13 - Nächtliche Streifzüge II

1.5K 61 2
                                    

Dracos Pov

Dunkelheit erfüllt den langen Raum. Alles ist ganz ruhig im Jungenschlafsaal - naja, bis auf das Schnarchen von Crabbe irgendwo ein paar Betten weiter. Der Rest schlummert friedlich vor sich hin. Auch meine Brust hebt sich regelmäßig, aber ich habe keineswegs vor zu schlafen. Konzentriert starre ich an die Decke.

Langsam drehe ich mich auf den Bauch und fasse vorsichtig unter mein Kopfkissen. Die kleine zierliche Uhr, die ich darunter hervorziehe, zeigt 2 Uhr. Endlich! Es kann losgehen. Ich lasse die Uhr geschickt in der Tasche meiner Pyjamahose gleiten und setze mich leise aufrecht hin.

Jeden einzelnen meiner Zimmergenossen fixiere ich kurz und intensiv, bevor ich behutsam von meinem Bett aus auf den Fußboden trete. Auf Zehenspitzen schleiche ich an den letzten zwei Betten vorbei, die mich noch von der Tür des Jungenschlafsaals trennen. Beim letzten Meter umgehe ich die lose Diele im Boden, die verdächtig knarren würde und erreiche schließlich die Tür. Langsam drehe ich an dem schweren Türknauf bis ein leises Klicken ertönt. Schnell werfe ich noch einen Blick auf die schlafende Meute, bevor ich mich mich blitzschnell durch den schmalen Türspalt schiebe.

Hermines Pov

Es ist ein warmer Sommertag gewesen und ein Fenster ganz in meiner Nähe ist noch einen Spalt geöffnet, sodass der Mond klar auf das Ende meines Bettes fällt. Natürlich ist es kein Zufall, dass genau dieses Fenster noch geöffnet ist und natürlich ist es auch kein Zufall, dass ich von meinem Bett aus die große Turmuhr genau im Blick habe. Aufgeregt verfolge ich den schweren Minutenzeiger, der sich immer weiter der großen 12 nähert und die Uhr damit 2 Uhr schlägt.

Schließlich kann ich endlich die Bettdecke zurückschlagen, wobei ich versuche, meinen Enthusiasmus zu zügeln. Tapsig erreiche ich wenig später die Tür des Mädchenschlafsaals und ich hoffe inständig, dass niemand etwas bemerkt hat. Aber glücklicherweise haben hier alle einen relativ tiefen Schlaf. Und falls mich doch jemand erwischen sollte, kann ich aufgrund meines Schlafoutfits immer noch sagen, ich würde schlafwandeln...

Schon bald befinde ich mich im Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Die letzten Reste der Glut knistern im Kamin und als ich an ihm vorbei zum Eingangsportal trippele, spüre ich noch den letzten Hauch ihrer Wärme.
Die Lippen zusammengepresst öffne ich das Portal ganz langsam und vorsichtig, bedacht darauf, ja kein Geräusch oder Knarren verlauten zu lassen. Die Fette Dame hebt etwas verärgert ihre müden Augenlider, als ich durch die schmale Öffnung schlüpfe. Doch als sie mich erkennt,  verzieht sie ihren Mund zu einem wissenden Grinsen. Sie zwinkert mir zu, bevor sie wieder beide Augen schließt und kurz darauf zu schnarchen beginnt.

Nach meinem üblichen Kontrollblick durch die angrenzenden Flure und Treppen setze ich meinen Weg fort. Ich folge dem düsteren Flur geradeaus. Die Fenster zur linken Seite werden durch den Mondschein gut sichtbar, sodass es mir leicht fällt, sie abzuzählen. Nach dem dritten Fenster folgt ein Mauervorsprung, hinter dem ich mich verstecke. Gerade rechtzeitig, denn schon höre ich Schritte ganz in der Nähe.

Ich presse mich noch dichter an die Wand und zähle bis 20. Als ich fertig bin, höre ich die Schritte bereits nur noch weit entfernt; das Zählen dient nur der Sicherheit. So kann mich Professor MacGonagall bei ihrer nächtlichen Patrouille nämlich nicht entdecken, wenn ich in einen angrenzenden Flur einbiege. In diesem Flur ist dunkler, weicher Teppich verlegt, sodass keins der schlafenden Gemälde meine Anwesenheit bemerkt. Trotzdem setze ich meinen Weg rasch fort bis zum Ende des Ganges...man weiß ja nie...

Dracos Pov

Ich habe bereits die Hälfte der Wegstrecke geschafft. Jetzt muss ich nur noch die freistehende Treppe benutzen, um in den oberen Korridor und somit zu meinem Ziel, dem Raum der Wünsche, zu gelangen. Dies ist jedoch der riskanteste Teil der Strecke. Denn auch wenn mein Weg zeitlich genau abgepasst ist, fühlt man sich dort oben so angreifbar und kann jederzeit entdeckt werden. Nervös schaue ich zur Kontrolle auf meine Armbanduhr. 3, 2, 1, los. Mit wenigen, leisen Schritten erreiche ich die Treppe und erklimme geduckt die Stufen. Dabei nehme ich gleich mehrere auf einmal, um so schnell und so leise wie möglich nach oben zu gelangen.

Aber ganz plötzlich höre ich es Krachen, ein sonderbares Geräusch, welches mir dennoch so seltsam bekannt vorkommt. Erst als ich mich reflexartig an dem Geländer festhalte, bemerke ich, dass die Treppe gerade dabei ist, ihre Richtung zu ändern. Am Tage, wenn sich hier zahlreiche Treppen unter dem Stimmengewirr hunderter Schüler bewegen, nimmt man die lauten Geräusche der Treppen gar nicht so wahr. Jetzt kommt mir das Geräusch dreimal so laut vor.

"Shit!" fluche ich so leise, dass selbst ich es kaum hören kann. "Wieso bewegt sich denn jetzt um die Zeit noch eine Treppe? Nachts machen die das doch sonst immer so selten! Die sind einfach unberechenbar, die Dinger..." denke ich und sehe mich angespannt um.

Meine Nervösitat steigt, während ich ungeduldig abwarte, bis die Treppe an einer anderen Stelle der Etage einrastet. Als sie endlich zum Stehen kommt und ich mich gerade aus meiner kauernden Position in der Mitte der Treppe erheben will, sehe ich am oberen Ende der Treppe plötzlich eine dunkle Gestalt entlang gehen. Sie passiert die Treppe zwar nur, aber ich kann am Gang deutlich erkennen, dass es sich um Professor Snape handeln muss. Ich wage es nicht, mich zu bewegen, geschweige denn zu blinzeln. Als Snapes Schritte schließlich verstummen, halte ich zusätzlich auch noch den Atem an. Er ist nur wenige Meter neben der Treppe stehengeblieben und scheint seinen Blick über das Treppenhaus schweifen zu lassen. So genau kann ich es nicht erkennen, da ich von meiner Position aus nur seine Umrisse erkennen kann.

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Aber - Merlin sei Dank - geht er kurz darauf weiter und verschwindet gleich darauf in einen nahe gelegenen Korridor. Ich muss mich beherrschen, nicht laut aufzuatmen, schließlich ist er ja immer noch in der Nähe. Ich warte vorsichtshalber noch einen Augenblick bis ich - immer noch gebückt - das Ende der Treppe ebenfalls emporsteige.

Kurz muss ich mich orientieren, an welche Stelle die Treppe mich denn nun geführt hat, aber da meine Augen sich schon so intensiv an die Dunkelheit gewohnt haben, ist es einfach, den Ort ausfindig zu machen. Von hier aus wird es auch nicht mehr allzu weit sein, bis ich den Raum der Wünsche erreiche...vorausgesetzt ich muss keine weiteren ungeplanten Umwege gehen und begegne am Ende sogar noch einem Lehrer....

Hermines Pov

Endlich habe ich den Raum der Wünsche erreicht und atme erleichtert auf. Dieser Marsch durch das ganz Schloss fordert doch auch jedes Mal höchste Konzentration und ist immer ein richtiger Adrenalinkick. Und das mitten in der Nacht!

Nachdem sich meine Atmung erholt hat, gucke ich mich um. So langsam müsste er doch auch mal auftauchen...nervös drehe ich mich wieder um die eigene Achse, um einen kurzen Blick in alle Flure zu werfen. Dass ich keine Uhr dabei habe und so das Zeitgefühl nicht einschätzen kann, macht mein Unbehagen nicht besser.

Als ich erneut in einen angrenzenden Korridor hineinspähe, hätte ich beinahe einen kurzen Schrei ausgestoßen, da Draco bereits wenige Meter entfernt mit energischen Schritten auf mich zugeht. Das Leisegehen hat er zu unserem Glück inzwischen auf jeden Fall drauf.

Zur Begrüßung schenke ich ihm ein erleichtertes Lächeln und er drückt mir mit einem Kuss auf die Stirn meine Armbanduhr in die Hand, die ich ihm wieder für diese Nacht geliehen hatte. Gemeinsam laufen wir nun, still verständigend, an der Tür zum Raum der Wünsche entlang. Ich versuche mir meinen inzwischen nur allzu bekannten Lieblingsort bis ins kleine Detail erneut in Gedanken zu rufen. Als ich die Augen wieder öffne, hält mir Draco erwartungsfroh seine Hand hin, welche ich ergreife um mit ihm gemeinsam in den Raum zu gehen.

Nach zwei Stunden stehen wir wieder gemeinsam vor der riesigen Tür und verabschieden uns mit einer innigen Umarmung.

Es war wieder einmal ein schönes nächtliches Picknick am Strand gewesen. Gemeinsam hatten wir auf der Decke gelegen und uns gegenseitig Sternenbilder gezeigt. Ich hatte mich so wohl gefühlt und fallen gelassen, dass ich beinahe eingschlafen war. Draco hatte mich jedoch zum Glück wieder rechtzeitig geweckt. Nun ist es tatsächlich Zeit für's Bett und auch wenn ich morgen etwas verschlafen sein sollte und diese ganze Sache immer ein gewisses, ja oft sogar ein sehr großes Risiko mit sich bringt, würde ich es für diesen Moment immer wieder tun, immer wieder für diesen einen Menschen.

Dramione Oneshots 💕Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt