"Komm schon Daniel, mach ihn fertig!", feuerte Ana ihren Freund am Nachmittag an, der gerade gegen Milan im Ring stand. Beide Jungs schnauften schwer, der Schweiß rann an ihren Gesichtern ab und tropfte auf den hellen Boden des Rings. Milans schwarze Haare klebten an seiner Stirn und sein graues Trainingsshirt war komplett durchnässt, Daniel dagegen hatte sich das Oberteil schon vor drei Runden vom Leib gerissen.
Die Russin fieberte wirklich mit und schmunzelnd beobachtete ich sie, ehe mein Blick wieder auf Milan fiel. "Halte deine Deckung oben!", kommandierte ich, als ich sah wie seine Arme nach unten sackten. "Und dreh die Hüfte mehr ein, komm schon!" Knapp nickte er und als die nächste Runde eingeläutet wurde, war ich schon etwas zufriedener mit ihm.
"Du benimmst dich wie ein Feldwebel", grinste Ana und rückte ihren Zopf zurecht.
Ich zuckte mit den Schultern. "Diese kleinen Fehler könnten ihn im Kampf den Sieg kosten", meinte ich und hatte trotz des harten Trainings stets ein Auge darauf, dass sich Milan nicht überangstrengte. "Oder ihn verletzen."
"Verstehe", murmelte die Russin nickend und sah noch eine Zeit lang dem kleinen Kampf zu. "Ich verschwind mal kurz auf Toilette", meinte sie dann und schon war sie verschwunden.
Streng musterte ich Milans Bewegungen, doch auf den ersten Blick fand ich keine großartigen Fehler, weshalb ich zufrieden grinste. Mein Blick wanderte kurz durch das Studio und als ich einen breiten Glatzkopf erkannte, rief ich ihn zu mir. "Hey Charlie!" Ich winkte ihn in meine Richtung und deutete, kaum dass er bei mir angekommen war, auf Milan. "Du hast das letzte Mal gemeint, er wäre noch nicht bereit."
Der Freund meines Dads lächelte und nickte. "Stimmt."
"Warum? Was fehlt ihm?"
"Ihn hatte etwas bedrückt, Ella. Bei jedem Schlag konnte man ihn ansehen, dass er mit seinem Kopf ganz wo anders war als er eigentlich sein sollte."
Verwirrt sah ich Charlie an und verstand noch immer nicht genau, was er meinte. "Ich verstehe nicht ganz..."
Er lachte leise und klopfte auf meine Schulter, doch in seinen Augen spiegelte sich Trauer wieder. "Wenn man damit beschäftigt ist, einen Kampf gegen sich selbst zu führen, kann man keinen Krieg gegen jemand anderen gewinnen."
Noch eine Weile runzelte ich verwirrt die Stirn, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Ich sah zu Milan und jetzt wo ich es wusste fiel mir tatsächlich auf, dass er um einiges gelöster und glücklicher wirkte. Im Nachhinein wurde mir klar, dass dies schon so war seit er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. "Woran hast du es gemerkt?"
Charlie lächelte traurig. "Meine Tochter war genauso, eine kleine Kämpferin." Wehmut klang in seiner Stimme und mitfühlend sah ich ihn an. "Sie hatte schwere Depressionen, tagein tagaus hat sie gegen die Dämonen in ihrem Kopf gekämpft, aber irgendwann konnte sie nicht mehr und... hat es beendet."
"Das tut mir leid", sagte ich ehrlich und konnte mir nicht vorstellen, wie er sich gedühlt haben musste.
Er lächelte mich bedrückt an und sah dann wieder zu Milan. "Der Junge kann gewinnen", meinte er und ermutigte mich damit ungemein. "Er ist stark, in jederlei Hinsicht."
Mein Blick glitt ebenfalls zu meinem Freund und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Ja, das ist er."
"Und jetzt gib den beiden Jungs eine Pause, sonst kippen sie dir gleich um", zwinkerte Charlie mir amüsiert zu und begab sich dann wieder an einen der Boxsäcke.
Grinsend sah ich zu meinem Dad, der sich bereit erklärt hatte als Schiedsrichter einzuspringen, und gab ihm ein Zeichen. Nickend brachte er die beiden Jungs auseinander. "Eure Cheffin gönnt euch eine Pause", meinte er belustigt mit seiner tiefen Stimme und ließ mich durch seine Worte die Augen verdrehen. Ich stieg zwischen den Seilen hindurch und in den Ring, wo ich mich neben Milan stellte, dessen Blick auf mir klebte.
"Und, wie steht's?", fragte ich neugierig und sah meinen Dad an.
Ehe dieser aber antworten konnte meldete sich Daniel mit einem spöttischen Schnauben zu Wort. "Pha, Milan hat mich völlig fertig gemacht, wie wird es da schon stehen?" Gespielt beleidigt verzog er sein Gesicht.
"Daniel hat Recht, Milan führt haushoch", bestätigte mein Vater und stolz sah ich zu meinem Boxer auf, der meinen Blick erwiederte und einen verschwitzten Arm um meine Taille legte. "Gute Arbeit ihr beiden", lobte uns mein Dad und nickte mir anerkennend zu.
Als ein langsames Klatschen ertönte drehten wir alle verwundert unsere Köpfe und ich seufzte genervt als ich Michael Hall erkannte, der vor dem Ring zum Stehen kam. Dad zog seine Stirn in Falten und besitzergreifend zog mich Milan enger an seinen Körper.
"Na das hört sich ja ganz so an, als würde uns am Samstag ein spannender Fight erwarten", sprach Hall grinsend und klatschte erneut in die Hände. "Ich freue mich schon."
"Und ich mich erst", brummte mein Freund weit weniger enthusiastisch.
"Was verdammt willst du hier, Hall?", fragte Daniel bissig und warf seine Boxhandschuhe in eine Ecke, um sich mit den Fingern durch seine nassen, braunen Haare zu fahren.
Michael zuckte mit den Schulter und steckte seine Hände in die Hosentaschen. "Nichts von dir, keine Sorge Manocini. Ich wollte nur sehen, wie Sams neuer Schüler sich so macht um mich schon einmal auf sein schnelles k.o. einzustellen." Sein Blick fiel auf mich und sein Lächeln wurde breiter. "Wenn du willst können wir nach dem Fight noch meinen Sieg feiern gehen."
Der Typ war doch echt lebensmüde, mich vor meinem Kumpel, meinem Freund und meinen Dad so ungeniert anzubaggern. Milan spannte sich an, doch wartete er eine Reaktion meinerseits ab.
Müde lächelnd löste ich mich von Milan und trat aus dem Ring, womit ich jetzt direkt vor Hall stand der mich abwartend angrinste. "Nein", sagte ich langsam und klar und deutlich. "Und jetzt verpiss dich aus dem Club, damit Milan in Ruhe trainieren kann."
Hall zog seine Augenbraue in die Höhe und ließ seinen Blick noch einmal über die Männer im Ring schweifen. "Ist das etwa ein Befehl von Sams kleiner Tocher?" Am liebsten hätte ich ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht geprügelt.
"Nein, es ist ein Befehl von Milans Trainerin. Jetzt bewege deinen verdammten Arsch hier raus bevor ich dir so einen Tritt gebe, dass du hochkant aus dem Dach fliegst!" Finster und mit einem Funken Herausforderung starrte ich ihn an, was sein dummes Grinsen verblassen ließ.
Fast schon bedrohlich sah er Milan an. "Bis Samstag", knurrte er und seine Worte klangen schon fast wie eine Drohung.
"Bis Samstag", gab mein Freund im gleichen Ton zurück und entspannte sich erst wieder, als Hall aus seinem Sichtfeld verschwunden war.
Ich drehte mich zu den Jungs und meinem Dad um und sah Milan mahnend an. "Wenn du ihn am Samstag nicht k.o. schlägst, tu ich es!" Seine Mundwinkel zuckten mach oben und zustimmend nickte er.
"Ich schließe mich dir an", brummte Daniel, ehe er sich auf den Weg zu Ana machte, die von der anderen Seite des Rings aus das ganze mit Arhusaugen beobachtete hatt. Auch mein Dad verschwand nach oben in sein Büro. Milan kam stattdessen zu mir.
"Was denkst du", fragte er und sah auch mich herab, "Haben wir eine Chance zu gewinnen?"
Nachdenklich biss ich auf meine Unterlippe, bis Milan sie von meinen Zähnen befreite und mir tief in die Augen sah. Leicht legte er seinen Kopf schief, während ich in diesem braunen Meer ertrank. "Wenn du deine Deckung endlich mal oben behältst, dann ja", schmunzelte ich schließlich und antwortete nicht ganz so ernst wie er es gerne gehabt hätte. Dennoch gab er sich damit zufrieden und ich streckte mich zu ihm nach oben, um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu hauchen. "Und jetzt geh' duschen, du stinkst."
Empört sah er mich an, dann aber wurde sein Blick schelmisch. "Wenn du mich begleitest?" Aus unschuldigen Bambiaugen schaute er mich an und um ein Haar hätte ich ja gesagt. Ich stellte mir vor, wie das warme Wasser auf mich und Milan hinunterprasselte und seinen heißen Oberkörper durchnässte, während seine Hände und Lippen glühende Spuren auf meiner Haut hinterließen. Mein Magen flatterte und wieder spürte ich diese Spannung in meinem Unterleib, doch schnell verscheuchte ich diese Gefühle und Gedanken wieder und schüttelte den Kopf.
"Ein anderes Mal vielleicht, und jetzt geh."
"Das merke ich mir Tiger", rief mir mein Freund grinsend zu, als er schon halb in der Umkleidekabine war und zwinkerte mir vielsagend zu. Lächelnd verdrehte ich die Augen.
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Grand Mal - Break your chains
Teen FictionBeendet ✔️ Ella hat genug von dem neuen Freund ihrer Mutter und als sie auch noch von dem Internat auf das sie ging verwiesen wird, beschließt sie zu ihrem Vater in eine idyllische Vorstadt zu ziehen. Endlich könnte sie ein ruhiges Leben leben, weit...