Iced coffee

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Lärm im Nebenzimmer weckte mich auf. Es klang als hätte jemand nebenan eine Hobelbank aufgestellt. Nach drei Minuten in denen ich erstmal wach werden musste, ratterte es erneut, die Zimmertür nebenan wurde geöffnet und laute Schritte wanderten den Flur entlang.
Ich rieb mir über das Gesicht und warf einen Blick auf mein Handy.
,,17:53 und eine Nachricht von Shuichi", flüsterte ich zu mir selbst und setzte mich noch schlaftrunken auf. Die Kopfschmerzen waren inzwischen verflogen.
Ich entsperrte mein Handy und öffnete mit rasendem Puls die Nachricht. Ein enges Gefühl war in meiner Brust zu spüren und es fiel mir schwer zu atmen während ich hoffte annähernd die Worte zu lesen, die ich erwartete. Unweigerlich musste ich über meine Naivität lachen.
,,Wie kann man nur vor einer Nachricht so viel Angst haben?" Es war ja nicht so, als wäre die Nachricht von meinem Vater. Nein, seit damals hatte ich nichts mehr von ihm gehört und ich war froh drum.
>>Bist du gut angekommen?<<, las ich still den Einzeiler und seufzte schwach. Nachdem wir uns beinahe geküsst hatten, hatte ich schon etwas mehr erwartet. In meiner Erinnerung war er viel aufgeweckter gewesen, nun wirkte es so, als könnte ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen, nicht einmal Liebe, wenn er denn so empfand.
>>Ich bin gut gelandet. Du wolltest dich wohl nicht verabschieden?<<, tippte ich bereits in die Tastatur ein, doch entschied ich mich dafür, diese Nachricht wieder zu verwerfen.
>>Willst du nicht etwas anderes besprechen? Du warst nicht da, um mich zu verabschieden<<, schickte ich stattdessen. Meine Hände verkrampften sich um das Telefon. In den nächsten Minuten starrte ich wie gebannt darauf, doch war keine Antwort in Sicht. Auch nach 15 Minuten kam keine Antwort von ihm. Frustriert steckte ich mein Handy wieder ein und verließ mein Zimmer. Während ich nach unten ging, richtete ich meine Frisur und Kleidung.
Auf der Treppe kam mir ein Pärchen Mitte dreißig entgegen. Der Mann war nicht gerade in seiner besten Erscheinung, anders als die Frau an seiner Seite die mit den Diven des amerikanischen Theaters durchaus mithalten konnte. Um ihre Schultern hing ein schwarzer Pelzmantel und sie trug Ellenbogen hohe Lederhandschuhe, zu einem eleganten, engen, schwarzem Kleid. Sie nahm mit ihrem Gepäck so viel Raum in Anspruch, dass ich mich gegen das Geländer drücken musste, so breit machte sie sich dabei nach oben zu kommen, obwohl sie schmal wie eine Ballerina war. Sie schob ihre Sonnenbrille ein Stück nach unten, damit ich sehen konnte, dass sie mich mit abwertenden Augen anstarrte. Ihre beinahe grauen Augen durchbohrten mich, während sie die Brille wieder nach oben schob und im oberen Geschoss verschwand.

Ich schüttelte nur den Kopf und blieb vorm Eingang stehen.
,,Momentan regnet es ziemlich fiel hier, nicht gerade das was Touristen freut, oder?", fragte eine jüngere Angestellte und blickte besorgt drein. Seit längerem hörte man davon, dass der Tourismus auf Okinawa nachgelassen hatte und die Menschen alle um ihre Jobs bangten. Es war ein richtiger Wettkampf entstanden.
,,Im Gegenteil, ich liebe den Regen", sagte ich glücklich und betrachtete die rosanen Hortensien im Vorgarten. Einige Blüten waren abgefallen und wurden mit dem Regen zum Eingang gespült.
,,Woher kommen Sie denn?"
,,Aus England, da regnet es genauso oft."
Sie wirkte überrascht und schaute noch einige Augenblicke mit mir zu den Wolken hinauf, bis sie von Haku zurück zur Arbeit gerufen wurde.
,,Ich würde es begrüßen, wenn Sie die Angestellten nicht aufhalten würden", sagte er in schroffem Ton zu mir und drückte mir einen Regenschirm in die Hand.
,,Wieso gehen Sie nicht etwas spazieren und lassen unsere Angestellten in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen?"
Ein schmales lächeln schlich sich auf meine Lippen als ich den Schirm entgegennahm.
,,Ein guter Vorschlag. Dankeschön für den Schirm. Empfehlen Sie einen bestimmten Ort für meinen ersten Tag hier?"
Er wirkte erstaunt. Sein Gesicht versteinerte und verlor jeden Ausdruck.
,,Nun... eh... da wäre ein Schrein, zehn Minuten von hier... Um genau zu sein sogar drei", stammelte er plötzlich nervös und nahm meine Karte, die aus meiner Tasche hervor schaute und markierte drei eng nebeneinander liegende Punkte auf meiner Karte und den Punkt wo wir waren umkreiste er.
,,Danke..."
Als ich los gehen wollte, hielt er mich doch noch einen Moment auf.
,,Seien Sie vorsichtig. Es ist rutschig..."
,,Ja, werde ich sein."
So schnell wie Haku aufgetaucht war, verschwand er auch schon wieder im Flur.
>>Sonderbar...<<

Ich beschloss mich dennoch an seinen Vorschlag zu halten und verließ die Pension. Vor den Shisa am Eingang musste ich dann doch noch einmal stehen bleiben.
>>Angeblich restauriert Haku die Figuren regelmäßig, weshalb blättert die Farbe dann ab?<<
Mir kam das äußerst seltsam vor. Einige Stellen waren abgebröckelt und es wirkte so, als wäre der Wert von diesen Figuren doch nicht so groß. Ich blickte mich um und sah durch das Hoffenster Haku, der mich misstrauisch beobachtete. Er sah aus wie ein Geist, so wie er da am Fenster stand. Da ich allerdings genug vom Ärger heute Mittag hatte, entschied ich mich dazu, es auf sich beruhen zu lassen.
Ich lief durch den Park, der nahe der Pension war und auch direkt am Flusskanal lag, über den eine Brücke zum anderen Ende von Naha führte.
Mein Weg führte mich zum  Schrein, der nur eine Minute vom Gokoku Schrein entfernt lag und fünf Minuten vom Oki-gû Schrein.
Der Shinto Schrein war klein und es führte eine steile lange geschwungene Treppe nach oben. Vor dem Tor standen zwei Shisa mit geöffneten Mäulern und ganz oben thronte ein Stein. Vor dem Schrein stand ein Mann mit kurz geschorenem schwarzen Haar. Er trug schwarze Kleidung, als würde er ein Grab besuchen. Als er die Treppe hinunter ging, streifte mich sein leerer Blick und ich bemerkte einen Blumenstrauß, den er dort abgelegt hatte.
>>Hier ist jemand gestorben<<, ging es mir unweigerlich durch den Kopf und ich verbeugte mich mit einem seltsamen Gefühl vor dem Stein.

Auf meinem Rückweg in die Pension kaufte ich mir in dem Café, das beinahe neben dem Schrein lag einen Eiskaffee mit Zuckersirup. Sowas war ich gar nicht gewohnt, da ich sonst immer nur normalen Zucker benutze, aber der Sirup hatte was, das mir ziemlich gefiel. Das ich inzwischen ein Zuckerjunkie geworden war, wie es Shuichi ausgedrückt hatte, wollte ich mir nicht eingestehen.
>>Er hat immer noch nicht geantwortet...<<, ging es mir durch den Kopf und ich seufzte traurig.
Ich hatte bereits die Hälfte getrunken als ich zurück in der Pension war, da hörte ich eine bekannte Stimme am Empfang.
,,Hattest du in letzter Zeit nicht schon genug Süßes?"
Mir wäre beinahe der Becher aus der Hand gefallen als ich ihn vor mir stehen sah, aber vor Schreck hielt ich ihn nur noch fester.
,,Was... machst du denn hier?" Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an, als stünde ein Geist vor mir, denn genauso fühlte es sich an. Niemals hätte ich damit gerechnet.
Ein breites Lächeln bildete sich auf seinen Lippen als er mir mit der linken Hand den Becher wegnahm.
,,Hast du mich vermisst?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 26 ⏰

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