am meisten benötigen würde. Was soll ich jetzt bloss tun, denkt sich Lucie verzweifelt. Sie beschliesst erst einmal zum Eingang vom Hallenstadion zu laufen. Dort angekommen, merkt sie, dass sich die Menschenmenge bestimmt verdoppelt hatte, während sie weg war. Sie überlegt, was sie jetzt tun soll und dann kommt ihr eine geniale Idee.

YOLO - Take your chance (1D FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt