Der Blog (Ende)

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Ich weiß nicht, ob ich jemals etwas so sehr bereut habe, wie meine Aussage, ich würde einen gerösteten Skorpion essen. Ich hielt den langen Spieß mit leicht angewiderter Miene in die Höhe. Hinter dem Spieß eine Handykamera, welche ein Video für die Ewigkeit aufzeichnen sollte und dahinter Warren, welcher breiter nicht hätte grinsen können. „Na los Ju, wir stehen schon eine halbe Ewigkeit hier, dein Leckerbissen wird doch kalt." ‚Hier' ist in diesem Fall ein Riesiger Wochenmark in Tokyo. Es waren unheimlich viele Menschen hier welche sich über alle möglichen Köstlichkeiten und Raritäten beugten um davon zu kosten oder sie zu kaufen. Es war eine aufregende Atmosphäre voller unbekannter Düfte und Geräusche. Der nette Verkäufer welcher mir den Skorpion in die Hand gegeben hatte, musste auch ein wenig schmunzeln angesichts meiner momentanen Situation. „Ach komm schon Warren, es ist mein Geburtstag, ich will einen Kuchen." Er lachte herzlich und schüttelte den Kopf. „Ausreden gibts nicht, den Kuchen bekommst du, wenn wir wieder zu Hause sind." Zu Hause. Ein ganz neues zu Hause. Warren hatte sein Studium abgebrochen und ich meines vorübergehend auf Eis gelegt. Wir wollten hinaus. Die Welt sehen, die Menschen kennen lernen und am besten ganz viele Erfahrungen sammeln. Mein Blog trägt nun den Titel ‚Eat,Travel,Love- Welt ohne Grenzen' und ist zu einem Reise-Essens-Führer verwandelt worden. Warren macht die Fotos und gibt mir Denkanstöße, während ich die Texte verfasse. Wenn wir unser Abenteuer beendet haben, will er eine Lehre als Koch anfangen und ich nehme mein Studium wieder auf. Das ist der Plan.

Der Skorpion schmeckte besser als gedacht und doch schlecht genug, damit ich mein Gesicht verzog und zu husten begann. Wir verließen den Markt und setzten uns in einer kleinen Grünanlage auf eine Bank um ein wenig zu verschnaufen.
„Ach, das hab ich ganz vergessen. Ich hab ja noch was für dich." Warren griff hinter sich und zog einen weißen Umschlag aus seinem Rucksack. „Happy Birthday Juliette." „Aber du sollst mir doch nichts schenken...." Ich nahm den Umschlag entgegen, „....Danke." Verlegen kratze sich Warren am Hinterkopf, als ich den Umschlag aufklappte und zwei Karten daraus hervor zog. „Klassische Musik seiner schönsten Form.", las ich laut vor. „Das sind Eintrittskarten für einen Auftritt eines Pianisten siehst du...", er deutete auf den Namen des Jungen, „...Haru Nishizawa. Der ist hier in Japan wohl eine ganz große Nummer. Ich dachte das gefällt dir vielleicht. Es findet in einem Park hier in der City statt, also open air." „Das ist ein wirklich wunderschönes Geschenk, Danke...." Warren lächelte zufrieden. „Freut mich, ich bin selbst gespannt drauf."
Am Abend dann war es soweit, ich hatte das einzig schöne Kleid angezogen, was ich auf unsere Reise mitgenommen hatte. Es war weiß, ärmellos und so leicht, dass es bei der leisesten Bewegung zu schwingen begann. Der Park war mit wunderschönen Lichtern geschmückt, welche zwischen den Bäumen hindurch leuchteten. Und ganz in der Mitte der Grünanlage, die Bühne. Sie war nicht übermäßig groß und in ihrer Mitte stand ein glänzendes, weißes Piano. Warren pfiff anerkennend. „Nicht schlecht hier." Ich konnte nur zustimmend nicken. Er sah gut aus, irgendwie strahlte er eine Ruhe aus, welche mich immer wieder erdete. Unter seinem schwarzen Shirt zeichnete sich die Kette ab, welche Isaac ihm als eine Art Glücksbringer mitgegeben hatte. Ihre silbernen Glieder schimmerten an seinem Hals als er sich zu mir wandte und mich lächelnd ansah. Sein typisch schiefes Warren-Lächeln. Wir begaben uns an unsere Plätze und ließen die Atmosphäre auf uns wirken. Die Menschen unterhielten sich gedämpft und das rauschen der Bäume lies einen fast vergessen, dass man sich in Mitten einer Großstadt befand. Nur die riesigen Wolkenkratzer, welche in der Entfernung in den Himmel empor stiegen, erinnerten daran. Und dann, gingen die Scheinwerfer der Bühne an und erhellten den Platz. Das Piano schien förmlich zu funkeln. Ein großer, schlanker Junge betrat die Bühne. Seine schwarzen Haare schienen das Licht aufzusaugen und mit der gleichen Intensität wieder abzustrahlen. Er war ein kompletter Kontrast zu seinem Instrument. Er verbeugte sich in Richtung des Publikums, dann setze er sich nieder und begann zu spielen. Das Stück, dass er spielte, trug den Titel ‚Verona' und er spielte es mit so viel Gefühl, als würde sein Leben davon abhängen. In diesem Moment griff Warren nach meiner Hand und küsste sachte meinen Handrücken. „Ich liebe dich.", flüsterte er, lächelte mich an und sah dann zurück zur Bühne. Er hatte damals recht gehabt. Man konnte nicht perfekt für sich selbst sein. Aber man konnte mit absoluter Sicherheit, perfekt für jemand Anderen sein. „Ich liebe dich auch."

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