Kapitel 6

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Yato stand auf und griff nach seinem Handy, das immer noch vibrierte. Er sah etwas irritiert aus und Hiyori hatte Angst, es könnte vielleicht seine Kollegin sein, die sich heute mit ihm treffen wollte. Er nahm das Gespräch mit einem simplen Hallo an und verließ danach sofort den Raum, was ihr Herz schneller schlagen ließ. Er verschwand im Badezimmer und sprach sehr leise, sodass sie nicht verstehen konnte, um was es ging. Es musste doch jemand anderes sein. Keine zwei Minuten später stand er wieder vor ihr und klappte das Handy in seiner Hand zu, um es einzustecken und stützte seine Hände auf den Tisch.

"Kannst du mich zu diesem Schließfach fahren? Bahnhof Shinjuku?"

"Hm? Aber das ist doch gar nicht so weit..."

Er winkte ab und drehte seinen Kopf zur Seite.

"Ja, ja schon gut, ich laufe."

"Nein! So hab ich das doch gar nicht gemeint. Ich fahre dich, wann willst du los?"

Er klang genervt und war irgendwie komisch, bereute er etwa ihre gemeinsame Nacht? Hatte sie das gestern übertrieben?

"Sobald wir fertig sind. Ich geh duschen und du kannst in Ruhe frühstücken."

"Ok..."

"Gut."

Yato stieß sich vom Tisch ab und drehte sich um.

"Äh...was ist in diesem Schließfach?"

"Hoffentlich mein neues Leben!"

Die Tür des Badezimmers fiel erneut zu und ein paar Sekunden später, hörte sie das Rauschen ihrer Dusche. Hunger hatte sie irgendwie so überhaupt nicht mehr. Sie war müde, etwas verkatert und die ganze Sache mit Yato schlug ihr gerade übel auf den Magen. Sie war traurig, was meinte er mit sein neues Leben? Führte er das nicht schon, so mehr oder weniger mit ihr? Ok, er schlief immer noch auf ihrem Sofa, aber sie würde das ändern, wenn er dazu bereit war und ihre Gefühle teilte. Hiyori stand langsam auf und beschloss sich umzuziehen. Sie würde heute Abend ein ausgiebiges Bad nehmen, draußen war es sowieso so kalt. Sie lief in ihr Schlafzimmer, schlüpfte in eine Jeans und einen gelben Hoddie, der besonders kuschlig war. Yatos Klamotten lagen immer noch verteilt auf dem Boden und sie war gerade dabei diese aufzusammeln, als er plötzlich hinter ihr stand.

"Ich brauch meine Jeans, würdest du sie mir bitte geben?"

Sie drehte sich zu ihm um und blieb einen Moment, an seinem nackten Oberkörper hängen. Kleine Wassertropfen fielen von seinen Haaren auf seine Brust und bahnten sich ihren Weg nach unten über seinen Bauchnabel bis zu ihrem Handtuch, das er um seine Hüften geschwungen hatte.

"Hiyori? Meine Jeans!?"

"Oh..."

Sie schreckte nach oben und sah in sein grinsendes Gesicht. Natürlich hatte er mitbekommen, dass sie ihn gerade angestarrt hatte.

"Sorry, h-hier bitte."

"Danke."

Sie spürte wie rot sie war, als er ihr das Kleidungsstück aus der Hand nahm und zurück lief um sich umzuziehen.

Es schneite kleine Flocken, als sie etwas später in ihr Auto stiegen, das sie erstmal von den vereisten Scheiben befreien musste. Yato saß neben ihr und kuschelte sich etwas mehr in seinen Schal, bevor er sich die Hände rieb.

"Die Heizung wird wahrscheinlich erst richtig warm, wenn wir schon fast dort sind, sorry."

"Schon gut, ich bin ja schon froh, das ich nicht laufen muss bei der Kälte."

Sie lächelte ihn nochmals an, bevor sie den Motor startete. Der Verkehr hielt sich glücklicherweise bei diesem Wetter in Grenzen, sodass sie ziemlich gut voran kamen. Hiyori betrachtete das rege Treiben Tokyos, als sie an einer roten Ampel standen. Die Schneeflocken rieselten unaufhörlich vom Himmel, blieben aber bisher nur spärlich auf den Straßen liegen. Trotzdem schienen die Menschen gute Laune zu haben, vorallem ein kleiner Junge, der vor ihrem Auto über die Straße lief und versuchte, ein paar Flocken zu fangen. Seine Eltern sahen ihm belustigt dabei zu und Hiyori wurde warm ums Herz. Sie wünschte sich das auch eines Tages, mit ihrer kleinen Familie im Schnee spazieren zu gehen.

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