Nine

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Ich lag ziemlich lange wach und konnte kein Auge zu machen. Einerseits quälten mich wahnsinnige Bauchschmerzen, weil ich morgen wieder Physik hatte und ich mir ziemlich sicher war, dass ich mich wieder bis auf die Knochen blamieren würde, aber vor allem machte ich mir wahnsinnige Sorgen um meinen Dad und den Club. Kaum zu glauben, dass er mir die Probleme die er hatte so lange verschweigen konnte, denn der Boxclub lag schon so weit in den roten Zahlen, dass es schon jahrelang eher schlecht als recht gelaufen sein musste. Unruhig wälzte ich mich in dieser Nacht hin und her, spielte mit dem Gedanken, selbst an einigen Wettkämpfen teilzunehmen und verwarf diesen dann wieder als mir einfiel, dass ich als Frau nicht gegen Männer boxen dürfte. Und so viele Frauen würde es vermutlich nicht geben, die in meiner Alters- und Gewichstklasse waren gegen die ich antreten konnte.

Durch meinen so gut wie nicht vorhandenen Schlaf sah ich wahrscheinlich aus wie ein Waschbär auf Crack, als ich am Mittwoch in die Schule kam und Ana bestätigte meine Vermutung. "Heiliger Bockmist, hast du die Nacht durchgemacht oder was ist los mit dir?"

"Schlecht geschlafen", murmelte ich nur und gähnte passend, "Wie war dein Date?"

Sie musterte mich kritisch und ließ keinerlei Emotionen durchblitzen, als ich ihr die Frage stellte. Stattdessen rückte sie nur ihre Brille zurecht und schüttelte entschieden den Kopf. "Das werde ich dir berichten, wenn du etwas zurechnungsfähiger bist und nicht mehr rumläufst wie ein Emo-Zombie." Sie legte ihren Arm um meine Schulter und irgendwie hatte ich das Gefühl, ihr teuflisches Grinsen bedeutete nichts gutes für mich. "Aber ich schätze, du wirst spätestens in der Pause putzmunter sein, du hast jetzt nämlich Sport."

Gequält stöhnte ich auf. "Och bitte nicht!"

"Oh doch, und Coach Bylth lässt jeden der zu spät kommt zehn Liegestütze machen, also beeil dich besser. Hopp hopp." Sie klopfte ermutigend auf meinen Rücken und ich fragte mich gerade, warum sie früh morgens so verflucht gut gelaunt war. Meiner Meinung nach war das gar nicht gesund, zumal ich einen Mord begehen müsste wenn es immer so wäre. Aber weil ich wirklich nicht scharf auf Liegestütze war, lief ich wirklich zügig den Gang entlang um noch rechtzeitig in der Turnhalle anzukommen. "Und später hast du noch Physik!", hörte ich Anas belustigte Stimme hinter mir und seufzte.

Ich hasste Mittwoche.

◇◇◇

Völlig erschöpft kam ich in der Cafeteria an, wo ich sofort Ana an einem Tisch sitzen sah und direkt auf sie zusteuerte. Meine Beine waren weich wie gekochte Spaghetti und meine Lungen drohten zu zerbersten, nachdem der Coach uns endlos viele Runden durch die Halle gejagt hatte um unsere Ausdauer zu testen. Kaum hatte ich mich auf die Bank fallen gelassen schnappte ich mir Anas Flasche mit Eistee und trank sie halb leer, was die Russin nur amüsiert beobachtete.

"Na, bist du jetzt wach?"

"Sei bloß still", brummte ich keuchend, "Erzähl lieber wie es mit Daniel war."

"Die gute Nachricht zuerst: Er lebt noch", gespielt erleichtert atmete ich durch und sie lachte.

"Und das war die einzige gute Nachricht von diesem Abend?", hakte ich neugierig nach, denn irgendwie hatte ich die Vermutung, Anas gute Stimmung heute Morgen hatte noch etwas mit den Glücksgefühlen von gestern zu tun. "Komm schon Ana."

Schmunzelnd verdrehte sie ihre blauen Augen. "Es war ein schöner Abend, obwohl ich das echt nicht erwartet hatte. Aber-", sie unterbrach sich selbst und spielte mit ihren Fingern.

"Aber?"

"Ach keine Ahnung", nuschelte sie und fuhr sich durch ihre heute wieder offnenen Wellen, "Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich etwas ernstes will oder nur einen Zeitvertreib."

Grand Mal - Break your chainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt