Beschreiben kann ich's nicht, aber ich fühl', was Freiheit ist...
"Beeile dich, wir kommen sonst noch zu spät!", hörte ich Camille vom Flur aus rufen. Leicht schmunzelnd warf ich einen letzten Blick in den Spiegel , wegen mir waren wir nicht die ganze Nacht wach gewesen.
"Bin gleich da!", rief ich zurück und warf ein paar letzte Sachen in meinen Rucksack.
Wenige Minuten später stand ich mit meinem riesen Rucksack neben Camille: "Wir können los.", sagte ich und griff nach der Türklinke.
"Warte!", verwirrt drehte ich mich zu meiner Freundin um, welche mich just in dem Moment gegen die Tür presste und unsere Lippen miteinander verband. Der Kuss war kurz, hauchzart und symbolisierte eine Vertrautheit - als würden wir uns schon Jahre kennen und es jeden Morgen genauso machen.
"So, jetzt können wir.", mit einem Räuspern strich sie sich eine rote Strähne hinter ihr Ohr. Mir entging die Röte auf ihren Wangen nicht, doch ich entschloss mich dies unkommentiert zu lassen.
Daraufhin sprinteten wir beide zum Taxi, dass schon seit gut fünf Minuten auf uns wartete. Mit lautem Knallen schlugen wir die Autotüren zu und mit dieser einfachen Handlung besiegelten wir den Start eines neuen Lebensabschnittes.
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Nach dem Tag am See hatte sich einiges verändert - Cami und ich hatten beschlossen, dem zwischen uns noch eine Chance zu geben und von vorne anzufangen. Es folgten einige Dates, doch schon nach kurzer Zeit war klar, dass man uns beide so schnell nicht wieder auseinander bekommen würde.
Den Job an der Uni hatte ich letztlich doch abgelehnt, nicht wegen der Studenten, oder weil es mir keinen Spaß machte zu unterrichten - ganz im Gegenteil, ich liebte es. Aber Camille und ich hatten nach ein - zwei Gläsern Wein einen Entschluss gefasste, einen, der selbst als wir Nüchtern waren nicht wegging und uns die folgenden Wochen überall hin begleitete. Da er uns so penetrant im Nacken saß, hatten wir kurzer Hand alles verkauft und beschlossen - die Welt zu bereisen. Einen Plan oder ein Ziel hatten wir nicht, jedoch wollten wir so viel wie möglich sehen.
Meine Familie war sehr überrascht als ich ihnen die Neuigkeiten verkündete und ich glaube auch besorgt - aber sie wussten, dass ich durchzog, was ich mir vornahm. Sie bestanden auf regelmäßige Anrufe und Postkarten.
Auch Camilles Tanten waren überrascht, jedoch freuten sie sich riesig und versicherten uns, uns finanziell zu unterstützen, falls wir irgendwo festsitzen würden.
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"Woran denkst du?", fragte der Rotschopf neben mir.
Ich drehte mich zu ihr und gab ihr einen kurzen Kuss. "An die letzten Wochen und wie schnell das alles ging.".
Mit einem wissenden Grinsen nickte sie und nahm meine Hand in ihre und verschränkte unsere Finger miteinander.
"Das wird großartig!", freute sie sich und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
"Edda würde es auch gefallen.", bei dem Satz wurde ich hellhörig. Camille fiel es verständlicher Weise immer noch schwer darüber zu sprechen und mied das Thema meistens.
Ich küsste ihren Scheitel: "Sicherlich, sie hätte uns bestimmt nicht alleine fahren lassen und wäre kurzerhand selbst mitgekommen.".
Camille fing an zu lachen - wie ich es liebte und ich stimmte mit ein.
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Das Taxi brachte uns zunächst nur zum Bahnhof, von da aus würden wir mit dem Zug zum Flughafen fahren, da dieser außerhalb der Stadt lag. Unser erste Flug ging nach Griechenland. Camille hatte mir vor ein paar Wochen verraten, dass sie - seit sie den ABBA-Film "Mamma Mia!" geschaut hatte, auf diese Insel wollte. Danke Google wussten wir, dass es sie tatsächlich gab - also beschlossen wir, unser Abenteuer genau dort zu starten.
Am Gleis fiel uns auf, dass wir noch ein wenig Zeit hatten. Also setzten wir uns auf eine freie Bank und beobachteten die Menschen um uns herum. Camille bemerkte irgendwann den Spruch auf der Wand, welcher mir vor einigen Monaten - als ich ganz nervös auf meinen Zug gewartet hatte, auch aufgefallen war. Sie musste schmunzeln.
"Was?", fragte ich, denn ich hatte den Spruch schon wieder vergessen.
Sie hob einen Finger und zeigte auf die schwarzen Buchstaben. "Schau mal!", ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Ich bin wie du. Las ich erneut.
"Ich bin wie du.", sagte nun auch Camille laut. "Wie poetisch!", schwärmte sie.
Währenddessen runzelte ich die Stirn. Noch immer ergaben die Wörter kaum Sinn für mich. Camille bemerkt meinen skeptischen Blick. "Sag bloß es gefällt dir nicht!"
Ich wurde rot, anscheinend war die Message der Sätze so eindeutig und nur ich kapierte sie nicht. "Ich - eh, ich verstehe es nicht wirklich.", verlegen kratze ich mich am Hinterkopf und schaute überall hin - nur nicht zu der wunderschönen Frau vor mir.
Camille griff lachend nach meinem Kinn, vorsichtig umschloss sie es mit Daumen und Zeigefinger und zwang mich so, in ihre Augen zu schauen. "Es ist zu offensichtlich.", kommentierte sie meine Unwissenheit. Doch wieder verstand ich nur Bahnhof.
"Weißt du, nicht alles ist komplizierter - als es vielleicht auf den ersten Blick scheint.". Mit diesen Worten ließ sie mein Kinn los und ich schaute auf die staubige Wand vor mir. Plötzlich wurde mir bewusst worauf der Text hinauswollte - alles ergab Sinn als würde sich ein Puzzle vor meinen Augen zusammenfügen.
Es gab nichts zu überdenken oder zu durchschauen, der Text war genau so gemeint, wie er da stand. Es ging nicht um irgendwen spezielles - sondern um die Menschen, welche mit einem am Gleis standen. Es ging darum, die Leute neben einen zu beachten - sie zu sehen und nicht zu ignorieren. Wir waren alle gleich - wir alle waren wartende Menschen. Einige kamen an - andere verabschiedeten sich, jedoch verband uns der Bahnhof. Wir alle hatten Geschichten. Genau das hatte Edda damals getan, mich behandelt wie einen Menschen. Ich war diejenige gewesen, die mit dem Laptop eine Barriere geschaffen und sich dahinter versteckt hatte. Der Text will darauf aufmerksam machen, dass wir oft vergessen über unseren eigenen Teller hinaus zu schauen und so gefangen in unserem Gedankenstrudel sind, dass alles um uns herum verschwimmt. Doch das Leben ist zu kurz, um die ganze Zeit vom selben Teller zu essen.
Ich begann zu lächeln und gab Camille eine Kuss. "Du bist die Beste!". Sie zuckte nur mit den Schultern und antwortete. "Ich weiß!".
Nach weiteren fünf Minuten kam unser Zug und wir stiegen mit unseren Rucksäcken ein. Zum Glück fanden wir zwei Sitzplätze nebeneinander. Camille setzte sich ans Fenster und ich nahm neben ihr Platz. Wenig später setzte sich der Zug in Bewegung und wir verließen den Bahnhof. Jenen Ort, an dem alles vor ein paar Monaten begann und an dem nun ein weiteres Kapitel anfing.
Lächeln ließ ich mich zurück in meinen Sitz fallen und beobachtete wie die Häuser an uns vorbeizogen und wie begeistert Camille alles beobachtete.
Automatisch dachte ich an Edda, sie war auf eine Art und Weise wirklich ein Segen für mein Leben gewesen. Plötzlich fiel mir ein, dass ich nie geschaut hatte, was Camille bedeutete.
"Cami?", sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und sah mich mit großen Augen an.
"Hm? Alles okay?".
"Ja, ich eh wollte nur wissen, was dein Name bedeutet. Edda hatte mir damals im Zug erklärt, was ihrer bedeutet und sie wusste - wieso auch immer, was mein Name bedeutet. Und irgendwie habe ich gerade darüber nachgedacht.".
Sie musste schmunzeln: "Meine Mutter hat in allem eine Bedeutung gesucht." Cami drehte sich zurück zum Fenster und sagte lächelnd: "Camille bedeutet - die frei-geborene.".
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Amor Est Vitae Essentia
Romance"Ich mochte es in Camilles Nähe zu sein, ich mochte es ihr Lachen zu hören, ihre Lippen auf meiner Wange zu spüren. Ich mochte sie. Sehr sogar." Manchmal kommt alles anders; man begegnet bestimmten Menschen und auch wenn es auf den ersten Blick komp...