Eighty-five

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Ich quietschte leise auf, als Milan mich auf der Treppe an der Taille packte und leicht zudrückte. Empört schlug ich mach hinten gegen seine Brust, musste aber amüsiert schmunzeln. "Was sollte das denn?"

Mein Freund grinste hinter mir. "Ich wollte nur sichergehen, dass du wirklich nicht mehr sauer auf mich bist wegen den Medika-"

Er verstummte, als ich wie angewurzelt in der Tür unserer Küche stehen blieb und auf den Rücken einer rothaarigen Frau starrte, die sich gerade einen Kaffee zu machen schien. Perplex sah ich zu meinem Freund hoch, der verwirrt die Stirn runzelte.

"Ähm... Hallo?"

Erschrocken wirbelte die Frau herum und sah mich aus geweiteten, grünen Augen an. "Wer bist du?"

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. "Ella, aber viel eher würde mich interessieren wer die fremde Frau ist, die sich in meiner Küche Kaffee macht." Leicht legte ich den Kopf schief und sah in das mit Sommersprossen bedeckte Gesicht der Frau.

Peinlich berührt kratzte sie sich am Hinterkopf. "Ich... ähm... mein Name ist Irene." Sie streckte ihre Hand aus und noch immer ziemlich konfus ergriff ich sie. "Es freut mich wirklich dich endlich kennenzulernen, Sam hat schon so viel von dir geschwärmt." Ein ehrliches Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und betonte die Lachfältchen um ihre Augen. Ihr Blick fiel auf Milan und auch ihm streckte sie ihre Hand entgegen. "Und du musst Ellas Freund sein, nicht wahr?"

Besagter nickte etwas überfordert und schüttelte ebenfalls die Hand von Irene. "Entschuldige, wenn ich unhöflich wirke, aber was machst du hier? Und woher kennst du meinen Dad?" Verwirrt sah ich sie an und nahm dankend die Tasse Kaffee, die sie mir überraschenderweise reichte. Da ich aber keinen Kaffee trank, gab ich ihn einfach Milan weiter.

Noch bevor Irene auf meine Frage antworten konnte, ertönte ein lautes Gähnen aus dem Flur, gefolgt von der tiefen Stimme meines Dads. "Rieche ich hier etwa Kaffee, Schatz?"

Da ich ja eigentlich noch in einem Hotel einige Stunden von hier entfernt sein sollte und meinem Dad nicht gesagt hatte, dass ich früher wiederkomme, wurde mir schnell klar, dass mit Schatz wohl Irene gemeint war. Ihr verlegenes Lächeln und die hochroten Wangen bestätigte meine Vermutung.

Als mein Dad wenig später die Küche betrat stoppte er abrupt und sah mich überrascht an. "Ella?", fragte er überfordert, "Was tust du denn schon hier?" Wie zwei ertappte Teenager wechselten Irene und mein Dad einen Blick, weshalb ich noch immer entgeistert zu Milan sah, welcher aber nur wissend grinste. Na da hatte wohl ebenfalls jemand eins und eins zusammen gezählt.

"Ich glaube, ihr müsst da etwas besprechen", meinte mein Freund schmunzelnd und hauchte einen kurzen Kuss auf meine Wange. "Wir sehen uns später", sagte er noch, ehe er aus der Küche verschwand.

Fragend sah ich zwischen der Rothaarigen und meinem Dad hin und her. "Okay", sagte ich langsam, "Was zur Hölle geht hier vor?"

Mein Dad seufzte und fuhr sich über sein verschlafenes Gesicht, während Irene ihren Morgenmantel enger um ihre Taille band. "Also Spatz, Irene und ich sind... na ja wir sind..."

"Ein Paar", unterbrach ich nickend das Gestammel meines Dads und sah die Frau an, welche mich unsicher anlächelte. "Darf ich fragen, wie lange das schon geht?"

"Wir haben etwa eine Woche vor deiner Ankunft angefangen uns zu treffen."

Ich nickte verstehend und plötzlich ergab alles hier einen Sinn. "Dann hat sie dir das Kochen beigebracht?", fragte ich und versuchte das breite Grinsen zu unterdrücken, das sich auf mein Gesicht schleichen wollte.

Schüchtern strich sich Irene eine rote Locke aus dem Gesicht. "Als dein Vater mir erzählte, dass du jetzt bei ihm wohnst dachte ich mir, dass eine junge Frau wie du doch etwas anständiges zu Essen bräuchte und nicht immer nur dieses Takeaway-Zeug", gestand sie lächelnd. "Deshalb habe ich ihm ein klein wenig was gezeigt."

Verdutzt lächelte ich sie an und musste zugeben, dass sie mir ziemlich sympathisch war. Ich drehte mich wieder zu Dad. "Warum hast du mir die ganze Zeit verschwiegen, dass du eine Freundin hast?", fragte ich etwas enttäuscht und erntete ein kleines Seufzen.

"Ach Ella, du hast immer solche Probleme mit dem Freund deiner Mutter gehabt, dass ich es für besser hielt dir erst einmal nichts zu sagen."

Verletzt verzog ich mein Gesicht. "Aber ich hasse Dave doch nur, weil er ein Arschloch ist", verteidigte ich mich. "So lange Irene nicht versucht, mich auf ein Internat abzuschieben oder mich aus dem Haus zu ekeln-"

"Oh Gott nein!", unterbrach mich die Rothaarige sofort schockiert und schüttelte wie wild ihren Kopf. "Ich will dich doch nicht loswerden, du bist immerhin Sams Tochter und gehörst zu ihm!"

Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. "Wir werden uns gut verstehen Irene, da bin ich mir sicher", meinte ich an die Freundin meines Vaters gewand. "Allerdings", warf ich ein und zog meine Stirn in Falten, "Weiß ich nicht ob ich es gut finde, dass du all die Trainings mit Milan hast sausen lassen, nur um auf Dates zu gehen."

Mein Vater warf Irene einen fragenden Blick zu, den sie mit einem langsamen und gequält wirkenden Nicken quittierte. "Hör zu Ella", begann er ernst und die leichte Wut die in seinen Augen aufflammte, brachte mich dazu ihm vollkommen ruhig zuzuhören. "Irene hat sich vor neun Monaten endgültig scheiden lassen und ihr Exmann hat die Trennung nicht sonderlich gut vertragen."

"Seit der Trennung bin ich schon drei Mal umgezogen, weil er Nachts immer auf meinem Grundstück herumgeschlichen ist oder weil er mich bedroht hat. Jetzt hat er wieder herausgefunden wo ich wohne und weil ich mit deinem Vater zusammen bin wurde er nur noch verrückter." Irene schluckte und in ihren Augen spiegelte sich die Angst wieder, die sie all die Monate gespürt haben muss. "Mein Exmann hat mich früher... misshandelt, deshalb habe ich wirklich Angst vor ihm."

"Ich verstehe", sagte ich und bedeutete ihr damit, dass sie nicht weiterreden musste, da ich sah wie schwer ihr das fiel. "Du hast also jedes Mal wenn du das Gefühl hattest, dass er da war Dad angerufen um nicht alleine zu sein."

"Ja", nickte sie.

Mein Blick fiel auf meinen Vater. "Und du bist nie auf die Idee gekommen mir einfach zu sagen, dass du für deine Freundin da sein musst, die von ihrem - entschuldige - beschissenen Exmann bedroht wird?!", fragte ich aufgebracht an ihn gewand. "Du weißt genau, dass ich das verstanden hätte Dad! Dann hätten wir uns auch nicht so viel deswegen gestritten."

Seufzend fuhr mein Dad über seinen Bart und nickte. "Ich weiß", gab er von sich, doch dann zuckten seine Mundwinkel nach oben. "Aber ich weiß auch, dass du dich wahrscheinlich eingemischt hättest und versucht hättest, den Typen ausfindig zu machen."

Schnaubend verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Pff, eine ordentliche Ohrfeige hätte der Arsch ja auch verdient!" Auch Irene lächelte nun leicht.

"Das stimmt", meinte mein Dad, "Aber bis du die Chance bekommst musst du noch ein paar Jahre warten, bis er wieder aus dem Knast raus ist."

"Na dann hoffen wir mal er bekommt dort sein Fett weg", meinte ich schulterzuckend und ging dann auch Irene zu, die mich vorsichtig beobachtete. Ich lächelte sie warm an und schloss sie in eine Umarmung, die sie sofort erwiderte. "Herzlich Willkommen in unserer Familie."

Ihre Arme schlossen sich fest um meinen Körper. "Danke Liebes", sie löste sich und sah mich fragend an. "Ist es okay wenn ich dich so nenne?"

Lachend nickte ich. "Ja, schon in Ordnung. Allerdings muss ich sagen, dass ich gegen mein Kind neuerdings allergisch bin. Nur so als kleine Vorwarnung."

Dads Erleichterung wich seiner Verwunderung. "Hat dich so nicht immer deine Mutter genannt?"

Bitter nickte ich und als mein Vater erneut seinen Mund öffnen wollte unterbrach ich ihn. "Können wir das wann anders besprechen? Ich will nicht darüber reden."

"Aber-"

"Sam, du solltest ihr die Zeit besser lassen", unterbrach ihn Irene mit ruhiger Stimme und warf mir einen sanften Blick zu, den ich mit einem dankbaren Lächeln erwiderte.

"Ich mag dich jetzt schon Irene."

Grand Mal - Break your chainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt