Seventy-seven

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Die Feier war noch ziemlich langweilig, allerdings nicht ganz so schlimm wie befürchtet und da Milan an meiner Seite war hatte ich trotzdem meinen Spaß. Wir hatten uns viel unterhalten und herumgeblödelt, einmal konnte ich ihn sogar auf die Tanzfläche zerren, doch da wir beide null tanzen konnten war es auch das letzte Mal. Da Daves Familie die Tische in der Nähe des Brautpaares bekommen hatte und Mum nicht wirklich viele Leute eingeladen hatte, saßen wir ziemlich am Ende des großen Gesellschaftssaals in der Nähe der Küchentür. Irgendwann bat mich meine Tante Alexa (die einzige Schwester meiner Mutter), ihr ein Glas Leitungswasser zu holen, da sie aufgrund einer Knieoperation noch nicht wieder so gut laufen konnte. Natürlich ging ich sofort los.

Ich war kaum drei Schritte in die Küche getreten, als ich ein widerliches Pfeifen hörte und mich augenverdrehend umdrehte.

"Du bist noch genauso heiß wie vor drei Monaten, Ella." Diese Stimme mit dem dauerhaft dreckigen Unterton konnte ich sofort einer bestimmten Person zuordnen und ballte meine freie Hand zu einer Faust.

"Und du bist ganz sicher noch genau so ein Arschloch", zischte ich und spürte eine enorme Wut in mir aufsteigen. Aus Feuer spuckenden Augen starrte ich meinen Exfreund nieder, der jedoch nur sein typisches arrogantes Grinsen auf den Lippen trug.

Er checkte mich ganz offensichtlich aus, seine blauen Augen glitten über meinen Körper und seine Mundwinkel zuckten mit jedem Millimeter weiter nach oben. Das Glas in meiner Hand war kurz davor zu zerbrechen, so angespannt war ich. Als er endlich wieder in meine Augen sah fuhr er sich lässig mit einer Hand durch die gestylten blonden Haare und ich bekam einen Würgreiz als ich daran dachte, wie attraktiv ich diese Geste früher gefunden hatte.

"Na komm schon, willst du nicht mal für mich lächeln? Das schuldest du mir, nachdem du mir bei unserem letzten Treffen eine Ohrfeige verpasst hast", grinste er süffisant.

"Ich schulde dir einen Scheiß!", fauchte ich und erdolchte ihn mit meinem Blick. "Außer vielleicht einen festeren Schlag!"

Lachend hob er seine Arme. "Oho, da fährt jemand die Krallen aus." Jacob stieß sich von der Küchentheke ab, an der er gelehnt hatte und kam etwas auf mich zu. "Weißt du eigentlich wie scharf du bist, wenn du mich so wütend ansiehst?"

Ich hätte explodieren können vor Wut und als er seine Hand austreckte um mich zu berühren, hätte ich fast die Kontrolle verloren. "Fass mich nicht an!", zischte ich und schlug seine Hand weg, ging direkt drei Schritte zurück.

"Damals warst du aber gar nicht so abgeneigt von meinen Berührungen", grinste das Arschloch vor mir.

"Da habe ich auch noch nicht gewusst, was für ein Mistkerl du bist!"

Wieder lachte Jacob und kam mir dann noch einen Schritt näher. Natürlich wich ich zurück, allerdings war die Wand hinter mir und sofort war ich von seinen Armen eingekesselt. Was ein Déjà-vu.

"Da kommen die Erinnerungen hoch, nicht wahr Ella?", schmunzelte auch Jacob dreckig, während ich aus noch immer zornesfunkelnden Augen zu ihm hochsah. "Na wie wäre es, wenn wir die Erinnerung noch einmal vollständig aufleben lassen, hm? Um der guten alten Zeiten willen." Sein Atem fegte warm über mein Gesicht.

"Vergiss es!", knurrte ich und wich seiner Hand aus, die meinem Oberschenkel näher kam. Jedoch wurde ich sofort wieder von ihm gefangen genommen und nun fassten seine Hände meine Arme und drückten sie gegen die kühle Wand hinter mir, sodass ich mich kaum mehr rühren konnte. "Lass mich sofort in Ruhe Jacob!"

Mein Gegenüber jedoch grinste nur weiterhin und seine Lippen wanderte zu meinem Hals. Weg konnte ich nicht, da er mich in die Ecke gedrängt hatte, doch trotzdem versuchte ich mich irgendwie gegen seine ekelerregenden Lippen zu wehren. Kalt floss das Blut durch meine Adern. "Na komm schon Kleine, oder brauchst du erst wieder einen Drink um locker zu werden?"

Ich spürte, wie sich Tränen aus meinen Augen drängen wollten, jedoch kämpfte ich sie zurück. "Lass mich jetzt los!", versuchte ich erneut, doch meine Stimme klang schon weit weniger kraftvoll. Kalten Lippen fanden ihren Weg zu meinem Dekolleté und am liebsten hätte ich mich übergeben. Ich versuchte mich zu befreien, doch er erhöhte nur den Druck auf meine Arme und auch sein Körper stemmte sich stärker gegen meinen. Ein leises Schluchzen entfloh mir und ich wünschte, mich einfach auflösen zu können.

"Was wenn nicht?", hauchte er mir belustigt in mein Ohr, doch mir entkamen nur weitere Tränen. Und plötzlich war er weg.

Ich drehte meinen Kopf und sah durch den Tränenschleier Jacob neben mir, vor ihm stand Milan und presste ihn am Kragen gegen die Wand an der auch ich stand.

"Dann werde ich deinen verfluchten Schädel so oft gegen diese Wand schlagen, bis nichts als Matsch übrig ist, kapiert?!"

Scheiße, selbst ich hatte gerade etwas Angst vor meinem Freund. In seinen Augen war nichts als Hass zu sehen, mit welchem er Jacob in Grund und Boden starrte. Als er keine Antwort bekam, drückte er den Blondschopf mit mehr Kraft gegen die raue Wand und es schien, als würde er gleich die Beherrschung verlieren.

Jacob schielte erst zu mir, doch als Milan den Druck auf seinen Hals erneut erhöhte, um seine Aufmerksamkeit von mir weg zu lenken, nickte er schließlich wie wild. "J-ja, ich wusste nicht, dass sie... einen Freund hat! Sorry."

Mein Freund allerdings schien mit der Antwort nicht zufrieden zu sein. "Es spielt keine verdammte Rolle, ob sie vergeben ist oder nicht! Wenn sie Nein sagt, dann lass gefälligst deine verfickten Hände von ihr, das gilt für jede Frau!" Seine Stimme bebte vor Wut und ich konnte ihm ansehen, wie sehr er sich gerade zurückhielt. Ein falsches Wort würde genügen, damit Milans bebende Faust in Jacobs Gesicht landete.

Wieder nickte Jacob. "O-Okay. Tut mir Leid." Auf eine gemeine Art und Weise war es amüsant zu sehen, wie er sich fast in die Hose machte und wäre ich nicht gerade so völlig aufgewühlt, hätte ich sicher lachen müssen.

Milan zog ihn von der Wand und stieß ihn kräftig in Richtung Tür, so dass Jacob beinahe auf den Hintern gefallen wäre. "Jetzt verpiss dich!" Schnell wie der Wind rannte mein Exfreund aus der Küche.

Zitternd sah ich zu wie die Tür hinter ihm wieder zufiel und den Lärm verschluckte, der von der Hochzeitsgesellschaft kam. Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich spürte wie mich jemand berührte, doch als ich dann in Milans liebevolle braune Augen sah entspannte ich mich sofort.

"Hey", raunte er leise und betrachtete mein bebendes Ich voller Sorge, "Komm her." Er zog mich in seine warmen Arme und hielt mich fest an seinem Körper, wo ich leise in seine Brust schluchzte. Dieser Vorfall hatte wieder alles in mir aufgewühlt, von dem ich dachte, dass ich es eigentlich verabreitet - oder eher totgeschwiegen hatte. Schutzsuchend krallte ich mich in Milans Hemd, welcher seine Arme fester um mich schloss und mehrere Küsse auf meinen Scheitel hauchte.

"Ich will hier weg", flüsterte ich leise und sah dann aus verheulten Augen zu ihm auf. "Bitte bring mich weg."

Ohne zu zögern nickte er und küsste meine Stirn. "Sofort", sagte er, zog mich fest an sich und brachte mich nach draußen in sein Auto, wo er mich kurz allein ließ - auch wenn es ihm widerstrebte - um meiner Mutter zu sagen, dass wir gehen würden. Müde lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe und schloss die Augen. Mir war klar, dass ich Milan jetzt erzählen musste, wer dieser Typ war und dieser Gedanke verursachte mir Bauchschmerzen.

Als Milan die Tür öffnete und neben mir Platz nahm erschrak ich kurz, blinzelte ihn dann aber erschöpft an. Sein Braun war ein einziges Gefühlschaos und ich wusste, dass tief in ihm noch eine ungeheure Wut brodelte, doch er versteckte sie, lächelte mir aufmunternd zu und küsste erneut meine Stirn. Dann startete er den Wagen und wir fuhren schweigend zurück ins Hotel.

Grand Mal - Break your chainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt