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Geschafft öffnete ich die Tür zu meinem Appartment, nachdem mich Seongjin noch bis zur Haustür begleitet hatte. Sie wollten sicher gehen, dass ich bis auf den letzten Meter heil nach Hause kam. Dieser Gedanke ließ mich etwas schmunzeln. Diese drei Chaoten waren wie Brüder, die ich nie hatte. Ich verriegelte meine Tür und schlüpfte aus meinen Schuhen. Ich verließ den kleinen Flur und trat direkt in das Wohnzimmer, wo ich das Licht einer Stehlampe anschaltete, welche sich links neben mir befand, wenn man den Raum betrat. Meine Tasche brachte ich in das Schlafzimmer, welches am Wohnzimmer angrenzte und dort auspackte. Die verschwitzten Klamotten vom Auftritt schmiss ich achtlos auf dem Boden und fischte den weißen Umschlag heraus. Mit diesem ging ich zu meiner Kommode, die schlicht in weiß gehalten war, jedoch im viktorianischen Stil gehalten wurde. Genauso wie mein Bett und mein Kleiderschrank. Ich hockte mich auf den Boden und öffnete die unterste Schublade, wo sich allerlei Kram befand, von Stiften, Buttons, Armbänder bis hin zu Teelichtern. An sich war das Zeug darin eher uninteressant, auch für mich im Moment, denn ich griff hinein und fuhr mit meinen Händen an beiden äußeren Seiten entlang, bis ich zwei kleine Griffe spürte. Diese umfasste ich und hob sie mit leichten Kraftaufwand an, so dass sich der Boden löste.

Vorsichtig hob ich den kleinen Kasten heraus und stellte ihn neben mir ab. Zum Vorschein kam ein weiterer Boden. Diesen hatte ich zufällig entdeckt, als ich diese Kommode bei einem Händler ergattert hatte. In diesem geheimen Fach bewahrte ich einige persönliche Dinge auf, die sich in kleinen Kisten befanden, doch davon interessierten mich nur zwei und zwar mittelgroße Kassen, welche ich nach ganz weit hinten geschoben hatte. Die eine war grau und fest verschlossen, jedoch griff ich nach der anderen. Sie war weiß, doch der Lack blätterte schon an einigen Stellen ab und offenbarte dunkelgraue Stellen. Ich holte die Blechkiste heraus und streckte dann meinen Arm nach oben aus, griff nach einer Schmuckschale auf der Kommode und wühlte zwischen den ganzen Ohrringe herum, bis ich den kleinen, silbernen Schlüssel gefunden hatte. 

Nun öffnete ich die kleine Kasse, welchen zu meinen Knien lag. Ich wusste nicht, wie viel Geld sich mittlerweile dort drin befand, genauso wenig wie in der anderen, welche seit einiger Zeit verschlossen blieb, da dort nichts mehr hinein passte. Ich öffnete den weißen  Umschlag mit meiner Gage vom Auftritt und holte ein Bündel Geldscheine hervor. Sorgfältig verstaute ich das Geld in der Blechbüchse und verschloss sie rasch wieder. Nach kurzen Augenblicken war wieder alles wie vorher und nichts machte den Anschein, als wenn ich ein riesen Vermögen hier lagern würde. Natürlich könnte ich das ganze Geld auf meinem Konto einzahlen, doch ich vertraute den Banken nicht. Auf diese Weise wusste ich, dass das Geld sicher bei mir war und nicht in fremden Händen.

Ich stand vom Boden auf und brachte meine Klamotten in das Badezimmer, welches man vom Wohnzimmer aus erreichte. Die Klamotten vom Auftritt landeten im Wäschekorb. Im Bad schminkte ich mich nun endgültig ab und begab mich zurück in mein  Schlafzimmer, nachdem ich alle anderen Lichter in meiner Wohnung gelöscht hatte. Ich zog mich aus, bis ich nur noch einen Slip trug. Aus meinem Schrank holte ich ein großes, schwarzes Shirt heraus, welches ich mir überzog. Bevor ich mich ins Bett legte, schloss ich mein Handy am Ladekabel an und nachdem ich auch nun hier das Licht ausgeschaltet hatte, war ich keinen Moment später unter meiner Bettdecke verschwunden und kuschelte mich ein. Das gute an Auftritten war, dass mich diese ausgelaugten und ich nachts keine Probleme hatte einzuschlafen, da mein Körper seinen Tribut forderte. Nach wenigen Minuten war ich dann auch schon endgültig eingeschlafen.

***

Den ganzen Sonntag am darauffolgenden Tag verbrachte ich Zuhause. Nicht einmal verließ  ich meine Wohnung. Haewon hatte mich auch schon angerufen und nach meinem Wohlbefinden gefragt. Wie immer sagte ich, dass es mir gut ginge, doch Haewon kannte mich besser. Jedoch war ich ihm dankbar, dass er nicht weiter nachfragte und so sprachen wir etwas mehr als eine Stunde über belanglose Dinge. Ich war mir nicht sicher, ob er sich darüber im Klaren war, wie sehr er mich damit von meinen eigenen Gedanken ablenkte. Ich war ihn dankbar dafür. Oftmals drohten mich meine Gedanken und Emotionen zu verschlingen, doch er war wie ein Fels in der Brandung für mich, wenn ich wieder drohte zu ertrinken.

Das Telefonat mit ihm tat unheimlich gut, auch schlug er vor noch bei mir vorbei zu kommen, was ich aber ablehnte. Heute könnte ich keine Gesellschaft ertragen. Im Nachhinein dachte ich, dass es eine gute Idee gewesen wäre, wenn er doch nun hier wäre, denn gegen Abend verspürte ich wieder diese endlose Leere in mir, die Stück für Stück immer mehr an der Oberfläche kratzte. Jedoch war mein Ego zu groß, als das ich mir noch mehr Blöße geben wollte, als ich es wie bisher schon tat. Doch bevor mich mein Innerstes verschluckte,  rappelte ich mich auf und griff nach einem Block und Stift. Wie immer in solchen Momenten war das Schreiben eine Art Selbsttherapie für mich. Ich konnte meine  überschüssigen Emotionen rauslassen, die ich zu Papier brachte.

Lay my head, under the water 
Lay my head, under the sea 
Excuse me sir, am I your daughter? 
Won't you take me back, take me back and see? 

So wie immer flogen meine Gedanken zu meinen Eltern und auch an das, was ich über Haewon, ja auch die beiden anderen dachte. Nie wünschte ich mir mehr, dass meine Eltern jene Rolle übernahmen, die meine zweite Famile für mich tat. Ein Rettungsring in einer tobenden Flut, die mich daran hinderte unter zu gehen.

There's not a time, for being younger 
And all my friends, are enemies 
And if I cried unto my mother 
No she wasn't there, she wasn't there for me 


S

eongjin und die Zwillinge Haemin und Haewon waren die wichtigsten Personen in meinem Leben. Selbst in den USA waren die Menschen, welche ich zunächst als Freunde sah, schnell zu Feinden geworden, wenn man es so nennen mochte.

Wie von selbst flog meine Hand über das weiße Papier und schrieben diese Zeilen nieder. Ließ all meinen Frust und Schmerz an diesem hauchdünnen Material raus, welches all das ohne Widerworte in sich auf nahm. All die Erlebnisse und Taten, welche mich belasteten wurden zu Worten


Broken lines, across my mirror 
Show my face, all red and bruised 
And though I screamed and I screamed, well, no one came running 
No I wasn't saved, I wasn't safe from you 

Meine Hand umgriff krampfhaft den Stift und mit Druck schrieb ich immer wieder neue Buchstaben, bis das Blatt drohte einzureißen.

Don't let the water drag you down
Don't let the water drag you down 

Don't let me drown, don't let me drown in the waves, oh 
I could be found, I could be what you had saved 

Alles was ich jemals wollte war, gerettet zu werden. Gerettet zu werden von den Menschen, die mir keine Liebe zeigten. Hoffnungsvoll hatte ich mich an sie geklammert, doch ich war die einzige, die sich festgehalten hatte. Festgehalten an der Hoffnung, es würde sich etwas ändern. Doch das, an was ich mich geklammert hatte, wurde immer mehr zu kalten, glatten Stein, so dass ich bald keinen Halt mehr fand. Mit emotionslosen Augen sahen sie dabei zu, wie ich immer weiter ertrank.

Lay my head, under the water 
Aloud I pray, for calmer seas
And when I wake from this dream,
with chains all around me 
No, I've never been

I've never been free 







rock a bye baby | p.cy |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt