Kapitel 5 - Die Prüfung

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Der Ausgang wurde mir durch einen Felsblock versperrt, den der Kommandant dort hingeschoben hatte. Eine Flucht wäre somit unmöglich.

„Folge mir!", gab eine Stimme von sich. „Folge mir!"

Ich folgte der Stimme. Mal sehen, wo sie mich hinführt.

„Das möchte ich auch gerne wissen."

Ach, du meldest dich auch. Schön zu wissen, dass ich hier nicht alleine bin.

„Ja, schön zu wissen."

Ich kam an einer Wand an. Weit und breit war kein Weg zu finden, der mich zu einem Raum führen könnte, wo sich die Prüfung befindet. Oder ist das hier schon die Prüfung?

„Gehe nach rechts!", teilte die Stimme mit.

Ich dachte nicht lange nach und führte ihren Befehl aus. Und siehe da. Ein weiterer Weg öffnete sich, der mir vorher nicht sichtbar gewesen war. Diese Höhle ist voller Geheimnisse. Immer findet man etwas Neues.

Doch leider führte mich der Weg noch nicht zu einem neuen Raum. Stattdessen hatte ich die Vermutung, dass der Weg sich ins unendliche streckte. Es konnte nicht anders zu erklären sein, warum die Wand, die so nah zu sein schien, immer die gleiche Nähe einnahm.

„Hast du keinen Mut, dann wird sich der Weg nicht öffnen", sagte die Stimme.

Erst verletzte mich jener Satz, weil es bedeuten würde, dass ich keinen Mut hätte. Doch andererseits hatte sie recht. Ich hatte Angst. Und das nicht gerade wenig. Ich dachte zu viel an meine Eltern, denen es wahrscheinlich eigentlich gut ging. Denk nur an diese Prüfung und zeige alle, dass du es drauf hast.

Ich versuchte meine Vergangenheit und meine Ängst zu verdrängen. Es war nicht einfach, aber es war möglich. Man muss nur den Willen dazu haben.

Je mehr ich alles verdrängte, desto näher kam ich ans Ziel.

„Das machst du ganz gut", lobte die innere Stimme mich.

Das spornte mich an, weitere Ängste und Sorgen zu verdrängen. Die Angst, dass der Zauberer mich umbringen könnte, versuchte ich in meinen Gedanken auszulöschen. Nur das war schwierig, weil der Zauberer ein mächtiges Wesen war.

„Du schaffst die letzte Angst auch, Veronika. Ich glaube an dich!" Die innere Stimme jubelte mir zu.

Also traute ich mich und wagte auch diese Angst innerlich anzugreifen. Und tatsächlich. Auch sie konnte ich erfolgreich verdrängen.

Ich stand nun direkt vor der Wand. Ein kleines Beben stürzte einen kleinen Teil der Wand ein und der Zugang zum anderen Raum wurde freigelegt.

„Willkommen zur ersten Prüfung."

Ich sah mich im Raum genauer um. Eine genaue Anweisung gab es nicht, aber man konnte schon die Tür für den nächsten Raum erkennen. Es war eine Eisentür. Irgendwo muss es ein Schalter geben. Das habe ich doch aus einem Survivalgame gelernt.

Überall suchte ich nach dem Schalter. Doch bei keiner einzigen Ecke war er zu finden. Sogar Knöpfe gab es nirgendwo. Das wäre die einzige logische Erklärung, warum es keine Schalter gab.

„Willst du schon aufgeben?", fragte die Stimme. „Wenn ja, kannst du einfach zurück zum vorherigen Raum gehen. Der Felsen wird dann vermutlich in ein paar Jahrzehnten wieder freigeräumt, wenn die Auserwählte kommt."

Selbst eine Stimme glaubte nicht, dass ich die Auserwählte war. Das Orakel musste sich da sehr sicher sein. Sie wusste bestimmt schon vorher, wie die anderen auf die Informationen reagieren würden.

Doch ich konnte leider nicht anders als aufgeben. Alle Möglichkeiten musste ich ausschließen. Es gab nichts, was Sinn ergeben würde, die Eisentür zu öffnen. Traurig sank ich den Kopf. Gerade das verhalf mir zum Erfolg. Ein kleiner Stock lag am Boden. Nirgendwo anders waren Stöcke verteilt.

Ich hob ihn neugierig hoch und begutachtete ihn. Er besaß die Form eines Schlüssels. Heute ist eindeutig mein Glückstag. Freudig rannte ich zur Eisentür und steckte den Schlüssel ein. Die Tür gab nach und öffnete sich. Prüfung zwei, ich komme.

Vor mir befand sich ein kleines Dorf. Die Einwohner waren alle versammelt und begrüßten mich. „Willkommen in Tesora."

Eine Person näherte sich mir. Er überreichte mir einen Schlüssel. „Hier haben Sie einen Schlüssel zum Hotelzimmer. Natürlich erwartet Sie nur das Beste. Schließlich haben Sie die letzte Prüfung erledigt."

Ich nahm den Schlüssel an mich und wurde von den Einwohnern zum Hotel geführt. Vor ihm entfernten sie sich wieder und eine andere Person kam aus dem Hotel heraus. Laut seinem Anzug und seiner geraden Haltung konnte ich nur Tippen, dass es sich hierbei um einen Butler sich handeln musste.

„Miss Shadow, entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich musste das Zimmer noch für Sie einrichten", sagte er und verneigte sich vor mir.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Gerne darfst du mich auch duzen. Ich mache es ja auch."

„Das gehört sich als Butler nicht. Ich stehe unter Ihnen, also dürfte ich Sie nur siezen. Außer Sie wollen die Prüfung nicht fortführen. Dann kann ich Sie auch duzen", erklärte der Butler. „Doch eine Aufgabe wird Ihnen das Leben kosten."

„Was wird dann passieren?", fragte ich ihn.

„Das erzähle ich Ihnen lieber nicht. Am besten folgen Sie den Strang und beenden die Prüfung."

„Okay."

Er öffnete mir die Tür zum Hoteleingang. „Folgen Sie mir. Ich werde Sie sicher zur Suite bringen."

Ich folgte ihn und achtete trotz seiner Zuversicherung der Sicherheit auf meine Umgebung. Es könnte auch ein Teil der Prüfung sein. Doch ich hatte mich dabei getäuscht. Er hatte die Wahrheit gesagt und wir kamen sicher bei der Suite an.

„Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Aufenthalt bei unserem Hotel." Er schloss verneigend die Tür.

Mir kam das alles sehr suspekt vor. Ich wurde zu nett behandelt. Bin ich die Königin von Varyla, oder was?

„Ich denke nicht, dass du eine gute Königin sein würdest", scherzte die innere Stimme.

Ich grübelte nach, was für eine Prüfung nun auf mich wartete. Mir war sicher, dass der Kommandant kein Typ war, der Rastmöglichkeiten für gutheißen konnte. Warum leben in dieser Höhle überhaupt Leute? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man freiwillig in solch einem Ort leben will. Das ging über meinen Verstand hinaus.

„Ich habe ein ungutes Gefühl. Irgendwie habe ich eine Ahnung, dass gleich etwas Unerwartetes passiert."

Der Raum verdunkelte sich. Ich konnte selbst meine eigene Hand vor mir nicht mehr erkennen. Draußen hörte man komische Geräusche. Ich wollte nachsehen, was geschehen war, denn so plötzlich konnte man ein Licht nicht ausschalten, es sei denn, es bestand aus Strom.

Schnell verließ ich meine Suite und tastete den Ausgang ab. Ich kam am Hoteleingang an. Er wurde überraschenderweise mit Fackeln erhellt.

„Bitte gehen Sie nicht, Miss Shadow", sagte der Butler. „Es wäre Schade, wenn Sie einfach so gehen würden." Er stand vor mir und bettelte. „Bitte, bitte. Ich flehe Sie an. Wenn Sie nicht hören muss ich mit anderen Mitteln handeln."

„Du lässt mir nichts anderes übrig." Ich suchte um mich. Ein Schwert hing an einer Wand. Schnell zog ich es aus der Scheide und griff den Butler an.

„Das wagst du nicht!" Er sah mich ängstlich an. Sein Zähne klapperten und auf seiner Haut bildete sich eine Gänsehaut.

„Ach jetzt duzt du mich?" Ich stieß mit den Schwertrücken ihn auf den Kopf, sodass er bewusstlos wurde. Es war mir wichtig, niemanden umzubringen. „Hoffentlich träumst du schön."

Ich lief zur Hoteltür und war gespannt, was sich mir offenbaren würde. Die Möglichkeiten der Gefahren sind grenzenlos.

Veronika Shadow - Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt