„Ist doch gar nicht so schlecht hier, oder?" Trish grinste breit und nahm dann einen kräftigen Schluck aus ihrem dritten Cocktailglas. Sie hatte auch Cass das bunte Gebräu aufschwätzen wollen, doch diese blieb lieber bei ihrem Bier, das sie seit dem Filmabend irgendwie zu schätzen gelernt hatte. Auch war das Bier, das man in Grans Bar bekam, ganz anders. Es war dunkel, fast schwarz und hatte eine leicht süßliche Note, die ihr irgendwie gefiel. Was noch dazukam war, dass Gran, die geschäftig hinter der Theke zugange war, sie vor dem stärkeren Zeug gewarnt hatte.
Gleich darauf hatte die ältere Wandlerin hingegen Trish einen extra Schuss aus einer braunen Flasche reingekippt, als diese mit einem Wolfsgestaltwandler flirtete. Das würde Quinn mit Sicherheit nicht gefallen. Und Gran wusste das offensichtlich, sofern Cass ihr diabolisches Grinsen richtig deutete.
Cass wollte ihren Verstand nicht mit Alkohol benebeln, vielmehr hatte sie sich nur ein Bier bestellt, um nicht aus der Reihe zu fallen. Naja und irgendwie vielleicht doch die Stimme in ihrem Inneren zu dämpfen, die in Gegenwart dieser vielen unbekannten Leute konstant nach Flucht schrie.
Deshalb wäre Cass auch am liebsten auf ihrem Stuhl am Tisch in der Ecke sitzengeblieben und hätte das Geschehen der teilweise tanzenden, teilweise an den Tischen trinkenden Leute aus sicherer Entfernung betrachtet. Leider warf sich Trish jedoch sogleich, als die letzten Tropfen ihres Cocktails in ihrem Mund verschwanden, auf ins Getümmel. Cass blieben also nur zwei Möglichkeiten. Hier allein ohne Rückendeckung sitzen zu bleiben oder Trish zu folgen. Sie entschied sich ganz klar für letzteres und hängte sich an die Fersen der Rotfüchsin, ihre Bierflasche wie einen rettenden Anker fest umklammert.
Nur wenige Schritte weit gekommen musste sie dann aber bestürzt feststellen, dass Trishs bunte Mähne in dem Meer aus hochgewachsenen Wandlern nicht mehr zu sehen war. Ihre Füße quittierten ihr den Dienst und sie blieb wie angewurzelt stehen. Die Leute um Cass herum schienen sie nicht wahrzunehmen oder sie existierte einfach nicht für sie. Plötzlich wurde die junge Frau angerempelt und musste zurückweichen, woraufhin auch sogleich der nächste Stoß folgte. Ihre Atmung fing an, sich zu beschleunigen. Ihr Herzschlag dröhnte übermäßig laut in ihren Ohren und ihre Hände fingen an zu schwitzen. Allmählich nahmen schwarze Punkte die Herrschaft über ihr Sichtfeld ein. Der Griff um die Bierflasche nahm an Festigkeit zu und nach einem erneuten Rempler, war sie kurz davor zu schreien.
Unvermittelt legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Vor Schreck öffneten sich ihre Hände ohne ihr Zutun. Erstarrt wartete Cass auf das klirrende Geräusch des zerbrechenden Glases. Doch es blieb aus. Stattdessen fing eine zweite Hand die Bierflasche auf. Der Griff um ihre Schulter blieb aber weiterhin fest und bestimmt. Langsam wanderten Cass' Augen zu dem Besitzer der Hände und ihr Gesicht erstrahlte fast schon vor Erleichterung. Ein Blick aus gelben Augen erwiderte den ihrigen und Jarins Mundwinkel zuckte.
„Wenn du Bier nicht magst, muss es doch nicht immer auf dem Boden landen." Beschämt rieb sich Cass den Nacken.
„Das scheint wohl eine meiner neuesten Angewohnheiten zu sein", versuchte sie dann doch tatsächlich zu scherzen. Und es klappte auch irgendwie. Jarins Grinsen zauberte auch ihr ein Lächeln aufs Gesicht und die Angst und Anspannung fiel von ihr ab. Die Leute um sie herum waren vergessen, bis ein Ellenbogen Cass schmerzhaft in die Seite traf. Vom Schwung erneut aus der Fassung gebracht, stolperte sie. Jarins Griff an ihrer Schulter verließ sie und stattdessen machte sie Bekanntschaft mit seiner Brust. Mit einem überraschten Geräusch trafen beide aufeinander.
„Pass doch auf Melvik!", Jarins Stimme war mehr als ungehalten, aber sein Arm schlang sich sanft um Cass Oberkörper und verschaffte ihr zusätzlichen Halt. Die angesprochene Person meinte nur: „Sorry, Kumpel." Dann war derjenige auch schon wieder in der tanzenden Menge verschwunden.
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Auch ohne Flügel kann man fliegen.
FantasyDie Gestaltwandlerin Cassandra Lakast bekommt einen Neuanfang. Eine neue Stadt. Eine neue Wohnung. Ein neues Leben. Doch reicht das alles, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen? Wie geht sie mit den neuen Eindrücken um? Und vor allem, wie we...