Lucy // 422

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422 Tage danach 
Lucy 

Perplex starre ich auf die Stelle an der Alexa bis vor ein paar Sekunden noch gestanden hat bis sie auf ein Motorrad gestiegen und abgehauen ist. 
Alexa würde niemals einfach so mit einem Fremden mitfahren und erst recht bei keiner ihrer Bekanntschaften. Sogar Jay sieht ausnahmsweise ein wenig besorgt darüber aus als er seinen Arm um mich legt und mich zum Auto führt. 

Noahs Verhandlung ist an sich gut gelaufen, alle haben ihn in höchsten Tönen gelobt und Alexa hat irgendwie für eine Verwunderung im Raum gesorgt die vorher noch nicht da gewesen ist. 
Jayson sagt die ganze Autofahrt lang nichts, erst als ich das Kennzeichen des Motorrads auf einen Zettel kritzle und dann Jeremys Nummer wähle. Er schüttelt nur den Kopf wirft seine Jacke achtlos auf unser Sofa und verschwindet im Schlafzimmer. 

Ich weiß er findet ich übertreibe, aber Alexa ist so unberechenbar und außer mir kümmert sich keiner um sie. 

"Polizeikommissaranwärter Henderson Junior, Polizeistation Mainfort Lake," geht Jeremy wie immer ans Telefon. 
"Hey Jerry, Lucy hier," verkünde ich. 
Ich höre wie er Sachen verrückt und dann eine andere Tonlage einschlägt. 
"Was ist passiert?" 
Jeremy macht sich tatsächlich auf eine Art und Weise auch sorgen um Alexa. Obwohl wir nie etwas mit ihm zu tun hatten hat er sich diese Bürde auferlegt. Ich denke er macht es weil er mit Bene und Timo befreundet gewesen ist und weiß wie viel Timo seine Cousine geschätzt hat. 
Tatsächlich habe ich ihn sofort informiert nachdem wir uns mit Alexa gestritten haben, damit er auf ihren Gemütszustand vorbereitet ist. 
"Ich hab sie gesehen, heute im Gericht bei Noahs Verhandlung," erkläre ich und denke an den gebrochenen Ausdruck auf Noahs Gesicht zurück. 
"Was hat sie angestellt?"
Würde ich mir nicht solche Sorgen machen weil sie mit jemandem den ich nicht kenne so vertraut umgeht, würde ich wahrscheinlich lachen. 
"Sie ist mit jemandem weggefahren den ich nicht kenne," seufze ich. 
Dann lasse ich mich auf einen der Hocker in unserer Küche nieder und fahre mir übers Gesicht. 
"Oh," ist alles was aus der Leitung kommt. 
"Kannst du sein Kennzeichen überprüfen?" 
Es bleibt eine Weile Still, aber ich weiß Jeremy wird mir helfen. 
Alexa ist nicht so aufgeschlossen, dass sie einfach so mit jemandem mitgeht. Sie ist ein Stein und hasst fremde Menschen. 
"Ich höre?" 
Ich diktiere ihm das Kennzeichen und höre ihm dann eine Zeit lang beim Tippen zu. 
"Nicholas Novus, ist dreiundzwanzig Jahre alt und wohnt in der Nähe vom Hafen," ich höre wie Jeremy weiter tippt. 
"So wie ich das sehe hat er keine Vorstrafen, nichts," gibt er zu. Wir sind wohl beide gleich verwundert über die Tatsache. 
"Ich grab weiter und wenn ich was finde melde ich mich okay?" 
Ich bedanke mich bei Jeremy und versuche dann diesen Nicholas in den sozialen Medien zu finden. Leider scheint er genauso wie wir nichts davon mit seinem richtigen Namen zu nutzen. 

Als Jayson mit einer Sporttasche geschultert wieder ins Wohnzimmer kommt bin ich verwirrt. 

"Was hast du vor?" 
Er sieht mich entgeistert an. 
"Achso jetzt bin ich wieder existent? Ich fahr zu meinen Eltern, vielleicht machst du dir dann auch mal so einen Kopf über mich wie um sie," faucht er mich an. 
Ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen. 
"Weißt du warum Alexa und ich uns inzwischen beinahe hassen? Weil du nicht dazu in der Lage bist sie endlich mit ihrem Mist auf die Schnauze fallen zu lassen," ein Lachen verlässt seine Kehle. 
"Immer nur Alexa hier, Alexa da, wie es mir geht ist die meiste Zeit sowas von egal." 
Er legt eine kurze Pause ein in der er sich selber beruhigt. 
"Manchmal vergisst du glaube ich, dass Jas auch mein Freund war, ich auch angeschossen und beinahe gestorben bin, und vor allem, dass du auch dort warst." 
Er greift nach seinen Schlüsseln. 
"Du solltest Anfangen dich zu fragen, ob Alexa all das was du in den letzten Jahren für sie getan hast auch für dich tun würde Lucy." 

Dann verschwindet er einfach aus der Wohnung und lässt mich vollkommen überrumpelt zurück. Als die Tür ins Schloss fällt laufen mir die Tränen in Sturzbächen von den Wangen. 

Mein Kopf überschlägt sich, während ich die Kabelbinder an meinen Handgelenken spüre. Ich rieche das Blut, habe die eisige Klinge von Travor an meiner Kehle. Ich spüre wie mein Herz anfängt ungleichmäßig gegen meinen Brustkorb zu schlagen während das Atmen mir immer schwerer fällt. Ich versuche zu zählen um mich zu beruhigen, drücke auf meine Brust, der Raum wird enger. Ich darf keine Panikattacke bekommen, sage ich mir selber. Ich versuche alles was ich während meinen Therapiestunden gelernt habe, bis ich wirklich keine Ahnung mehr habe wie ich das allein schaffen soll. 
Die Szenarien brennen sich wieder in meine Netzhaut und bevor ich selber begreife was ich tue habe ich den Schnaps den Alexa sonst trinkt angesetzt und einen großen Schluck genommen. 
Das Brennen in meinem Hals lenkt mich ab, entschärft die Situation und ehe ich mich versehe habe ich noch einen genommen. Meine Verständnis dafür, dass Alexa sich ständig betäubt steigt ein wenig, während ich wie ein Haufen Elend auf dem Küchenboden den Schnaps in mich kippe. Als ich aber merke wie das brennende Zeug sich seinen weg wieder zurück an die Luft durch meine Kehle arbeitet verblasst es sofort wieder. 
Ich schaffe es gerade eben noch so ins Bad bevor ich mir die Seele aus dem Leib kotze.

What happend to usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt