Kapitel 7: Litanei des Kochens

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Langsam blätterte Cass zur nächsten Seite und betrachtete dort das abgebildete Gericht, über dessen Zubereitung der dazugehörige Text gehen sollte. Scheinbar handelte es sich um ein Nudelgericht. Die Teigwaren wurden zum Teil von einer knallig roten Soße bedeckt, in der buntes, kleingeschnittenes Gemüse und ziemlich lecker aussehenden Fleischklöße lagen. Ihr Blick flog zum Titel des Gerichts und ihre Augen versuchten, die immer wieder verschwimmenden Buchstaben zu lesen. Gemüse? Pasta? Hack?

Frustriert rieb sie sich die Augen hinter der Brille, da ihr rechtes angefangen hatte unangenehm zu zwicken, und versuchte es dann erneut. Gemüse-Pasta...m...Hackb... Gemüse-Pasta mit Hackbällchen! Ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.

„Was liest du denn?", fragte Trish, die geschäftig ihre Einkaufliste an der Theke der Bücher-Bäckerei schrieb. Cass blickte zu ihr auf und antwortete immer noch beflügelt von ihrem kleinen Erfolg: „Eins der Bücher, die du mir gegeben hast. Ein Rezeptbuch." Neugierig wandte Trish Cass ihre volle Aufmerksamkeit zu.

„Und sind die Rezepte gut?" Die Einkaufsliste schien sie eindeutig vergessen zu haben. Die Frage holte Cass wieder auf den Boden zurück. Bedrückt gestand sie: „Ehrlich gesagt habe ich noch keins davon ausprobiert." Es waren schon einige Bilder dabei gewesen, die sie gereizt hätten, doch sie wusste keinen rechten Anlass für einen solchen Aufwand. Wobei eher das Entziffern der Rezepte an sich Probleme machte und weniger deren Umsetzung.

„Na dann wird's aber Zeit." Schwungvoll kam die junge Frau um die Theke herum und auf Cass zu, die an einem der Tische im vorderen Bereich saß. Ohne, dass Cass reagieren konnte, schnappte sie sich das Buch und las das Rezept von der Gemüse-Pasta. „Das sollte ja nicht allzu schwer sein, bis auf die selbstgemachten Nudeln. Und die Zutaten bekommt man auf jedem Fall hier im Supermarkt." Krampfhaft suchte Cass nach einer Ausrede, ohne ihr eigentliches Problem preiszugeben.

„Ach, das lohnt sich doch nicht für eine Person." Im Nachhinein hätte sie wohl lieber ihre mangelhaften Kochkünste vorschieben sollen.

„Man braucht doch keinen Anlass, um sich sowas mal zu gönnen. Und wenn du doch einen brauchst, lade ich Quinn und Jarin ein und wir können bei mir kochen." Cass brachte es gerade noch fertig, sich von einem lautstark ausgestoßenen „Nein" abzuhalten.

„Du brauchst dir...", begann sie, doch Cass kam gar nicht mehr zu Wort. Trish war von ihrer eigenen Idee so begeistert, dass sie kurzerhand das Kochbuch mit zur Theke nahm und die Zutaten auf ihrer Einkaufsliste für den Laden ergänzte.

„So, dann können wir alles Nötige gleich, wenn wir den Laden schließen, besorgen."

„Trish, du brauchst wirklich kein Aufheben darum zu machen", versuchte es Cass ein letztes Mal, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Trishs plötzlich ernst gestellte Frage brachte sie dann aber aus dem Konzept.

„Hast du mal mit Freunden gekocht?" Verdutzt öffnete Cass den Mund, um etwas zu erwidern., merkte dann aber, dass es nicht zu ihrem Ziel beitragen würde, ehrlich zu antworten. Sie schloss ihren Mund einfach wieder sich des Blickes der Rotfüchsin mehr als bewusst. Doch Trish hatte die unausgesprochene Antwort wahrgenommen.

„Dachte ich es mir doch." Cass wusste nichts darauf zu erwidern, aber Trish schien auch nichts dergleichen zu erwarten. Kurzerhand schloss diese behutsam das Kochbuch, schnappte sich ihre aus Stoffresten zusammengesetzte Handtasche und eilte zur Tür. Ungeduldig auf den Fußballen wippend drehte sie sich dort nach Cass um.

„Na auf geht's." Seufzend ergab sich Cass ihrem Schicksal. Hatte sie doch in den letzten Tagen und auch gerade eben zu spüren bekommen, dass wenn Trish sich einmal an einer Idee festbiss, sie nicht mehr losließ. Und Cass wusste nicht, ob sie dankbar oder genervt darüber sein sollte, dass Trish sich an ihr verbissen zu haben schien.

Irgendwie würde sie einen weiteren Abend mit den beiden Männern schon überleben, redete sie sich ein, auch wenn ihre immer noch bestehende Angst vor ihnen etwas anderes sagte.

Allerdings hatten sie Cass beim letzten Mal schon nicht gebissen, warum sollten sie es also jetzt tun. Sie waren eigentlich doch gar nicht so furchterregend, wie die Polarfüchsin zu Anfang gedacht hatte.

Auch ohne Flügel kann man fliegen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt