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So-a

Auf der ganzen Fahrt nach Hause machte ich mich innerlich selbst zum Gespött. Erst platzt ein fremder Typ in meinem Rückzugsort, aber anstatt dass ich ihn einfach weg schickte, so wie ich es vorhin eigentlich vor hatte, stellte ich ihn dumme Fragen und lud ihn dann auch noch dazu ein, zu bleiben. Und als wäre das noch alles nicht genug, saß ich nun hinter ihm auf seinem Motorroller, weil er unbedingt darauf bestand, mich nach Hause zu fahren.

Meine innere Stimme hatte laut in meinem Kopf protestiert, dass ich ja ablehnen und verschwinden sollte, damit ich ihn nie wieder sah. Doch durch meine Art hatte ich nachgegeben und krallte mich nun zaghaft in seinen Pullover, während wir gemeinsam durch die belebte Stadt fuhren.

Doch auch wenn ich mir versuchte einzureden, ihn, einen Fremden einfach nur auf Abstand haben zu wollen, so hatten seine Worte vorhin in mir etwas ausgelöst. Die Worte, die er auf meine wirklich dumme Frage hin sagte, weswegen er die Musik nicht einfach ignoriert hatte, hatten mich innehalten lassen. Ich hatte jede andere Antwort erwartet, aber nicht diese. Deutlich konnte ich ihm ansehen, dass dieser Park Chanyeol mir ehrlich geantwortet hatte und natürlich entgingen mir auch nicht seine neugierigen Blicke, während wir in der alten Fabrik saßen. Ihm brannten etliche Fragen auf der Zunge, ich sah es ihm deutlich an, die ich ihm gern beantwortet hätte, doch er hielt sich zurück, vermutlich weil er mir schlichtweg nicht zu Nahe treten wollte, wir kannten uns schließlich nicht wirklich. Ich, in meinem Fall hatte ich mich einfach nicht getraut, ihm etwas darüber zu erzählen und vermutlich hätte ich ihm den Song sogar gezeigt, wenn er mich danach gefragt hätte, denn irgendwie hatte ich bei ihm das Gefühl, dass er was das betrat gar nicht mal so unwissend war. Auch kam er mir bekannt vor, als hätte ich ihn schon mal irgendwo gesehen, konnte ihn aber beim besten Willen nicht zuordnen. Jedoch war meine Schüchternheit gegenüber Fremden einfach zu schwerwiegend, auch wenn ich an sich gerne neue Kontakte knüpfte, so hielt mich meine Unsicherheit immer auf.

Nach einer Weile verließen wir die vielbefahrende Hauptstraße und fuhren nun durch ein Wohnviertel. Von hier aus war es nicht mehr weit und aus der Entfernung konnte ich bereits das dreistöckige Wohnhaus, in welchem ich wohnte, erkennen. Ich löste meine Hand aus seinem Pullover und tippte ihm zaghaft auf die Schulter. Sein Kopf neigte sich etwas zur Seite, was mir verriet, dass ich seine Aufmerksam hatte. Ich streckte meine Hand aus und zeigte auf das Gebäude vor uns, auf welchen wir direkt zu fuhren. "Da vorne ist es.", sagte ich etwas lauter, damit er mich durch den Motorenlärm verstand. Er nickte einmal und hielt ein paar Sekunden später direkt davor. Er stellte den Motor ab und etwas umständlich stieg ich von diesem Gefährt, da ich immer noch den Gitarrenkoffer auf dem Rücken und meine Tasche um die Schulter trug. Ich setzte mir den Helm ab, was Park Chanyeol ebenfalls tat. Für einen Augenblick schwiegen wir uns nur an, bis ich mich dazu überwinden konnte, etwas zu sagen. "Danke, dass du mich nach Hause gefahren hast.", bedankte ich mich leise bei ihm und verbeugte mich leicht. Er grinste mich an und Grübchen erschienen auf seinen Wangen. "Habe ich gerne gemacht.. eh", er stockte mitten im Satz und sah mich fragend an. "Kim So-a.", verriet ich ihm immer noch  mit leiser Stimme meinen Namen. Wieder grinste er mich an. "Dann wünsche ich dir noch eine gute Nacht, Kim So-a.", sagte er nun und schneller als ich reagieren konnte, hatte er sich seinen Helm wieder aufgesetzt, startete zügig den Motor und hob noch die Hand zum Abschied, bevor er davon fuhr.

"Park Chanyeol, warte!", rief ich nach ihm, wenn auch nicht gerade laut, als mir plötzlich etwas einfiel und lief ihm einige Schritte hinterher, wurde jedoch wieder langsamer, bis ich nun endgültig zum Stehen kam, denn er war bereits in der Nacht verschwunden. "Dein Helm..."

Yah, Park Chanyeol dieser Idiot!

Warum nahm er auch nicht seinen Ersatzhelm mit? Genervt drehte ich mich um und stapfte in das Wohnhaus hoch in den dritten Stock. Ich schloss die Tür auf und brachte meine Gitarre, sowie Chanyeol's Helm in das Wohnzimmer. Letzteren drapierte ich verärgert auf eine Kommode und ging dann in das Bad, wo ich mich direkt unter die Dusche stellte.

Wie immer bestanden meine Schlafklamotten, welche ich mir anzog, nur aus einem Slip und einem viel zu großen Shirt. Der Sommer war zwar fast vorbei, aber solange ich nachts nichts fror, würde sich das auch nicht so schnell ändern. Zum dem wurde ich nachts zu einer Heizung, sobald mein Körper zu Ruhe kam und ich einschlief. Ich löschte alle Lichter in meiner Wohnung, schloss mein Handy am Ladekabel an und krabbelte schließlich unter meine Bettdecke. Da ich durch die letzte Nacht, welche ich schlafend auf dem Boden über den Wohnzimmertisch gebeugt verbracht hatte, den ganzen Tag ziemliche Schmerzen im Rücken und Nacken hatte, fühlte sich meine Matratze in diesem Moment wie der Himmel auf Erden an. Ich nahm eines meiner vielen Kissen mit unter meine Bettdecke, welche ich mir bis zum Kinn zog und drückte es an meinen Oberkörper. Ich wusste nicht genau, wieso ich dies tat, jedoch entspannte ich mich dadurch und fühlte mich wohler. Wie jede Nacht dauerte es eine ganze Weile, bis ich dann endlich einschlief.

***

"So-a, kannst du bitte an Tisch 5 gehen und die Bestellung aufnehmen? Ich kann gerade nicht.", bat mich meine Kollegin und hetzte auch schon wieder durch die Gegend. Es waren mittlerweile ein paar Tage vergangen. Heute war meine Kollegin Eun-Mi besonders aufgekratzt, aus welchem Grund auch immer. Zu dem war nicht viel los im Diner und sie machte hier unnötig viel Stress. Leicht mit dem Kopf schüttelnd stellte ich einen Teller mit einem Burger und Pommes vor einem Kunden ab, welcher direkt vorne an der Theke saß, wünschte dem Mann um die Mitte dreißig und Stoppelbart einen guten Appetit und ging zu dem besagten Tisch. Dort saßen Eltern mit zwei kleinen Kindern und ich nahm ihre Bestellung auf. Verbeugend bedankte ich mich und ging wieder hinter die Theke. Nachdem ich die Essensbestellung in die Küche gebracht hatte, bereitete ich die Getränke vor und stellte sie anschließend wieder an Tisch 5 ab.

Den ganzen restlichen Tag ignorierte ich Eun-Mi weitestgehend, da mich ihre Laune mittlerweile ziemlich nervte und sprach nur das Nötigste mit ihr. Heute arbeitete ich bis acht Uhr abends, Eun-Mi würde eine Stunde später Feierabend machen, wenn das Diner schloss. Mein Blick fiel auf die Uhr und in ungefähr einer Stunde konnte ich tatsächlich schon Feierabend machen. Das Geräusch der Türglocke ertönte und kündigte somit neue Kundschaft an, doch als ich mein Augenmerk zur Tür wandte erstarrte ich augenblicklich als ich den Mann erkannte, welcher gerade das Diner betrat.

Unwillkürlich lief es mir eiskalt den Rücken  herunter und ich versteifte mich. Ich fixierte den Typen mit meinem Blick, beobachtete ihn und sah, wie er sich einen an einen freien Tisch am Fenster, etwas weiter hinten setzte. Plötzlich hob er seinen Kopf und sah direkt in meine Richtung, woraufhin ich schnell den Blick sank. Was zur Hölle machte er hier? Es reichte ja schon nicht, dass er mich ständig im Rest In Rock stalkte, jetzt tauchte er auch noch an meinem Arbeitsplatz auf.

Ich musste schlucken und versuchte mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren, was mir aber nicht mehr gelingen wollte. Jedes mal wanderte mein Blick zur Uhr und gefühlt lief die Zeit rückwärts. Ich war nervös, eindeutig. Immer wieder sah ich unauffällig zu dem Mann herüber, der sich zuvor nur eine Cola bei meiner Arbeitskollegin bestellt hatte. Natürlich entging mit mir sein stechender Blick nicht, mit welchem er mich fast schon durchgehend anschaute. Doch kurz bevor ich komplett meine Nerven verlor, zeigte die Uhr nun endlich an, dass ich gehen konnte. Ich atmete erleichtert auf und hastete nach hinten durch die Küche, in Richtung Aufenthaltsraumes, wo sich auch die Spinde für die Mitarbeiter befanden. Schnell band ich meine Schürze ab und nahm mir meine Sachen heraus. Als ich wieder nach vorne kam, verabschiedete ich mich leise von Eun-mi und war in dem Moment froh darüber, dass sie mir lediglich zu nickte. Ich atmete nochmal tief durch und verließ dann mit schnellen Schritten das Diner in der Hoffnung ich würde heil nach Hause kommen.

rock a bye baby | p.cy |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt