4 ┃Ziele

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Halt' mich fest

"Genau Freiheit ist es, immer die Wahl zu haben, zwischen allem, was auf einen hereinprasselt. Nehme ich diese Dinge an oder nicht? Freiheit kommt von innen, somit bist du in deinem Denken immer frei - selbst wenn dir von außen was anderes vermittelt wird, denn wie gesagt, du musst die Vorstellung anderer ja nicht annehmen.", führte Edda meinen Gedanken zu Ende.

"Das heißt - demnach - grenze ich mich auch selber ein oder ab?"

Edda nickte, "Ja, so kann man das auch sehen. Die einzige Person, die uns im Weg steht - sind in der Regel wir selbst, weil wir denken - das wir dies oder jenes sowieso nicht können, dabei sind das oft verinnerlichte Glaubenssätze, die wir von anderen aufgenommen haben, die uns klein halten. Und am Ende versuchen wir es gar nicht, weil wir sie so verinnerlicht haben, dass wir gar nicht groß drüber nachdenken. Anstatt zu sagen - ich habe das noch nie ausprobiert, also kann ich das - sagen wir, ich habe das noch nie gemacht, ich kann das nicht.. erkennst du den Unterschied?"

Ich runzelte die Stirn, aber nickte trotzdem - gerade wenn ich das Gefühl hatte, Edda zu verstehen, fing sie an von Dingen zu sprechen, mit denen ich nichts oder nur sehr wenig anfangen konnte, aber ich wollte sie verstehen - ja, das wollte ich wirklich.

"Eh - kannst du das näher erklären?", verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf, ich hasste es zuzugeben, dass ich von etwas keine Ahnung hatte. Schwäche zeigen lag mir nicht.

"Natürlich - hm", Edda überlegte für einige Sekunden; "Wenn du denkst, du kannst eine bestimmte Sache nicht, dann sagt dir das deine innere Stimme immer wieder und wieder - solange bist du es glaubst. Aber hast du mal darüber nachgedacht, dass sie so nicht auf die Welt gekommen ist? Sie hat gelernt sowas zu sagen. Wenn das angeboren wäre - also das Kleinhalten, dann würden wir wahrscheinlich noch in Höhlen leben. Das ist wie mit den Hummeln, die sollten aufgrund ihres Körperbaus eigentlich gar nicht fliegen können, doch sie tun es trotzdem, denn sie und ihre innere Stimme, wissen nichts von irgendwelchen physikalischen Gesetzen."

Diese Frau war wahrlich ein Segen. Ich war ganz fasziniert von ihrer Tiefe und mit welcher Leichtigkeit sie sich über sowas Gedanken machte - als wäre es ganz selbstverständlich.

"Oder wenn wir denken, dass wir mit einer Sache nie Erfolg haben könnten und es dann gar nicht erst versuchen. Dabei ist für jeden 'Erfolg' etwas anderes - jeder hat seine eigene Definition; für manche genügt es, große Dinge gewollt zu haben - wieso also, halten wir uns dann zurück?", fuhr Edda unbeirrt ihren Gedankengang fort. 

"Aus Angst - nicht nur sich selbst sondern auch andere zu enttäuschen, unsere Familie zum Beispiel.", sagte ich, auch wenn die Frage rhetorischer Natur war. 

Edda zog eine Augenbraue nach oben, wollte mir widersprechen - doch ich war schneller; "Jaja, ich weiß, was du sagen willst, dass wir unsere Familien nicht enttäuschen können, da sie uns so oder so lieben - doch wir alle wachsen mit dem Verlangen auf, unsere Eltern stolz zu machen - das fängt doch schon im Kindergarten an; wenn wir unsere erste krakelige Zeichnung mit nach Hause bringen und wir gelobt werden wollen - als hätten wir die Mona Lisa persönlich erschaffen. Später werden Zeichnungen, in der Schule, mit Noten ersetzt und diese wiederum mit unserem beruflichen Schaffen. Ich denke, dieser Hintergedanke verschwindet nie völlig - egal wie oft uns gesagt wird, dass unsere Eltern stolz sind. Vielleicht..."

"Vielleicht?", fragte Edda ruhig.

"Na vielleicht ist das aber auch nur so ne Pseudo-Motivation." überlegte ich laut.

Jetzt war Edda diejenige, die verwirrt ihr Gesicht verzog. 

"Na, vielleicht nutzen wir das auch nur als Rechtfertigung, um Dinge zu tun, die wir gar nicht tun wollen und sagen uns selbst  - ich muss meine Eltern stolz machen und zum Beispiel den Job durchziehen, der mir keinen Spaß macht. Aber in Wahrheit haben wir einfach Angst davor - unserem Herzen zu folgen - unseren Job zu kündigen und dem nach zu gehen, was wir wirklich wollen, weil es so weit entfernt von dem ist, was wir eigentlich gewohnt sind - irgendwo außerhalb unsere Komfortzone, die ja niemand freiwillig verlässt. Vielleicht nutzen wir die Aussage - "Wir müssen unsere Eltern stolz machen" - also nur als Ausrede und verstecken uns hinter ihr, weil es dort sicher ist.", ich beendete meinen Gedankenfluss mit einem; "Aber eigentlich habe ich auch keine Ahnung."

Amor Est Vitae EssentiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt