Kapitel 8

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Daphne hatte sie verraten. Sie alle, nicht nur Astoria. Als Astoria bei Bewusstsein war, richtig bei Bewusstsein war und Remus und er nach ihrem Ausbruch nachgefragt haben, hatte sie alles erzählt. Alles. Das Foto, das sie beim Einkaufen in der Zeitung gesehen hatte. Dass sie Daphne bei dem Haus von Zabinis gesucht hatte. Ihr gefolgt war und sie darauf angesprochen hatte. Draco konnte es immer noch nicht wirklich glauben. Ausgerechnet Daphne. Jedem hätte er es zugetraut, aber nicht ihr. Nicht sie, die so sanftmütig und hilfsbereit war. Wie oft hatte sie die kranken im Orden verpflegt? Mut zugesprochen. Hoffnung gemacht. Aufbauende Worte gefunden und dann das. Er war geschockt. Konnte es immer noch nicht richtig Begreifen. Gut, er wusste, dass sie schon immer für Blaise geschwärmt hatte. Das war kein Geheimnis gewesen, zumindest nicht in ihrem Haus in Hogwarts. Und Draco hätte es sogar noch verstanden, wenn sie einfach gegangen wäre zu Blaise. Einfach um bei ihm zu sein. Aber das sie alle verriet. Sie alle in Gefahr brachte. In Lebensgefahr und auch noch damit ihre kleine Schwester.

Draco betrachtet mit Sorge Astoria, die im Sessel im Schlafzimmer saß und den ersten Schneeflocken zusah, während er im Türrahmen lehnte. Astoria hatte der Verrat von Daphne hart getroffen. Er hatte schon Sorge gehabt, dass sie gar nicht mehr gesund wurde und ihr schien es auch immer noch nicht richtig besser zu gehen. Aber inzwischen so viel besser, dass Remus nicht mehr da war und sie sich beinahe geweigert hatte im Bett weiter zu schlafen. Aber Draco ließ in dem Punkt keine Diskussion zu. Er nächtigte seitdem auf dem Sofa. Sie brauchte noch Erholung. Sie war schwach und immer noch nicht vollständig gesund. Er wusste nicht, ob es wirklich an der Lungenentzündung lag oder eher an Daphnes Verrat. Sie hatte jetzt niemanden mehr und vielleicht war es nicht nur das, was Astoria so sehr zusetzte, sondern die Tatsache, dass ihre Schwester offenbar schon einen Plan zu Recht gelegt hatte, wie Astoria bei ihr bleiben konnte. Sie sollte offenbar Notts Frau werden, um akzeptiert zu werden und kleine zukünftige Erben zu gebären. Himmel, was für eine egoistische Idee von Daphne.

Vielleicht wäre es besser gewesen Daphne wäre wirklich gestorben. Er glaubte, dass Astoria damit besser zu Recht gekommen wäre, als sich jetzt damit abzufinden, dass ihre eigene Schwester sie alle verraten und Astoria praktisch schon verkauft hatte. Was hatte Daphne geglaubt? Das ihre kleine Schwester dabei mitgemacht hätte, nur um bei ihr zu sein? Sie hätte vermutlich Theodore eher kastriert, als sich von ihm anfassen zu lassen. Er wandte sich von dem Schlafzimmer ab, als er den Teekessel pfeifen hörte. Er goss zwei Tassen auf und fügte ihrer Tasse zwei Löffel Zucker bei. Er wusste inzwischen, wie sie ihren Tee trank. Er atmete schwer aus. Sie war still geworden seitdem Vorfall mit Daphne. Sehr still. Sie stritt mit ihm nicht mehr und momentan würde ihn das eher beruhigen, als dass sie alles einfach so hinnahm. Sie hatte nicht einmal ihn angefahren, als sie erfahren hatte, dass er ihr mehrmals die Kleidung gewechselt hatte. Früher hätte sie ihm wohl dafür die Augen ausgestochen oder zumindest ihn einmal wüst beschimpft.

Merlin, Daphne. Was Menschen dummes taten wegen der Liebe. Selbst die eigenen Familien dafür verraten. Und das obwohl Daphne doch immer so liebevoll und sanft mit Astoria umgegangen war. Sie so sehr aneinander gehangen hatten. Doch Astoria war deshalb nicht auf Daphnes Zug gesprungen. Im Gegenteil. Sie hatte sich verabschiedet von ihrer Schwester, für immer, wie sie Remus versichert hatte. Remus der inzwischen alle Ordensmitglieder gewarnt hatte. Neue Passwörter waren ausgegeben worden. Alte Verstecke durften nicht mehr aufgesucht werden. Jetzt war Draco froh, dass er damals Daphne nicht hierher mitgenommen hatte, als sie gefragt hatte, wohin er immer verschwand, wenn er nicht für den Orden etwas machte und ausspannte von seiner normalen Arbeit.

Das wäre eine schöne Bescherung gewesen, wenn Daphnes neue Freunde auch hier aufgetaucht wären. Doch offenbar hatte Daphne Draco nicht verraten, bis jetzt. Denn Lupin hatte ihm erzählt, dass Draco zwar gesucht wurde, aber nicht wegen Verrat an der neuen Regierung, wie die anderen Ordensmitglieder, sondern wegen Beihilfe zur Flucht eines Gefangenen. Das war etwas, was ihn seit Tagen beschäftigte. Warum hatte Daphne nicht Blaise oder den anderen erzählt, dass er für den Orden arbeitete? Es wäre doch leicht gewesen und vor allem hätte es ihr sicherlich viel Sympathie eingebracht. Er verstand es nicht, aber vermutlich würde das keiner von ihnen jemals verstehen.
„Hier.", sagte er ruhig und Astoria sah zu ihm auf, während er ihr die Tasse hinhielt.
Sie war immer noch so blass. Ihre Augen wirkten dunkel und glanzlos. Er vermisste das Funkeln, wenn sie energisch wurde oder begann mit ihm zu streiten.

„Zwei Löffel Zucker?", fragte sie nach und nahm die Tasse vorsichtig.
Er nickte, während er sich praktisch neben sie setzte, auf das gemachte Bett.
„Sicher. Ich weiß inzwischen wie du deinen Tee trinkst." Er nippte selbst an seiner Tasse und sie blies vorsichtig gegen ihre, bevor sie daran nippte. „Es ist leider nur Kamille. Aber ich gehe morgen ohnehin einkaufen und besorge dann wieder anderen Tee." Er wusste dass sie Schwarztee bevorzugte. „Wenn du irgendetwas brauchst, musst du es noch aufschreiben. Ich nehme es dann mit."
Sie schüttelte stumm den Kopf und sah wieder nach draußen, während sie ihre Tasse umklammerte. Er unterdrückte ein Seufzen und trank erneut aus seiner Tasse. Er sah auf, als sie zu sprechen anfing.
„Ich denke, ich werde morgen die Zeit nutzen, wenn du weg bist und die restlichen Kräuter draußen abernten, um sie zu trocknen." Er nickte stumm. Das war eine gute Idee, damit sie aus dem Haus kam und sich nicht zu sehr überanstrengte. Sie sah ihn an. „Zumindest das was noch nicht völlig erfroren ist."

Was nicht wichtig war. Wichtig war zuallererst, dass es ihr wieder besser ging.
„Wir brauchen außerdem mehr Kerzen.", warf sie ein. „In den nächsten Wochen wird es schneller dunkler werden."
„Ich werde ein paar Lampen besorgen. Lampenöl hält wesentlich länger her und schenkt mehr Licht, als ein paar Kerzen.", erwiderte er.
„Und wir müssen Jagen gehen."
Er zog seine Brauen nach oben.
„Hast du etwas an meinen Jagdkünsten auszusetzen?"
„Nein. Aber wenn ich die nächsten Tage wieder nur Fisch bekommen, drehe ich durch."
Er schnaubte und sie lächelte ein wenig, bevor sie wieder an ihrer Tasse nippte. Er schmunzelte selbst und sagte ruhig.
„Das hat mir gefehlt." Sie sah ihn fragend an.
„Was?"
„Dein ständiges Meckern."
Sie rollte mit den Augen und zog ihre Beine auf den Sessel, um sie unter die Decke zu schieben, die er ihr gekauft hatte. Es war das erste Mal, dass sie endlich wieder irgendetwas außer Gleichgültigkeit gezeigt hatte und sie hatte gelächelt.






Sie verspürte einfach nur Angst. Todesangst. Sie hatte ihre Mutter schreien gehört, immer wieder und wieder. Sie wollte zu ihr. Ihr Helfen. Irgendetwas, aber Daphne ließ sie nicht. Sie hatten sich im Zimmer hinter den Schrank in der kleinen Nische versteckt, die man durch die Schrankwand betreten konnte. Daphne hatte Astoria den Mund zugehalten und sie hatte stumm geweint. Jetzt weinte sie nicht mehr. Vielleicht weil sie nicht mehr konnte. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie durchdrehen würde. Sie ertrug das Geräusch nicht. Das laute Rattern und Brummen. Das Bersten von Glas und Holz. Sie hockte in der Ecke und hielt sich die Ohren zu und trotzdem hörte sie den Lärm, der im ganzen Haus zu hören war. Offenbar durchsuchten die Todesser das Haus und zerstörten dabei das meiste. Sie wollte das nicht mehr hören. Die lauten Knalle. Das Lachen der Menschen und Johlen. Daphne redete leise auf sie ein und strich ihr immer wieder über den Kopf und den Rücken. Aber das half nichts. Sie wollte gegen den Lärm schreien, der immer schlimmer wurde in ihren Ohren. Anschreien gegen diese Ungerechtigkeit, aber vor allem gegen den Lärm.


Sie schreckte schweißgebadet auf und das offenbar nur, weil Malfoy sie wachrüttelte. Zumindest musterte er sie besorgt, während sie schwer atmend im Bett aufrecht saß.
„Scheiße.", murmelte sie schwer und legte ihre Hand an ihre Stirn.
Sie hatte von dieser Nacht schon seit Jahren nicht mehr geträumt.
„Du hast nur schlecht geträumt.", redete er auf sie ein. „Es war nur ein Albtraum."
Sie schüttelte schwer den Kopf.
„Es war kein Albtraum."
Es war eine alte Erinnerung. Sie sah zum Fenster. Es war noch mitten in der Nacht. Die Tür zum Flur stand offen. Das bedeutete, dass Malfoy vermutlich durch sie wach geworden war und deshalb hier war. Der Wind pfiff laut um die Hütte. Daphne hatte sie damals in Sicherheit gebracht. Sie hatte dafür gesorgt, dass Astoria sich ruhig verhielt. Wie konnte sie jetzt einfach verraten?
„Das hört nie auf.", murmelte Malfoy und Astoria blickte auf.

„Die Erinnerungen.", sagte er schlicht. „Ich... mir geht es ähnlich. Wenn es mir schlecht geht, kommen sie wieder. Manchmal auch unerwartete, obwohl man glaubt, sie schon längst vergessen zu haben." Ja. Ja so war es bei ihr auch. Er setzte sich aufs Bett ihr gegenüber und musterte sie aufmerksam. „Dagegen hilft reden. Sagen zumindest die anderen."
Sie lachte lustlos auf.
„Und seit wann hörst du auf andere?"
Er schmunzelte und sie strich sich ihre Haare nach hinten und atmete dabei schwer ein und aus.
„Es war die Erinnerung, als Daphne und ich uns versteckt haben, als die Todesser in unser Haus kamen." Sein Schmunzeln verschwand. Sie schüttelte den Kopf „Wie wir dort in diesem Versteck sitzen." Sie schloss die Augen. „Dieser verdammte Lärm damals. Das macht mich krank."
Und Daphne die dafür gesorgt hat, dass sie die Klappe hielt.
„Bist du deshalb einmal im Orden so ausgeflippt, als George und Fred diese Böller losgelassen haben."
Ausgeflippt war gut. Alle dachten, Astoria bringe die beiden um.

„Ja. Ich kann so was nicht mehr ertragen seit dieser Nacht. Da fühl ich mich sofort zurückversetzt. Wieder als kleines dummes Ding, dass dort im Dunkeln hockt und hofft, dass es bald vorbei ist.", erwiderte sie. Sie unterdrückte die Tränen. „Wenn Daphne damals nicht gewesen wäre, hätten sie uns alle gefunden und getötet und jetzt..." Sie schüttelte den Kopf und blinzelte gegen die Tränen an. „Geht sie zu diesen Leuten, verrät den gesamten Orden und wozu das alles? Um den Mördern unserer Eltern zu gefallen?"
Es war für Astoria immer noch unbegreiflich.
„Sie liebt ihn.", erwiderte der Blonde schlicht. „Ich denke, dass sie einfach zu Zabini wollte, um jeden Preis."
„Wenn du verliebt wärst, würdest du den Orden verraten und zu den Todessern zurückkehren?"

Er lachte lustlos auf.
„Mit Sicherheit nicht. Selbst wenn ich denen Potter persönlich ausliefere, würden die mich umbringen für den Verrat. Wahren Todessern verzeiht man nicht einfach, dass man gegen die Regeln verstößt und wer weiß, vielleicht hat ihnen Daphne inzwischen alles gesteckt und sie wissen, dass ich für den Orden arbeite."
Ja, vermutlich. Auch wenn er deswegen noch nicht gesucht wurde. Daphne könnte Malfoy immer noch verraten.
„Aber rein theoretisch. Wenn du nur ein Ordensmitglied wärst und ... keine Ahnung, in irgendjemand verliebt wärst, der auf der anderen Seite kämpft oder deren Familie?"
„Dann würde ich versuchen, sie zu überreden mit mir zu gehen und zum Orden zu fliehen."
Ja, so würde sie es auch machen und nicht zahlreiche Leben aufs Spiel setzen und ihre eigene Schwester praktisch an den nächsten Kerl verscherbeln.

„Aber eins musst du zugeben. Du warst ihr nicht egal. Sie hatte einen Plan, wie sie dich bei ihr behalten kann." Astoria schnaubte. „Auch wenn es ein egoistischer Plan ist.", fügte er hinzu. Ein idiotischer und abartiger Plan. „Das ist dort kein Leben mehr für Frauen.", warf er nach einer Weile ein und sie sahen sich an. „Ehen, die arrangiert werden, um den Status zu halten und schnellst möglichst viele Erben produzieren. Ansonsten bis du dort nichts wert. Und wozu das alles? Um weitere zukünftige Anhänger für den Dunklen Lord zuhaben und zukünftige Töchter, die du später wieder vorteilhaft verheiraten kannst."
„Daphne sieht das wohl anders.", murmelte sie und Draco zuckte die Schultern.
„Sie ist blind. Sie sieht nur, dass sie endlich bei Blaise sein kann."
Sie sah ihn mit einem seltsamen Blick an.
„Es ist komisch, dass du das so siehst."

Er lachte etwas auf.
„Was? Das ich diese Ansichten verachte? Ich bin kein Freund von diesem Konzept um nur zu heiraten wegen des Fortbestandes des Familienstammbaues."
„Und dein Vater sah das auch so?"
„Lucius? Nein. Nein er plante, glaube ich, schon seit meiner Geburt mit wem ich eine Verbindung eingehen könnte. Und als Kind findest du das auch nicht schlimm. Er ist immerhin dein Vater und dein Vater tut sicherlich das Richtige."
Sie legte den Kopf schief.
„Wann hast du begonnen daran zu zweifeln?"
„Mir vorschreiben zu lassen, wenn ich heiraten soll?", fragte er gegen. „In meinem vierten Jahr in Hogwarts. Ich habe damals geschwärmt für eine Schülerin der Beauxbatons-Akademie, die sicher nie infrage gekommen wäre für meinen Vater." Und er damals sicher viel zu jung war. „Aber ab da an, habe ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt und ich war mir sicher, dass ich auf gar keinen Fall einmal mit jemanden zusammen sein wollte bis am Ende meiner Tage, die nur bei mir ist, wegen dem Gold und weil es unsere Eltern bestimmen."

Sie umklammerte ihre Beine und dachte darüber nach.
„Mein Vater hat das nie so gesehen."
Er grinste.
„Dein Vater war auch in der Hinsicht schon immer sehr modern. Er hat nie die verstaubten Ansichten der Reinblüter geteilt." Umso schlimmer, dass Daphne sich diesen jetzt beugte. „Wenn der Krieg vorbei ist.", fing Draco an und legte seine Hand auf ihren Arm. „Dann wird sie vielleicht wieder vernünftig und ihr könnt miteinander reden und wieder... ein normales Verhältnis haben."
Astoria schüttelte den Kopf.
„Nein. Nein, das verzeihe ich ihr niemals."

Es ist nicht immer Liebe für eine Beziehung notwendigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt