Augenscheinlich weiblich

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Es war wieder einer dieser Samstagabende. Fabian und ich saßen im Point, es roch nach Zigarettenrauch und Bier. Matilda bediente die üblichen Stammkunden, die abends einfach nichts besseres Zutun hatten. Das Grundbrummen der Gespräche und die leise Musik waren etwas, was einen den Stress für einen Moment vergessen ließen. Ein Windhauch wehte um uns, anscheinend war ein neuer Gast eingetreten. Fabi hob den Kopf und sein Blick wanderte in Richtung Tür. Mein Stuhl stand mit dem Rücken zum Inneren des Raumes, sodass ich nicht sah, wer die gemütliche Kneipe betrat. Aber so wie mein Kumpel sich den Hals verrenkte war es niemand, den wir kannten. Absätze klapperten über den Boden. Ein Geräusch das hier mehr als untypisch war. Wer ins Point kam, trug keine Absätze.

Ich drehte mich zu der Geräuschquelle um, eine junge Frau trat in den Raum. Nichts an ihr passte hier her, sie hatte ein kurzes enganliegendes schwarzes Kleid und rote Schuhe an. Ihre Handtasche aus rotem Leder hatte sie wohl zusammen mit den Schuhen gekauft. Hüfte schwingend schritt sie elegant richtung Theke. Alle Augen waren auf die bleiche Schönheit gerichtet. Die eher in einen schicken Nachtclub in der Stadt gehörte, statt hier in unser Städtchen und diese Kneipe. Sie strich sich eine ihrer mahagonifarbenen Strähnen aus dem Gesicht und sprach Matilda an. Fabian stieß seinen Fuß gegen mein Schienbein.

„Sam, wenn du weiter so starrst, sabberst du noch. Trink dein Glas aus und sprich sie an. Sie ist sicher neu hier", er nahm einen Schluck aus seinem Bier.

„Genau, ich spreche sie an. und dann? Alles an ihr schreit förmlich nach Männerverschleiß", ich musterte sie nochmal. Ihre vollen dunkelroten Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Sie sagte etwas, doch durch das Geklapper der Gläser und der Hintergrundmusik konnte es ich nicht verstehen.

„Woher willst du wissen, dass sie einen Männerverschleiß hat, wenn du der Sache nicht auf den Grund gehst. Vielleicht freundet ihr euch ja an und du musst nicht immer mit dem schwulen besten Freund rum hängen" , ich nahm mein Glas.

„Wir sitzen doch beide im selben Boot. Hier in diesem konservativen Dorf werden wir keine Partner finden und das wird Miss Stadtmodel schnell merken. In drei Tagen ist sie hier wieder weg", prophezeite ich und trank aus. Ungelenk erhob ich mich. „Ich habe echt zulange gesessen" im Takt der Musik schlängelte ich mich durch die anderen Tischgruppen hindurch und erreichte den Ausschank. Ohne, um Erlaubnis zu fragen, nahm ich neben der fremden Frau platz. Sofort sprach ich mit Matilda, um nochmal einen Virgin-Mojito zu bestellen.

„Was bitte soll das für ein Drink sein?" zum ersten Mal hörte ich ihre Stimme, in der eine Spur Hohn lag. Ich wandt mich ihr zu, ihr Gesicht wirkte abschätzend.

„Ich bin Sam und dieser ' Dink ' ist die alkoholfreie Version eines Mojitos", ich drehte mich nun ganz zu ihr.

Während ich auf eine Antwort warte, trank ich einen Zug, statt sich vorzustellen meinte sie unfreundlich:„Aja und lass mich raten dein Kumpel hat dich zu mir geschickt um rauszubekommen ob er eine Chance hat?" Ich lachte und saugte an dem Glasstrohhalm, um ihr dann in gehässigem Tonfall zu erklären, wie der Hase lief. „Weißt du, hier in dem kleinen Kaff, wirst du kein Glück bei Kerlen haben und bei meinem Kumpel am wenigsten." Sie zog eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen hoch.

„Ach dein Kumpel ist also schwer zu haben?", forderte sie mich heraus.

„Das nicht, aber weißt du, du bist so gar nicht sein Typ", meine ich und schaute sie gespielt mitleidig an. Statt mir zu antworten nahm sie einen Schluck von ihrem blutroten Getränk. „

Wieso bin ich nicht sein Typ?", fragte sie und sah zu Fabian. Ich beugte mich zu ihr und flüsterte laut: „Du bist augenscheinlich weiblich", ich lachte und stand auf. Sie blickte von ihm zu mir und fing sie an zu lachen: „Ach und lass mich raten, du stehst nicht auf augenscheinlich männliche Menschen?"

Ich saugte den Rest aus meinem Glas und meinte: „Wer weiß?" Ich legte Matilda das Geld für unsere Getränke und das übliche Trinkgeld hin und gab Fabian das Zeichen, zum Gehen. Widerwillig folgte er mir in die kalte Nachtluft. „Sie ist keine, die einen hohen Männerverschließ hat", vermutete ich und steuerte die Bushaltestelle an.

„Und wieso nicht?", schnaufte er neben mir.

„Du musst echt mehr Sport machen, ich gehe nur schnell und du schnaufst schon. Sie hat total gereizt reagier,als ich ihr unterstellt habe auf Männerfang zu sein", ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir sogar noch den Bus nach Hause bekommen würde. Fabian gab nur ein „Mhm" von sich und ließ sich auf die Busbank sinken.

„Aber auf dich steht sie wohl auch nicht", meinte er.

„Keine Ahnung habe auch keine Lust, das herauszufinden" gähnte ich und blickte ein weiteres Mal auf die Uhr.

„Na ja so, wie sie aussieht, steht sie auf gebräunte reiche Sonnyboys. Sie wirkt nicht so aus wie eine Partnerin für dich", meinte er.

„Der schwule beste Freund kommt mit Klischees? Okay ab morgen musst du rosa tragen und deine Stimme verstellen", wir fingen an zu lachen. Er mit verstellter Stimme und einer winkender Handbewegung meinte er:

„So meinst du? Ach Sam, was haben wir doch für einen wundervollen Abend. Darf ich dich noch auf einen Prosecco einladen?" Unser Gelächter wurde von dem ankommenden Bus unterbrochen. Schnell setzten wir uns hin. Das Vorzeigen der Karten war nicht mehr nötig, es gab hier nur eine handvoll Busfahrer. Die ganz genau wussten, dass jeder der auf Bus und Bahn angewiesen war, eine Jahresfahrkahrte hatte. Wir wünschten ihm nur einen guten Abend. Keine zehn Minuten später, wünschten Fabian und ich uns auch schon gute Nacht da er eher ausstieg als ich.

Nach weiteren zwanzig Minuten stand ich, dann endlich in dem kleinen Badezimmer, was ich mein Eigen nannte und putzte die Zähne. „Wie sie wohl heißt?" Ich spülte meinen Mund aus und zog mir mein Schlafshirt an. Müde ließ ich mich ins Bett fallen und starte meine Schlafplayliste. Doch vor meinem Auge tauchten immer wieder ihre blattgrünen Augen auf.

Jungfrauen beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt