Kapitel 4

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Ich öffnete meine Augen. Im ersten Moment fühlte ich mich ausgeschlafen und sogar recht sicher, doch keinen Herzschlag später kamen die Erinnerungen zurück. Ich holte tief Luft und richtete mich auf. Wie lange hatte ich geschlafen? Waren wir bereits wieder auf dem Weg zu meiner Heimat?

Ich blickte mich besorgt um und mich überkam ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Der Raum war überraschend groß, dafür erwartbar leer und farblos. Das Bett in dem ich lag stand mitten im Raum und ich fragte mich, wer sich dieses Innendesign wohl ausgedachte hatte. Es gab sogar ein Bad, das sich leicht versteckt in einer Ecke des Raumes befand. 

So sehr ich mich nach einer Dusche sehnte, so dringend wollte ich endlich erfahren, wie lange ich geschlafen hatte. Noch bevor ich mich jedoch entscheiden konnte, was ich als nächste tun würde, öffnete sich zischend die Tür. Ich spürte seine Präsenz bevor ich ihn sehen konnte, fühlte mich aber definitiv nicht vorbereitet mich ihm schon wieder entgegen stellen zu müssen. 

Kylo Rens schwarze Gestalt verdunkelte förmlich das sowieso schon spärliche Licht im Raum. Er wartete nicht, bis ich ihn hereinbat. Hinter ihm schloss sich die Tür. 

"Schlechtes Timing", sagte ich mit leiser Stimme, um die unangenehme Stille aufzuheben. 

"Deine Aura ist laut. Viel zu laut." Ein kalter Schauer durchfuhr meinen Körper. Jedoch nicht nur wegen der noch immer ungewohnten roboterhaften Stimme. Er beobachtete mich. Durch die Macht. Zu denken, dass er sogar mein Erwachen spüren konnte, egal wo er sich auch gerade auf diesem riesigen Schiff befand, war mir mehr als unangenehm. 

In einem Versuch mich von ihm abzuschirmen, zog ich die dünne weiße Decke näher an meinen Körper. "Vielleicht hörst du auch einfach nur zu genau hin." Meine Stimme war ein leises Zischen. Jedoch war mir klar, dass ich ihn weder einschüchtern könnte, noch ihm ein schlechtes Gewissen bescheren. Er war offensichtlich ein starker Teil der dunklen Seite der Macht. Dort gab es kein Gewissen, keine Gerechtigkeit, keine Moral. 

Kylo ballte seine Hände zu Fäusten, entspannte sie jedoch gleich wieder. Es machte mich beinahe wahnsinnig sein Gesicht nicht sehen zu können. Nicht nur, dass er es schaffte seine Emotionen absolut von der Macht abzuschirmen und so unspürbar für mich zu machen, ich konnte ihm noch nicht einmal in sein Gesicht sehen. Auch wenn ich mir jeden Satz und jede Handlung in seiner Gegenwart genau überlegte, fühlte ich mich jedes Mal aufs Neue ins kalte Wasser geworfen. 

Ich wartete auf eine Antwort, doch Kylo schien kein guter Gesprächspartner zu sein. "Wann komme ich zuhause an?", fragte ich anstatt länger in dieser unangenehmen Stille zu verweilen. Er regte sich nicht. "Wie lange habe ich geschlafen?" In mir stieg langsam Panik auf. Ich klappte die Decke mit einer schnellen Bewegung weg und schwang meine Beine aus dem Bett. Mir fiel auf, dass ich meine Stiefel nicht mehr trug. Die Vorstellung, dass mir irgendein Wildfremder sie abgenommen hatte, fühlte sich schon beinahe übergriffig an. 

"Im Bad befindet sich frische Kleidung für dich. Du hast noch genug Zeit bis zur Besprechung."

"Was für eine Besprechung? Die Besprechung wie ich zurück nach Hause komme?", unterbrach ich Kylo genervt. "Ich brauche keine frische Kleidung." Ich sprach langsam, mit Nachdruck in jedem Wort. Was auch immer er für ein Spiel mit mir spielte, ich machte auf keinen Fall freiwillig mit. Unsere Vereinbarung war einfach, eine Mission im Tausch gegen meine Rückkehr. Mein Teil war bereits längst erfüllt und jede Sekunde, die ich länger in der Gegenwart von Kylo Ren verbringen musste, ließ meine Wut steigen. 

"Fühlt sich das nicht besser an? Mächtiger?" Seine Worte machten im ersten Moment absolut keinen Sinn, es wirkte beinahe als ob er eine vollkommen andere Konversation führte. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf, dabei bemerkte ich viel zu spät wie Kylo auf mich zu kam und vor mir in die Hock ging. Ich schluckte schwer und bemühte mich um eine selbstbewusste Haltung. "Nutze deine Wut, bündele sie." Seine Stimme war kaum mehr hörbar. Ich konnte kaum fassen, was er gerade von mir verlangte, wie offensichtlich er versuchte, mich der dunklen Macht näher zu bringen. 

Im Gegensatz zu all meinen Bemühungen, mich seiner Aura und seinen Forderungen nicht hinzugeben, bemerkte ich wie vermehrt Energie durch meinen Körper floss. Ich konnte meine Gedanken nicht davon losreißen, wieviel Unrecht mir hiermit getan wurde. Niemand hatte das Recht mich meiner Heimat, meiner Familie, zu entziehen und für seine Zwecke zu verwenden. Ich war kein Werkzeug. Und schon gar keine Sklavin. 

Ich atmete tief und konzentrierte mich. Meine Augen waren geschlossen, mein Körper angespannt, umgeben von Dunkelheit. "Bring mich nach Hause", zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, beinahe zu leise um es zu verstehen. 

"Bring mich", ich öffnete meine Augen, "nach Hause!" Mit einem Schrei zog ich beide Arme dicht an meinen Körper, um sie dann mit voller Kraft gegen Kylo zu richten. Ich fühlte mich gefangen in einem Sturm, dessen gesamte Energie sich in mir entlud. Ich hörte ein Knacken, bemerkte wie die Situation aus meiner Kontrolle glitt und ich meiner eigenen Kraft nicht mehr standhalten konnte. Und plötzlich war alles davon so schnell wieder verschwunden, wie es kam. 

Schwer atmend rutschte ich von der Bettkante auf den Boden, um meinen schwachen Körper gegen das Bett lehnen zu können. Kylo saß an der Wand gegenüber von mir. Er streckte seine Hand nach etwas aus, das neben ihm auf dem Boden lag. Erst jetzt bemerkte ich schwarzes, welliges Haar und helle Haut, die zwischen den einzelnen Strähnen hindurchblitzte. Und dann trafen mich ein paar dunkler, brauner Augen. Ich erstarrte. 

Kylo blickte mich für einen Moment an und ich konnte nicht anders als seinen Blick still zu erwidern. Dann wandte er sich von mir ab und griff seinen Helm. Zwei kleine schwarze Teile lagen daneben auf dem Boden, sie waren wohl die gebrochenen Halterungen. 

"Es war nicht meine Absicht..", begann ich mit erstickter Stimme, doch Kylo hob seine Hand um mich zu unterbrechen. Er beachtete die kaputten Stellen an seinem Helm nicht und setzte ihn trotz dessen wieder auf. Noch immer saß ich regungslos vor dem Bett, unklar ob mein Schockzustand von meinem Machtausbruch herrührte oder doch von der unerwarteten Enthüllung von Kylo Rens wahrem Gesicht. 

Ohne ein Wort erhob er sich und begab sich zur Tür. Dort verharrte er kurz und drehte sich mir zu. "Es gibt noch eine Aufgabe für dich. Alles weitere erfährst du bei der Besprechung." Ich konnte nicht sagen was es war, doch seine Stimme klang verändert, nicht mehr ganz so roboterartig. 

Ich antwortete nicht. Dann ließ er mich alleine zurück.

Lost Soul [Kylo X OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt