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@sisiphus239 : Dieses Kapitel ist für dich – Weil du auch nicht mehr länger warten konntest 😉 Danke für deine Unterstützung




Ich schaue aus meinem Fenster. Die Sonne verblasst am Horizont. Nach dem grauen Tag durchbrechen doch noch kurz letzten roten Strahlen die Wolkendecke und spiegeln sich in der Fassade der umliegenden Hochhäuser.

«Oh nein! Jetzt habe ich schlicht vergessen Marion nach dem Brief zu fragen.» Frustriert stöhne ich auf und greife mir in die Haare. Heute steht alles Kopf. Der Brief, das Training, das neue Team.

Obwohl das neue Team wirklich ein Chance sein könnte. Mehr Zuschauer, grösserer Bekanntheitsgrad, mehr Einnahmen, mehr Möglichkeiten. Die Männer scheinen ganz okay zu sein, soweit ich es beurteilen kann, Männer halt.

Einzig bei ID scheint mir etwas nicht stimmig. Er war zuvorkommend und im Training hatte er mit seinen Bemerkungen eine offene Stimmung geschaffen. Doch auf mich wirkte es etwas aufgesetzt, denn die persönlichen Fragen bei der Kennenlernrund hatte er klar umschifft. 

Hat er etwas zu verbergen? Gut, wer hat das nicht, ansonsten hätte nicht jeder einen Code-Namen unter welchem er in der Arena auftritt. Dennoch habe ich das Gefühl, dass es bei ID noch andere Geheimnisse gibt.

Hmmm, Vielleicht sind die drei Männer bereits als neue Contacts in meinem Listing eingetragen. Zwar hätte ich als Low mein Kontingent von fünf freien Kontakten dann aufgebraucht. Doch könnte ich etwas mehr über sie herausfinden.

Ich wäge den Gedanken ab, ob ich wirklich schon jetzt mehr über sie wissen will, während ich das alltägliche farblich dramatische Naturschauspiel durch mein Zimmerfenster weiterverfolge.

Die Dämmerung übernimmt gleich das Zepter. Sie wird nur kurz regieren.

Weiter kreisen meine Gedanken um unser neues Team. Mir will nicht einleuchten, warum dieses Erstklass-Männerteam mit dem unseren verschmolzen wird. Es macht keinen Sinn. Es hätte siegesversprechendere Kombinationen gegeben, wenn ich an die vergangenen Finals denke.

Draussen wird es immer dunkler. Die nächtliche Finsternis wird gleich alles in ihren Mantel hüllen.

Diesem Moment könnte ich eine übergeordnete Bedeutung zumessen. Er scheint wie eine Metapher.

Ich bremse meine Gedanken. Ihre Wege werden gewagt und mich packt das Grauen vor der Schlussfolgerung, die ich ziehen müsste.

Meine Hände sind trotzdem bereits eiskalt geworden und schwitzig. Verzweifelt rufe ich mir ins Gedächtnis, dass ich erst vor fünf Minuten das letzte Equi genommen habe. Ich muss es schaffen mich mental in Griff zu kriegen ohne weitere Unterstützung.

Philosophische Gedanken führen mich immer in emotionale Untiefen.

Konzentriere dich Lillemor! Einatmen – ausatmen – einatmen ... Fakten ... Fakten ... Strategie ist deine Stärke ... konzentriere dich auf das, was du beeinflussen kannst.

Beeinflussen kann ich meinen Test morgen.

Vor mir breite ich meine Skizzen und Notizen sowie das Lehrbuch zu «Theorie der Taktik» aus. Ich blättere zum aktuellen Thema und plötzlich halte ich den Brief vom People Management zwischen den Fingern. Mein Fokus ändert sich blitzartig.

Ich lese das Schreiben nochmals genau durch. Vielleicht finde ich zwischen den Zeilen doch eine Lücke, durch die ich entwischen könnte. Es ist sehr formell, ein Aufgebot, auf welches bei Nichtfolgeleistung mit Freiheitsentzug gedroht wird.

Morgen um 15.30 Uhr habe ich einen Termin bei Nicolas West, dem Vorsitzenden des People-Management's. So zuwider mir das ist, kommt mir die Zeit doch entgegen, anschliessend kann ich ins Training, als ob nichts gewesen wäre.

Lillemors - WiegenliedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt