Feuer

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Capi lag in seinem Hotelbett in Heidelberg und starrte an die Decke. Das waren die schlimmsten Stunden der Tour: Wenn er nach dem Konzert allein in seinem Zimmer war und das Gefühl hatte, dass die Wände immer näherkamen. Er konnte gar nicht genau beschreiben, was es war. Vielleicht diese völligen Gegensätze: Erst gefeiert von ein paar Tausend Leuten und dann war plötzlich alles still und keiner da, mit dem man wenigstens reden konnte. Wahrscheinlich hatte man als Band da weniger Probleme. Da war ja immer irgendwer da. Gestern war es nicht ganz so schlimm gewesen. Er war gut damit beschäftigt gewesen, sein Video zu ‚Ach, Patrick, ach' zu drehen. Das hatte ihn gut unterhalten. Vielleicht noch ein Grund, weshalb es ihm in dieser Nacht noch mehr bedrückte. Er drehte sein Handy in den Händen hin und her und hätte am liebsten Lia angerufen. Aber dafür war es definitiv zu spät. Im Gegensatz zu ihm musste sie in fünf Stunden schon wieder aufstehen. Das war auch der Grund, weshalb sie immer vor seinen Konzerten telefonierten. Aber vielleicht gab es etwas anderes, was er endlich machen sollten. Irina eine Nachricht schreiben und sie um ein Telefonat am nächsten Tag bitten.

Er hatte die Nachricht kaum abgeschickt, als sie ihn anrief. Er runzelte die Stirn. Warum war sie um 1 Uhr wach? Normalerweise ging sie ziemlich früh ins Bett. Er nahm den Anruf an: „Du bist noch wach." „Bei Mischa scheinen die letzten Backenzähne durchzukommen. Jedenfalls wird er alle halbe Stunde wach. Du weißt ja, wie das ist", antwortete sie und klang ziemlich erschöpft. Sofort hatte er wieder ein schlechtes Gewissen. Er sollte da sein. Er sollte in der Lage sein, sich mehr um seine Kinder zu kümmern und ihr etwas von der Last abzunehmen. „Wie ist deine Tour?", fragte sie und ersparte ihm damit zu antworten. Er war froh darüber, weil er sowieso nicht gewusst hatte, was er sagen sollte. „Die Fans sind baba. Mega Support und so", antwortete er und versuchte fröhlich zu klingen. Es überraschte ihn nicht, dass sie es ihm nicht abnahm: „Und die Nächte im Hotel?" „Einsam", antwortete er ehrlich. „Das ist gut", stellte sie mit einem leichten Lachen fest. Wahrscheinlich war das tatsächlich gut. Keine Schlampen und noch mehr Koks mehr. Wirklich erfüllt hatte ihn das eh nie. Die Einsamkeit war trotzdem noch da gewesen. Trotzdem war es damals etwas weniger Zeit gewesen, in der er das Gefühl hatte, langsam durchzudrehen. Er seufzte: „Fühlt sich aber nicht gut an." „Klingt für mich trotzdem nach einem Fortschritt. Lia scheint dir tatsächlich wichtig zu sein", sagte sie und er fragte sich, wie sie es schaffte, nicht vorwurfsvoll zu klingen, sondern wirklich so, als wäre sie froh für ihn, dass es so war. „Ist sie. Ist sie wirklich", murmelte er leise.

„Deshalb wollte ich auch mit dir reden", ergänzte er. „Hast du es ihr endlich gesagt?", fragte sie. Er musste kurz grinsen, natürlich wusste sie es sofort. „Ja, an meinem Geburtstag", erwiderte er. „Puh, riskant. Wie hat sie reagiert?", wollte sie wissen. Er seufzte leise: „Freudensprünge waren es jetzt nicht gerade." „Wundert dich das?", fragte sie und er konnte geradezu sehen, wie sie die Augenbrauen hochzog. „Nein, natürlich nicht. Ehrlich gesagt hatte ich befürchtet, dass sie viel schlechter reagiert als sie es getan hat. Sie würde euch gern kennenlernen", meinte er. „Uns? Also mich auch?", kam es überrascht von Irina. „Ja, dich auch. Wenn es okay für dich ist", antwortete er und war schon irgendwie etwas nervös. Er hatte zwar zu Lia gesagt, dass Irina sich bestimmt freuen würde, aber ganz sicher war er sich nicht. Es war eben etwas anderes, über etwas theoretisch zu sprechen und wenn es dann passierte. „Ich bin gespannt auf sie. Was ich bisher gehört habe, macht auf jeden Fall einen guten Eindruck. Für mich ist es auf jeden Fall wichtig, sie persönlich kennenzulernen. Ich meine, letztlich wird sie als deine Freundin viel Zeit mit Ilja und Mischa verbringen und ich hab einfach ein besseres Gefühl dabei, wenn ich sie auch etwas kenne", erklärte sie und klang tatsächlich ziemlich erleichtert darüber, dass Lia sie auch kennenlernen wollte. Konnte er verstehen. Wenn Irina irgendwann einen neuen Freund haben würde, würde er sich den Kerl auch ganz genau anschauen.

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