Die haben alle Geschichten - und die kann man nicht seh'n - also sei mal nicht so hart zu den'n.
Ein kühler Wind tanzte durch die Luft und blies mir, in regelmäßigen Abständen, einzelne Strähnen ins Gesicht. Instinktiv zog ich meine Jacke noch etwas enger um meinen Körper und wippte mit meinen Beinen leicht hoch und runter, in der Hoffnung meine Blutzirkulation anzutreiben und mich aufzuwärmen.
Camille und ich hatte uns dazu entschieden, eine Runde zu gehen, da die letzten Gespräche in ihrem Haus nie gut ausgingen, dachte ich, das sei eine gute Idee - doch jetzt, hier im kalten Wind, wollte ich nichts sehnlicher als schnell ins Warme zurück. Das Wetter spiegelte genau wieder, was in mir vorging - ich war nervös; mein Herz schlug schneller als normal und auch meine Atmung war beschleunigt.
Sie hatte zwar sofort zugesagt, aber hätte trotzdem schon vor fünf Minuten hier sein sollen. Was wenn sie nicht kommt? Unsicher blickte ich auf mein Handy - doch der Bildschirm zeigte nur die Uhrzeit an und keine entgangenen Nachrichten oder Anrufe. Ich verstaute es wider in meiner Jackentasche und hielt Ausschau nach Camille. Wir hatten uns auf einem Parkplatz verabredet, von hier aus konnte man um einen See laufen oder aber auch Richtung Feld gehen. Ich beobachtete die Natur vor mir; die untergehende Sonne spiegelte sich auf dem Wasser - es sah aus als würden hunderte Kristalle auf der Oberfläche schwimmen. Die Baumkronen wiegten sich im Wind und vereinzelt flogen Vögel durch die Luft. Das Feld, dass hinter den Bäumen zu erkennen war - strahlte vor Ruhe und ich merkte, wie sich mein Körper etwas entspannte.
Bis ich Geräusche hörte; Schritte, um genau zu sein. Ich drehte meinen Kopf nach rechts und sah Camille - wie sie auf mich zu kam. Auch sie trug einen Mantel - samt-grün, der ihr kupferrotes Haar zum strahlen brachte. Ihre Hände hatte sie tief in ihrer Jacke vergraben und in ihrem Gesicht konnte ich so viele Emotionen ablesen, wie noch nie. Als sie bemerkte wie ich sie beobachtete, wurden ihre Schritte langsamer und ein scheues Lächeln umspielte ihre Lippen. Spätestens bei dem Anblick wusste ich, dass ich nicht lange sauer auf sie sein könnte. Camille wirkte so zerbrechlich, fast wie ein kleines Kind, dass man in seinen Armen wiegen und nie wider los lassen wollte.
Schließlich kam sie neben mir zum Stehen und grüßte mich mit einem leisen; "Hi."
Ich drehte mich zu ihr und erwiderte ihre Begrüßung; "Hi.", für eine Sekunde schwiegen wir beide und ich ließ meinen Blick an ihrem Gesicht hoch und runter schweifen; ihre dunklen Augenringe fielen mir zu erst auf. "Wollen wir - ehm, um den See laufen? Die Strecke ist auch nicht so lang."
Camille nickte und so gingen wir von dem Parkplatz, über einen kleinen Weg zum See runter. Wir waren die einzigen weit und breit.
Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her, bis wir beide einander ins Wort fielen. "Also..", sagte ich und "Mir..", sagte Camille zur selben Zeit. Ein nervöses Lachen ging über meine Lippen.
"Fang du an.", schlug ich vor.
"Nein, du.", antwortete Camille.
Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung und schaute zu ihr; "Okay."
Mein Blick fixierte daraufhin einen Baum in der Ferne, ich war zu nervös, um ihr beim Sprechen in die Augen zu schauen. Auf einmal wurde mir ganz heiß. Zu groß war die Angst über meine eigenen Wörter zu stolpern und nichts sinnvolles raus zu bekommen.
"Ich - eh, wollte mich bei dir entschuldigen.", ihr verwirrter Blick brannte sich förmlich in meine rechte Seite, doch ich setzte einfach fort; "Ich hätte nicht einfach so verschwinden sollen, du hattest gar keine Gelegenheit mir alles zu erklären und du, du hast Klara verloren, mit der du verheiratet warst und gerade eben erst noch deine Mutter - du wolltest bestimmt nichts kompliziertes, sondern was einfaches." In meinem Kopf hatten die Sätze tausendmal besser und sinnvoller geklungen - ich seufzte. Camille brachte mich völlig durcheinander, ihre bloße Anwesenheit neben mir, vernebelte mir alle Sinne.
DU LIEST GERADE
Amor Est Vitae Essentia
Romance"Ich mochte es in Camilles Nähe zu sein, ich mochte es ihr Lachen zu hören, ihre Lippen auf meiner Wange zu spüren. Ich mochte sie. Sehr sogar." Manchmal kommt alles anders; man begegnet bestimmten Menschen und auch wenn es auf den ersten Blick komp...