Amy senkte den Kopf. "Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung", meinte sie nur. An ihrer Stimme konnte ich hören, dass sie es ernst meinte. "Nein, mir tut es leid. Es ist meine Schuld, dass sie und Adam getötet wurden", erwiderte ich, und versuchte mich etwas zu beruhigen, damit man verstehen konnte was ich sagte. "Dich trifft keine Schuld", entgegnete David, der schon fast aufgehört hatte zu weinen. Nun kam wohl nur noch der Schock.
"Red keinen Blödsinn!", fuhr ich ihn an, "Mich trifft die größte Schuld von euch allen! Es ist meine Schuld, dass Tobi hinter mir her ist! Es ist meine Schuld, dass er alle tötet, die mir nahe stehen, damit er besser an mich rankommt! Das alles ist verdammt noch mal meine Schuld!" "Du vergisst, was mein Vater gesagt hat", versuchte David mich zu bremsen, und sprach dabei so ruhig, wie sein Vater es einst getan hatte, "Niemand kann etwas für sein Blut, du genauso wenig. Also gib dir bitte nicht die Schuld." Ich nickte nur.
Längere Zeit blieben wir hier sitzen. Das Zeitgefühl hatte ich schon lange verloren. Endlich brach David die Stille. "Du bist jetzt ein Alpha, also musst du noch etwas lernen", erklärte er mir. "Ich lass euch mal alleine, das geht mich ja nichts an", warf Amy kurz dazwischen, bevor sie irgendwo im Revier verschwand. "Ich muss was lernen?", holte ich den Gesprächsfaden zurück. David nickte, und lächelte sogar ein bisschen. "Du hast sicher gemerkt, dass du meine Gedanken nicht hören kannst, wenn ich das nicht will?", erkundigte er sich. Diesmal nickte ich.
"Und genau das musst du lernen. Wir Alphas können unsere Gedanken verschließen, damit andere sie nicht hören können, solange wir das nicht wollen", erklärte er mir dann, "Aber keine Sorge, du musst dich jetzt nicht stressen, um das zu lernen. Verarbeite den Schock erstmal so gut es geht, dann haben wir immer noch Zeit dafür." Wieder nickte ich, und ließ meinen Kopf dann gegen seine Schulter fallen. Es war sehr bequem, das zu tun.
So verging wieder einige Zeit, langsam wurde es sogar schon dunkel. Da schreckte David plötzlich hoch. Zuerst dachte ich, er hätte einen Eindringling gesichtet, deswegen ging auch ich sofort in Alarmbereitschaft. Er merkte, wie ich reagierte, und lachte warm. "Keine Gefahr", entwarnte er mich, "Wir sollten nur langsam eine Rede vor dem Rudel halten, denn offiziell sind wir noch keine Alphas. Und man sollte ein Rudel nicht zu lange ohne Alpha lassen, sonst endet das im Chaos." Alleine bei der Tatsache, dass er wir sagte, zogen sich gefühlt alle meine Gedärme zusammen. "Du musst erstmal gar nichts sagen, wenn du nicht willst", beruhigte er mich dann. Das war in der Tat beruhigend, und ich nickte. Gemeinsam standen wir auf, und gingen zum Sammelplatz.
Beide hatten wir uns wieder in unsere Wolfsform verwandelt, und heulten unterwegs einige Male, damit die anderen Wölfe auf uns aufmerksam wurden. Als wir am Sammelplatz angekommen waren, und auf den großen Felsen kletterten, wurde meine Nervosität fast unerträglich. Ich war erst einmal hier oben gewesen, als ich beim Rudel aufgenommen wurde. Nun stand ich hier als Alpha. Die vielen Augenpaare der Wölfe unter uns machten es nicht gerade besser. "Ganz ruhig", sprach Davids Stimme in meinem Kopf, "Ich kann erstmal übernehmen." Ich nickte kaum sichtbar, und David trat nach vorne.
"Meine lieben Freunde!", eröffnete er mit kräftiger Stimme, doch seine Nervosität merkte ich ihm trotzdem an, "Ich weiß, dass wir erst vor wenigen Stunden zwei Wölfe aus unserem Rudel verloren haben, was ich zutiefst bedauere. Dennoch brauchen wir einen neuen Alpha, denn auch Adam ist nicht mehr unter uns!" Manche Wölfe begannen sichtbar nervös zu werden.
"Hört mir bitte zu!", holte David sich die Aufmerksamkeit zurück, und ich merkte, wie er langsam weniger nervös wurde, "Als Sohn und somit direkter Nachfolger sehe ich mich dazu verpflichtet, Adams Platz einzunehmen! Jedoch werde ich nicht alleine sein, denn ich habe ein wundervolles Mädchen an meiner Seite! Ihr kennt sie alle, doch ich möchte sie euch vorstellen! Das ist Anna, Tochter von Jan und Claire! Seit Generationen hat ihre Familie unser Rudel geführt, daher ist es in meinen Augen nur fair, dass Anna diese Rolle einnimmt! Ich bin mir definitiv darüber im Klaren, dass sie ein Halbblut ist, aber deswegen ist sie keinesfall unfähig, und zu führen! Überlegt weise, meine Wölfe!" Damit unterbrach David seine Rede fürs Erste. Wäre ich in meiner Menschenform da oben gestanden, wäre ich ganz sicher rot geworden. Allerdings war ich dankbar, dass David das reden übernahm.
Gebannt starrte ich nach unten zu den anderen Wölfen, die wohl gerade über Telepathie diskutierten. Dann drehten sich alle Augen wieder nach oben zu David und mir und dann... Die Wölfe verbeugten sich. Sie alle, vor uns beiden. Ein paar wirkten skeptisch, aber alle überzeugt. Ich war etwas verwirrt, was das sollte, als schon die Stimme meines Freundes in meinem Kopf sprach. "Sie akzeptieren uns als Alphas. Uns, Anna", erklärte er mir.
Ich wurde unglaublich fröhlich. Diese Fröhlichkeit überwucherte eindeutig meine Nervosität. Da ergriff David plötzlich nochmal das Wort. "Vielen Dank, meine Freunde!" rief er in die Runde, "So wie es mein Vater vor seinem Tod getan hatte, möchte ich euch warnen! Die Gefahr ist noch nicht vorbei, wir können jederzeit mit einem erneuten Angriff rechnen! Doch bitte, verfallt jetzt nicht in Panik! Wir werden euch nach bestem Wissen und Gewissen führen!"
David drehte sich zu mir um, und deutete mit seinem Kopf nach vorne. Ich verstand, und trat nun direkt neben ihn. "Wir werden euch nach bestem Wissen und Gewissen führen!", wiederhohlte ich, wenn auch mit leicht zittriger Stimme.
Unter uns brach ein Meer von Wolfsgeheul los.
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Zurück zu mir
FantasyAnna ist eine normale 16-jährige. Wie jede andere in ihrem Alter lebt sie eben ihr Leben. War ihr Leben jemals spektakulär? Nein. Zumindest nicht bis zu der einen entscheidenden Nacht, die alles veränderte. Ein wunderschöner Vollmond stand am Himmel...