Der Blog (Teil 8)

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Gestern war ich viel zu aufgewühlt und durcheinander um meine Wohnung auch nur einen Schritt zu verlassen. Doch nun, da die Sonne die Dächer der Häuser zu kitzeln begann und sich die dösige Nacht in einen frischen Morgen verwandelte, war ich bereit. Ich frühstückte nicht einmal sondern eilte, nachdem ich mich zurecht gemacht hatte, direkt zur Straßenbahn.

Die Haustür war wie immer unverschlossen und ich eilte die Treppen zur Wohnung hinauf. Als ich oben ankam, war ich ein wenig außer puste. Mit schnell schlagendem Herzen klopfte ich lautstark gegen die Tür. „Wir haben auch eine Klingel, hast du etwa deine Schlüssel vergessen?" Hörte ich Isaac durch die Tür rufen. Einen Augenblick später öffnete er die Tür und sah mich verdutzt an. „Was machst du denn hier?" Ich blickte hinter ihn in die Wohnung. „Ist Warren da? Ich muss mit ihm reden." Isaac lies mich eintreten und folgte mir in Richtung von Warrens Zimmer. „Ihr beide seid echt unglaublich.", sagte er und einen Augenblick nachdem ich auch hier wieder an die Tür gehämmert hatte, sagte er: „Er ist nicht da. Herr Gott nochmal, kennt ihr beide die Erfindung des Handys?" Er tippte auf seinem Telefon herum und hielt es sich ans Ohr. Es begann im Hörer zu Tuten und er stellte es auf Lautsprecher. Warrens Stimme schallte aus dem Hörer und für einen Moment stockte mir der Atem. Ich hatte sie so lang nicht gehört und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. „Versuchs gar nicht erst, du kannst mich nicht aufhalten." „Warren, wo fährst du gerade hin?", fragte Isaac ins Telefon. „Was ist das denn für Frage? Ich hab dich gerade fast drei Stunden genervt, bis du mir endlich die Adresse gesagt hast." Ich sah zu Isaac, doch er sprach unverwandt mit Warren weiter. „Sag mir bitte wo du hin fährst." „Ich.Fahre.Zu.Juliette." Er war auf dem Weg zu mir? „Okay nur ist das recht aussichtslos, weil sie hier neben mir steht." Ich bildete mir ein, das quietschen von bremsenden Reifen gehört zu haben. „Was?! Sac bitte, du musst dafür sorgen, dass sie da bleibt. Ich muss mit ihr reden, bitte." „Sie hört gerade mit Warren." Es wurde stumm am anderen Ende des Hörers, ich dachte schon er hatte aufgelegt doch dann sagte er: „Juls, bitte, warte auf mich ja?" Ich nickte, unfähig auch nur ein Wort raus zu bringen. Isaac seufzte. „Sie nickt Warren, beeil dich." Damit legte er auf und Sauerstoff strömte wieder in meine Lungen, ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich aufgehört hatte zu Atmen. Ich wusste nicht so recht was ich sagen sollte, so überrascht war ich. Er war im selben Moment auf die Idee gekommen, zu mir zu fahren, wie ich zu ihm. Isaac zog eine Augenbraue nach oben. „Ihr machts euch aber auch schwer." Ich rieb mir mit den Händen übers Gesicht. „Ich weiß doch auch nicht, ich will alles richtig machen, weißt du." „Es gibt nicht immer richtig oder falsch, manchmal sollte man einfach das machen, was einem sein Herz sagt, auch wenn man dabei vielleicht verletzt wird. Das ist es eben zuweilen Wert." Nur wenige Momente später hörte ich wie ein Auto vors Haus fuhr. Ich öffnete ohne weiter darüber nachzudenken Warrens Zimmertür und eilte hindurch um von seinem Balkon hinunter in den Hof zu sehen. Und da war er. Er rannte den Kiesweg entlang, kurz bevor er die Haustür erreichte, blickte er nach oben und hielt augenblicklich an. „Juliette!" rief er. Und dann dachte ich daran, wie Isaac eine ganz ähnliche Szene einmal belächelnd als Roméo et Juliette bezeichnet hatte. Das erinnerte ich mich sogleich an Shakespears Worte: ‚Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost und Julia die Sonne!' Und als ich wieder nach unten blickte, war Warren bereits im Treppenhaus verschwunden. Ich konnte nicht anders, ich musste ihm entgegen kommen. Ich musste einfach. Ich rannte aus der Wohnung und die Stufen hinunter. Warrens Schritte hallten bereits zu mir hinauf, als ich plötzlich ein dumpfes Poltern hörte. Dann fluchte Warren und als ich um die nächste Ecke bog, stand er da. Schwer atmend und mit einem Blick der so Vorsichtig und herantastend wirkte, dass ich am liebsten sofort die restlichen Stufen zu ihm gerannt wäre und ihn umarmt hätte. Aber nein, wir standen nur da, er, eine Etage unter mir. Keiner von uns traute sich, einen weitere Schritt zu tun. Wir sahen uns einfach nur an.

„Bist du etwa gerade hingefallen?", fragte ich leise. Er rieb sich über den Arm und sah mit geröteten Wangen zu mir hinauf . „Ich bin etwas zu enthusiastisch die Treppe hoch gerannt. Aber..." Er ging eine Stufe weiter hoch. „...als Isaac gesagt hatte, du seist bei uns in der Wohnung, da hatte ich die leise Hoffnung, du könntest vielleicht...wegen mir da sein. Und wie könnte ich da nicht enthusiastisch sein..." Ich schluckte, er wirkte so verlegen. „Ich hatte sie ja schon fast aufgegeben....aber dich jetzt hier zu sehen, ich weiß nicht...es ist, als wäre es eine halbe Ewigkeit her, seit du ausgezogen bist." Ich nickte, „So fühlt es sich an ja." Seine Augen leuchteten schon beinahe, als er eine weitere Stufe nach oben ging. „Juliette, es tut mir wirklich unfassbar leid, dass ich dich angelogen habe. Wirklich. Aber ich kann einfach nicht sein, ohne endlich zu wissen, ob ich eine Chance habe. Ob wir eine Chance haben." Ich lächelte und hielt ihm die Hand hin, „Was denkst du warum ich hier bin Warren." Langsam hob er seine Hand und noch bevor er reagieren konnte, packte ich ihn am Handgelenk und zog ihn die letzten zwei Stufen zu mir hinauf.

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