7. Warum, Granger?

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"Hermine, Merlin! Was ist passiert?", riss mich die Stimme meiner besten Freundin aus meinen Gedanken. Ginnys Augen funkelten zornig, doch ich konnte blanke Angst darin erkennen. Oh je! Die Wahrheit würde sie wohl nicht verkraften. Fieberhaft versuchte ich mir eine logische Geschichte zusammenzureimen. Währenddessen hetzte Ginny zu meinem Krankenbett und starrte auf meinen verletzten Arm. "Was. Ist. Das?", keifte sie und schüttelte mich an den Schultern,"Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist! Hermine, ich mach mir Sorgen um dich! Du bist beim Abendessen einfach umgekippt! Isst du zu wenig?", ratterte sie herunter. Ihr Gesicht war aschfahl.

Wie in Trance schüttelte ich den Kopf und murmelte etwas von 'Wollte den Hauselfen helfen und hab mich ungünstig in den Arm geschnitten?', wobei dies eher nach einer Frage klang. Zweifelnd blickte mich Ginny an und atmete einmal tief durch. "Sehr witzig. Aber die Wahrheit wirst du mir wohl nicht erzählen. Keine Angst, irgendwann werde ich es sowieso noch erfahren. Ruh' dich aus, so eine Schnittwunde braucht ihre Zeit", antwortete sie, lächelte kurz und tippte sich dabei an ihre Nasenspitze. Mit einem letzten Blick auf Malfoy drehte sie sich auf dem Absatz um und huschte mit wehenden Haaren wieder aus dem Krankensaal.

Erleichtert ließ ich mich zurück in mein Kissen sinken. Mit einem kleinen Seitenblick sah ich, dass Malfoy mich misstrauisch musterte. "Was?", fauchte ich und drehte mich demonstrativ auf die andere Seite. Irgendwie kindisch, aber ich konnte seinen forschenden Blick jetzt wirklich nicht ertragen. Da kam auch schon Miss Pomfrey hereingeeilt, tat etwas Salbe auf meine Wunde und wechselte den Verband. Die Schnittwunden waren tief und ich wusste, dass sie keineswegs wie ein Unfall mit einem Messer aussahen - abgesehen davon, dass es mehrere Schnitte waren. Als unsere Schulkrankenschwester auch Malfoys Wunden versorgt hatte, verließ diese wieder den Raum - nicht ohne uns Bettruhe aufzuzwingen. 

"Mhmh, ein Küchenunfall...", hörte ich Malfoy neben mir murmeln. "Was soll das denn bitte heißen?", zischte ich ihm wütend zu. Was ging ihn das denn bitte an? "Glaub mir, mit dieser Art von Wunde kenne ich mich aus. Die bekommt man nicht von einem Messer!" Und er deutete auf seine Arme. Ich biss mir auf die Lippe. "Vergiss es! Ich bin nicht so wie du und deine kranken Probleme!", rief ich empört und bereute es sofort wieder, als ich seinen verletzten und traurigen Blick sah. Schuldbewusst drehte ich mich schnell weg und kniff meine Lipen zusammen. Schließlich überkam mich langsam eine bleiernde Müdigkeit von der Streiterei und ich gähnte. Meine Lider wurden immer schwerer... Kurzerhand fiel ich in einen traumlosen und unruhigen Schlaf.

Als ich von einer Stimme geweckt wurde, war es bereits stockdunkel und von draußen schien der Mond silbrig durch das Fenster. "Verdammt!", hörte ich ein herzzerreißendes Wimmern neben mir, "Verdammt! Bin ich denn so nutzlos, dass ich nicht einmal mein eigenes Leben beenden kann?" Was? Geschockt riss ich meine Augen auf. Dann hatte ich mich also nicht verhört? Hätte ich nicht so eine tiefe Abneigung ihm gegenüber empfunden, wäre ich fast aufgesprungen und hätte ihn getröstet. Soweit kommt's noch! Mit mir selbst ringend kniff ich meine Lippen zusammen und lauschte unfreiwillig weiter seinem Wehklagen. Gequält krallte ich mich in meine Decke und versuchte wegzuhören. Ich wollte das nicht hören! Zögerlich warf ich einen Blick zu dem Slytherin. Gerade krümmte er sich zusammen und Tränen liefen über seine blassen Wangem. Seine Zähne waren zusammengebissen, doch ich sah, dass er schlief. Er redete im Schlaf. Immer leiser wurde er, bis Malfoy nach kurzer Zeit nur noch murmelte. Keine Minute später konnte ich seine gleichmäßigen Atemzüge hören.

Als ich am nächsten Morgen wieder erwachte, war Malfoy bereits wach und starrte regungslos an die Decke. Kurz blieb mir mein Herz stehen, bis ich ihn leise atmen hörte. Langsam richtete ich mich auf und lugte unter meinen Verband. Die Wunden waren dank der Salbe vollständig verheilt. Zurück blieben drei kleine Narben. Beschämt zog ich meinen Ärmel darüber und seufzte leise. Dann nahm ich ein Buch von einem kleinen Beistelltisch, das mir Ginny am Abend wohl noch vorbeigebracht haben musste. Nach ein paar ruhigen Stunden an diesem Samstagmorgen kam auch schon Miss Pomfrey herein und meinte, dass ich gegen Mittag gehen durfte. Ich nickte gehorsam und packte meine wenigen Sachen zusammen, als ich eine leise, raue Stimme hörte: "Warum?", raunte sie angestrengt,"Warum, Granger? Was hast du gegen dein ach so tolles Leben? Ist es dir nicht perfekt genug? Was willst du noch? Du hast Recht!...Du hast nicht dieselben kranken Probleme wie ich!", Malfoy redete sich immer mehr in Rage und lachte irre auf. "Es tut mir Leid! Das wollte ich gestern nicht sagen", flüsterte ich und wollte zu einer jämmerlichen Erklärung ansetzten, doch mein Stolz ließ es nicht zu. Ein Löwe sollte sich vor einer Schlange nicht demütigen.

Stattdessen raffte ich schweigend meine Sachen zusammen und verließ schnell den Krankenflügel. Schuldgefühle umgaben mich. Ich wünschte, ich hätte nichts gesagt; wünschte, ich hätte nichts gehört.

Bloody mistletoe - DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt