Das Kind

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Allzulange war ich nicht in der tiefen Dunkelheit meiner Gedanken gefangen.
Ich war froh drum, denn ich war wieder in meiner brennenden Wohnung, in der ich fast mein Leben gegeben hätte, hätte mich nicht jemand aus den Flammen gerettet.
Ein heftiges Rütteln weckte mich aus meinem falschen Schlaf. Der Vater des Jungen war es, der von mir eine Antwort wollte.
,,Was soll das heißen? Wie könnte mein Sohn Schuld haben? Du dumme Göre hast doch keine Beweise!", schrie er mich wütend an, spuckte mir dabei ungeachtet ins Gesicht. Gerade erst wieder wach geworden, brauchte ich einen Moment, bis ich realisierte, dass ich angegriffen wurde. Mit neu geschöpfter Energie hielt ich sein Handgelenk fest und stieß ihn von mir. Sein Gesicht war wutverzerrt und voller Verzweiflung. Er sah aus, wie ein wütender Hund, dem man seinen Knochen weggenommen hat. Ich räusperte mich und begann zu sprechen, während ich mir den schmerzenden Hals rieb.
,,Es gibt Beweise", krächzte ich.
Ich sah Conan der mit Ran und den anderen hinter dem Mann standen.
,,Frag den Zwerg!", sagte ich, mit einem Nicken zu Conan. Ich war zu erschöpft, um den Tathergang zu erklären. Der Mann wandte sich zu den anderen um. Seine Hände ballte er zu Fäusten, als drohe er jemanden zu schlagen, der behauptet, sein Sohn wäre ein Mörder.
,,Arisu hat ein Geräusch gehört, bevor sie das Zelt verließ."
Der Mann warf mir einen schnellen Blick zu.
,,Was hat das mit meinem Sohn zu tun?" Das Geräusch eines quietschenden Spielzeugs ertönte. Es war das Geräusch, das mich des Nachts geweckt hat. Der Mann versteifte sich, erstarrte zur Salzsäule. Langsam wanderte sein Blick von mir, zu seinem Sohn der weinend von Subaru zu uns geführt wurde. Auch er müsste nun langsam erkannt haben, dass es keinen Sinn hatte, es weiter zu vertuschen.
,,Dachten Sie, Ihr Sohn würde in einer Psychiatrie landen, weil er seine Mutter beschützen wollte?", fragte ich und ging ein paar Schritte auf den Vater zu.
,,Ihr Sohn ist aufgewacht, nachdem ihre Frau nicht bei ihm war."
Ich hielt mir den Kopf am Verband meiner Platzwunde. Das starke Pochen in meinem Schädel wurde mit jeder Sekunde schlimmer, kaum aushaltbar, auch wenn ich schon schlimmeres erlitten hatte.
,,Als er sie suchen ging, sah er, wie Herr Ishida sie belästigte wahrscheinlich sogar... bedrohte."
Mein ohnehin schon verzerrtes Bild verwandelte sich Stück für Stück in nur noch dunkle Schatten, die mich nur noch schwach die Silhouette der Menschen um mich herum erkennen ließen.
,,Er hatte so viel getrunken, dass er in der Nacht... noch immer betrunken war. Ihr Sohn... hat in Notwehr gehandelt, auch wenn es besser gewesen wäre jemanden zu holen, doch für Ihre Frau... wäre es dann zu spät gewesen", erklärte ich stockend und sah mit an, wie der Mann ruhiger wurde. Erst dachte ich, dass er sich endlich beruhigt hatte, doch dem war nicht so. Schreiend ging er auf mich los und stieß mich dabei zu Boden.
Mir wurde wieder schwummrig, alles drehte sich, doch mein Überlebensinstinkt war stärker als die Benommenheit. Mit einem gezielten Tritt beförderte ich ihn weg von mir, auch wenn ich weiter am Boden liegen blieb.
,,Eigentlich, waren Sie es, der vorhatte Herrn Ishida umzubringen. Ist doch so?", keuchte ich und wandte mein Gesicht zur Seite, als ich sah, wie er bereits ansetzte, erneut auf mich los zu gehen. Ein weiteres Mal hätte ich ihn unmöglich abwehren können. Die Stimme seiner Frau, die im nächsten Moment ertönte, brachte ihn wieder zur Vernunft. Er hatte sie vorher vollkommen ausgeblendet.
,,Schatz! Bitte hör auf!", schluchzte sie und war auf die Knie gegangen, ihren Sohn fest an sich gedrückt. Ihre Tränen tropften auf den staubigen Boden und hinterließen dunkle Flecken auf der Erde.

Nachdem auch das Kind erzählte, was vorgefallen war, war der Fall beendet. Es gab nichts mehr für die Polizei zu tun.
,,Wir sind dann hier fertig. Schönen Tag noch", sagte der Detective und verabschiedete sich von uns, nachdem alles weitere geklärt wurde. Sie nahmen Herrn Ishida mit, da er einen Mord vertuschen wollte. Er würde bloß eine milde Strafe bekommen. Für das Kind gab es keine Konsequenzen, da es nur seine Mutter beschützen wollte und nicht gezielt einen Mord in Aussicht hatte, als es die Tonschale nach dem Mann geworfen hat.
,,Steh auf!", sagte Subaru in schroffem Ton, reichte mir jedoch seine Hand und rückte dabei seine Brille zurecht.
,,Wenn dich deine Brille stört dann trag doch Kontaktlinsen!"
Schmunzelnd nahm ich seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen.
,,Ich bin allergisch."
,,Natürlich", grinste ich erschöpft und stolperte an ihm vorbei.
,,Sieht so aus, als könnte ich jetzt endlich duschen", seufzte ich erleichtert und machte mich auf den Weg zu den Duschen.
Rechtzeitig wurde mir bewusst, dass ich vergessen hatte etwas mitzunehmen.
So lief ich zurück und konnte Subaru mit Conan im Schatten der Bäume flüstern sehen. Ich verstand lediglich Wortfetzen, doch diese reichten schon, um mich neugierig zu machen, was für ein Spiel die beiden trieben.
,,...wirkt nicht so verdächtig (...) im Auge behalten."
Bevor mich die beiden sehen konnten, schlich ich mich bereits davon, obwohl ich mir sicher war, dass Subaru sich meiner Anwesenheit bewusst war.
Ich beeilte mich mit der Dusche, war aber gleichzeitig gründlich. Meine Haare waren verklebt und ich lag noch im Unklaren, ob meine Haare nicht nach dem Waschen einen Rotschimmer davontragen würden. Allein der Gedanke daran brachte mich zum Würgen.
Als ich frisch geduscht und umgezogen aus der Dusche kam und mein Spiegelbild erblickte machte sich Erleichterung in mir breit.
Meine Haare wiesen keine Färbung durch das Blut auf, das Shampoo hatte seinen Zweck erfüllt.
>>Ich sollte mich dafür schämen das ich nach dem Mord mehr Sorgen um meine Haare habe, doch ich kann nun einmal nichts für diesen Mord.<<
Mit, um die Schultern gelegtem, Handtuch verließ ich den Duschraum und gesellte mich zu den anderen.
,,Solltest du nicht ins Krankenhaus? Du hättest vielleicht nicht duschen sollen, was wenn deine Wunde wieder aufreißt?"
Ran sah mich mitleidig an. Ich hasste diesen Blick, auch wenn sie es nur gut meinte. Sie brauchte mir kein Mitleid zu schenken, dass hatte ich noch nie gebraucht.
,,Mir geht es gut. Ich vertraue den Landärzten hier nicht. Lieber fahre ich mit euch zurück."
Das ich nicht zu einem Arzt konnte, weil ich noch nicht versichert war, konnte ich ihr schlecht erzählen. Ich würde, zurück in Tokio, mein Team kontaktieren und mir einen Platz im Krankenhaus besorgen lassen. Die Mädchen warfen sich einen eindeutigen Blick zu, ich erkannte Verlegenheit darin.
,,Es kommt bereits jemand, der dich zurückbringt."
Verstehend nickte ich und setzte mich zu ihnen auf die Mauer.
,,Ich verstehe schon", antwortete ich, obwohl es mir ungewollt einen Stich versetzte. Wir kannten uns nicht gut, trotzdem hatte ich erwartet, dass wir zusammen zurückfahren würden.
Noch dazu wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte.

Wir warteten nicht lange, da kam ein altes gelbes Auto angefahren und hielt vor uns an.
Der dicke Professor Agasa, den ich ein paar Tage zuvor kennengelernt hatte, stieg aus dem Auto aus.
,,Ich war schon lange nicht mehr an der Küste! Die Luft hier tut wirklich gut", rief er beflügelt, anstatt ein Wort der Begrüßung von sich zu geben.
,,Wir sehen uns dann die Tage. Und passen Sie auf den Wagen auf, die Versicherung war teuer", meckerte Subaru und hievte meinen Koffer in den Kofferraum. Mit Sicherheit hatten ihn die Mädchen bereits für mich gepackt.
Ich beobachtete ihn dümmlich, während er dann auf der Fahrerseite des kleinen, beengenden Fahrzeugs einstieg.
,,Sagtest du nicht, es kommt jemand, um mich zurückzufahren?"
Der Hellhaarige sah mich ungeduldig an, während er sich auf das Lenkrad stützte, als hätte er keine Energie mehr.
,,Schon gut", murmelte ich und setzte mich auf den Rücksitz.

Mir war plötzlich unwohl, mit ihm allein zu fahren. Ich wollte nicht mehr neben ihm sitzen.
Kaum war ich eingestiegen und angeschnallt fuhr er auch schon los.
Die anderen winkten mir noch zum Abschied, doch ich schaute nur müde aus dem Fenster. Ich spürte Subarus Blick, mit dem er mich durch den Rückspiegel betrachtete.
>>Wieso er?<<, dachte ich und fragte mich, wieso er mir so bekannt vorkam. Seine Erscheinung war mir gänzlich unbekannt.
>>Wer bist du?<<, fragte ich in Gedanken, konnte ihn das unmöglich direkt fragen.
,,Willst du auf dem Weg noch was essen, Alice?"
Verwirrt blinzelte ich in den Rückspiegel und lehnte mich zurück. Sonst nannte mich niemand Alice. Außer einer Person, der ich nur einmal vor ein paar Jahren begegnet war. Eine Erinnerung, die ich sofort wieder verdrängte. Ich würde heute nicht daran denken.
,,Alice."
Ich schmunzelte.
,,Hört sich schön an", sagte ich verlegen.
,,Du heißt also gar nicht Arisu?"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Eine Person, die ich mochte, hat mich so genannt. Er war der Erste und Letzte."
Ich musste aufhören, so ehrlich zu sein. Ich wollte doch nicht an ihn denken! Diese Ehrlichkeit würde mir bald noch Probleme bereiten.
Im Rückspiegel sah ich Subarus halb geöffnete Augen, es war jedoch so dunkel, da die Sonne von hinten kam, dass ich seine Augen kaum sehen konnte und das, wo meine Sicht gerade wieder etwas schärfer wurde.
Er wirkte nachdenklich, wie er mich durch den Rückspiegel bedachte und mit den Fingern auf das Lenkrad klopfte.
,,Ah, vergiss es einfach", lächelte ich und schloss meine Augen, als ich mich an das Fenster lehnte.
Während ich vor mich hindöste, spürte ich einen Luftzug. Mein Fahrer hatte mein Fenster einen Spalt geöffnet. Die frische Luft, die vorbei zog tat gut. Das Rauschen des Windes brachte mich bald schon zum schlafen.
Die Nacht war zu lang gewesen, mit nur drei Stunden Schlaf. Aber ich war auch ein wenig traurig. Ich wäre gern noch am Meer geblieben und hätte mir Chiba angesehen.
,,Alice, hm?", meinte ich Subaru noch flüstern zu hören, bevor ich mich gänzlich der Müdigkeit hingab.

Undercover ( Detektiv Conan FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt