Kapitel 32

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Es wirkte so, als würde Flo kurz Zeit brauchen, um zu begreifen, dass sein Bruder nicht mehr vor ihm stand. Nach kurzer Zeit drehte er sich zu mir um, starrte aber den Boden an, was ich diesmal total nachvollziehen konnte.

"Tut mir leid", murmelte er in meine Richtung, als er sich ein paar Schritte von mir entfernt hatte, "Ich hätte es dir früher sagen sollen, aber ich bin es nicht gewohnt, mit anderen Leuten zu sprechen." Ich fand es nett, dass er sich entschuldigte, doch er konnte ja nichts dafür, das er mit Tobi verwandt war. Die Familie konnte man sich nunmal nicht aussuchen, deswegen war ich ihm im Bezug darauf auch überhaupt nicht böse. Klar, er hätte es mir natürlich sagen können, aber für einen Bruder wie Tobi schämte man sich nun mal.

Ich ließ mich wieder auf einen Baumstumpf nieder, der hier gerade überraschenderweiße zu finden war, und blickte Florian abwartend an. Mein Inneres hoffte, dass er sich wieder neben mich setzen würde, und wir ein normales Gespräch führen könnten. Nun hatte er meine Neugier nämlich geweckt, und ich wollte den Hintergrund hinter Tobis Aussagen herausfinden. "Es ist alles okay, Florian. Nur weil wir befreundet sind, musst du mir nicht gleich alles verraten", versuchte ich ihn zu beruhigen, worin ich allerdings nicht gerade gut war, "Das du mir das mit Tobi nicht erzählen wolltest, kann ich noch am Besten verstehen. " Ich lächelte ihn nett an, und er grinste zurück. Offensichtlich hatte ich mein Ziel erreicht, denn er ließ sich wieder leise neben mich fallen.

Um meinen Freund nicht gleich wieder zu überfordern, ließ ich ihn die Situation und die letzen paar Momente erstmal verarbeiten, bevor ich ihn darüber ausfragen wollte. Minuten um Minuten verstrichen, und in dieser Stille wurde ich immer ungeduldiger. "Was ist das für eine Gruppe, von der Tobi gesprochen hat?", lautete meine erste Frage. Ich benutzte bewusst Tobis Namen, und sagte nicht einfach "dein Bruder", denn Flo schien sich wirklich für ihn zu schämen. Florian schloss einmal kurz die Augen und atmete durch. Dann antwortete er mir.

"Die Lupus inkognito sind eine Gruppe die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Halbblüter zu töten", erklärte er mir, "Ich habe keine Ahnung, wie lange diese Gruppe schon existiert, aber es ist eine geheime Gruppe, so viel weiß ich. Eigentlich dürfen Außenstehende gar nichts davon wissen, doch Tobi hat es von sich aus ausgeplaudert, also ist es sein Problem." Gebannt hörte ich ihm zu, und ließ jedes einzelne Wort tief in mich hinein sickern. Florian erklärte weiter. "Ich weiß nicht mehr, wann mein Bruder dieser Gruppe beigetreten ist", fuhr er fort. Als er Tobi als seinen Bruder bezeichnete, konnte ich bereits an seiner Mimik ablesen, dass sich bei dieser Tatsache alles in ihm zusammen zog, "Aber seit er dort dabei ist, hat er sich total verändert. Er hat einen abnormalen Hass gegen alle Halbblüter entwickelt. Unsere Mutter war nun mal auch eine davon. Das hab ich dir ja schon erzählt. Kurz nachdem ich geboren wurde, ist meine Mutter mit mir zu den Hellen gekommen. Tobi war zu der Zeit etwa zehn Jahre alt. Ich vermute, dass er da schon bei den Lupus inkognito dabei war, denn nach wenigen Tagen hatte er unsere Mutter getötet. Eben weil sie ein Halbblut war. Mich ließ er am Leben, denn unsere Mutter war tot. Somit war ich auch mehr oder weniger 'vom Halbblut bereinigt'."

Vom Halbblut bereinigt? Das klang echt, als würden die Halbblüter die Welt der Wölfe verschmutzen, so wie Plastik die Umwelt. In jedem Fall war ich über Florians Erzählung geschockt. Sein Bruder hatte einfach ohne jeden Scham seine Mutter getötet. Ich würde das nie übers Herz bringen, egal wie sehr ich meine Mutter hassen würde.

Gerade schwamm ich so schön in meinen Gedanken, als Florian sich erhob, und dein Eindruck machte, er wollte gehen. "Ich sollte dich zurück zu deinem Rudel bringen", erklärte er mir schwacher Stimme. Die Erzählung von gerade hatte wohl auch seine Stahlnerven ziemlich angesägt, "Dort bist du sicherer, als hier draußen. Tobi könnte hinter jeder Ecke lauern."

Mit einem eisernen Blick suchte er die Gegend ab, als wollte er überprüfen, ob wir wirklich alleine waren, und scheinbar waren wir das. Ich nickte ihm nur entgegen, denn er hatte Recht. Wir sollten hier weg. Seit mir meine Mutter meine wahre Geschichte erzählt hatte, hatte ich die ganze Zeit Panik, von den Wölfen getötet zu werden, und nun kam Tobi daher, und wollte das wirklich tun.

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