Meine Beine waren Wackelpudding, die Haare vermutlich pure Zerstörung und ich schwitzte so heftig, dass es sich anfühlte als hätte ich geduscht. Ich wusste, dass ich es mächtig vermasselt hatte.
Mal wieder.
Naomi hatte mich um eine einzige Sache gebeten. Nur diese eine Sache und ich zog es mal wieder vor, mich hemmungslos zu zudröhnen. Anstatt eines Lachflashes drohte mir ein bösartiges Down.
An diesem Abend erwartete mein Vater hohen Besuch. Irgendein rangroher Offizier hatte sich mit seiner Familie zum Abendessen angekündigt und Naomi hatte mich darum gebeten, nahezu gebettelt, dass ich pünktlich zuhause sein sollte.
Kurz vor achtzehn Uhr war alles, aber ganz sicher nicht pünktlich!
In den vergangenen Wochen tat ich das immer und immer wieder, ohne es wirklich zu beabsichtigen. Ich verletzte meinen Vater mit Worten, Kyle mit Taten und Naomi verletzte ich in diesem Moment mit Enttäuschung.
Pünktlichkeit. Mein Gott, ich war doch die deutsche, pünktliche Cara.
Zitternd vor Erschöpfung schloss ich die Haustür auf und starrte sofort in die Augen meines Vaters. Es gibt dieses Sprichwort, dass man rot vor Wut sehen würde, nun in diesem Moment sprühten die smaragdfarbenen Augen meines Vater grünes Feuer.
Er schnaufte wie ein Stier der bereit war für seinen letzten Auftritt in Spanien. Entschlossen vor Wut starrte er auf mich herab und musterte mein unansehliches Äußere. "Daddy, es..." - "Spar es dir. Du hast zehn Minuten und wehe dem du brauchst nur eine Sekunde länger.", unterbrach mich der Bulle drohend und nicht einmal mein Gedankentumor wagte es sich, sich ihm zu widersetzen.
Mit gesenktem Blick stürmte ich durch die Küche und rannte die Treppe zu meinem Zimmer nach oben. In Lichtgeschwindigkeit riss ich mir die Klamotten vom Leib und stolperte zum zweiten Mal an diesem Tag in die Dusche.
Erst hier wurde meinem adrenalingeladenen Körper wieder bewusst, dass ich rund zwei Gramm des berauschenden Weeds von Justin Crimes intus hatte. Wie ein Stein knallte ich auf den nassen Boden der Tatsachen meiner Dusche. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Da war es. Das gefährliche Gegenteil des Lachflashes, welches drohte, wenn man mit einem Körper voller THC so richtig traurig auf den harten Boden seiner Dusche krachte.
Das Down.
Während ich dalag und mir die Seele aus dem Leib heulte, griff ich nach meinem Duschbad und versuchte, den stechenden Schweißgeruch in ein Blumenmeer zu verwandeln. Mein Leben war eine Achterbahn, aber Disneyland steckte tief in der Insolvenz. Mickey Mouse hatte abgeschlossen und Cinderella putzte jetzt in einem drittklassigen Hostel, während Schneewitchen an der Stange eines Stripclubs am Highway tanzen musste, um ihre Zwerge füttern zu können. Der klapprige Wagen in dem ich saß, katapultierte mich durch die Hölle, die ich mir selbst errichtet hatte.
Nach sechs Minuten stieg ich schluchzend aus der Dusche und zwirbelte meine klammen Haare zu einem hochsitzenden, unschuldig wirkenden Pferdeschwanz. Etwas Mascara sollte meine roten Augen ansehnlicher wirken lassen.
Ich schlürfte zu meinem Kleiderschrank und zuppelte ein schwarzes Jerseykleid mit dreiviertel langen Ärmeln aus der hintersten Ecke, bevor ich mich mit farblich passender Unterwäsche hineinzwängte.
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in den USA trug ich keinen Hoodie und zum ersten Mal seit meiner Ankunft in den Staaten präsentierte ich meiner Familie, wie sehr ich an Gewicht verloren hatte. Mein Gedankentumor klatschte bereits vor Vorfreude auf das Gesicht meines Vaters.
Mit Pumps und Handy bewaffnet, versuchte ich, so kontrolliert wie möglich die Treppe hinab zuschreiten und sah dabei auf die Uhr. Neun Minuten und achtundvierzig Sekunden. Das kurze Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.
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the miles between us || reloaded || abgeschlossen
General Fiction"Irgendwann mal vielleicht, aber irgendwann ist nicht heute." Cara ist 17 Jahre alt und lebt zwischen zwei Welten. In der einen genießt sie mit ihrer Mutter das Leben als Künstlerkind in ihrer Heimat Erfurt. In der anderen erfährt sie die Liebe ein...