Kapitel 150

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Ich schaute aus dem Taxifenster. Die Gegend kam mir bekannt vor. Ja, hier war ich definitiv schon. Kurze Zeit später stoppte das Taxi vor einer mir bekannten Doppelhaushälfte.  "Zimmererweg 70. Wir sind da. Dit macht denn 45 Euro." Der Taxifahrer drehte sich zu mir um und ich zog einen 50 Euro schein aus meinem Portemonnaie und reichte ihn ihm nach vorne. "Stimmt so." Ein fettes Grinsen tauchte in seinem Gesicht auf "Firma dankt. Soll ick dir noch bis zur Tür helfen?" Ich nickte kurz. Klar, warum nicht, wenn er das schon anbot. Er schnappte sich meinen Rucksack und lief schon einmal zur Tür, wo er ihn abstellte. "Na, denn viel Spaß in Berlin. Aber ick würde mir andere Klamotten besorgen als von der jelbschwarzen Jurkentruppe. In Berlin wehen die Fahnen blauweiß", zwinkerte er mir zu und deutete auf das BVB Logo auf meiner Trainingshose, die ich angezogen hatte, weil es die einzige Hose war, die mit dem Gips harmonierte. Hatte der eben Gurkentruppe gesagt? Na, wie gut, dass der so schnell im Taxi verschwunden war, sonst hätte ich mein Trinkgeld zurückverlangt. Ich humpelte weiter zu meinem Rucksack. So, jetzt war ich in Berlin. Und nun? Wie wäre es mit Klingelknopf drücken, ermunterte ich mich selbst. Es war immerhin schon 8.30 Uhr auf einem Sonntag. Da würde ich ja wohl niemanden wecken. Hoffentlich! Ich versenkte meinen Finger auf dem Klingelknopf und hörte auch gleich Schritte hinter der Tür. Erleichtert atmete ich auf. "Was hast du denn heute vergessen?" Meine Oma riss die Tür auf und starrte mich überrascht an. "Tessa?! Was machst du denn hier? Ich dachte, das wäre Opa, der mal wieder die Schlüssel, seine Brille oder was weiß ich vergessen hat." Ja, ich stand vor der Tür meiner Großeltern. Eigentlich hatte ich ja zu Phil gewollt. Aber als ich auf das Taxi gewartet hatte, war mir klargeworden, dass er mir bei der Lösung meines Problems garantiert nicht helfen konnte. Er würde ja nie in meiner Situation sein, also wie sollte er mir da helfen.....und Nessa? Sie als Lesbe war da auch nicht gerade die, die in so eine saublöde Situation geraten konnte. Aber Oma, die wusste garantiert, was zu machen war. "Menschenskind, du hast ja einen Gips, Meene Kleene. Was ist denn passiert?" Sie musterte mich von oben bis unten und zog mich in ihre Arme. Ja, so eine feste Umarmung tat gerade ganz gut. "Also ich...", begann ich. Oma ließ mich los und winkte ab. "Komm erst einmal rein. Wir machen uns Frühstück und dann erzählst du mir alles in Ruhe. Opa ist gerade zum Fußball. Der kommt frühestens zum Mittag wieder. Da können wir ganz in Ruhe quatschen." Das hörte sich super an. Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht. Also nicht nur das Wort Frühstück, sondern auch das wir in Ruhe quatschen konnten, hörte sich super an. Eine Viertelstunde später schaufelte ich warmes Rührei in meinen Mund. Mmmh, war das lecker. "Warum hast du denn nicht vorher angerufen?" Oma musterte mich kopfschüttelnd "Ich hätte dich doch vom Flughafen abgeholt. Mama hätte uns ja auch Bescheid sagen können." Ich schüttelte den Mund und schluckte schnell herunter "Die weiß das doch gar nicht. Ich habe mir das gestern Abend spontan überlegt." Mir fielen wieder meine Nachrichten ein. Ob sie die wohl schon im Kühlschrank gefunden hatten? Bestimmt, denn um die Zeit frühstückten sie garantiert schon. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und stellte den Flugmodus aus. Sofort ertönten jede Menge Signaltöne. Wow, die hatten mich mit Nachrichten bombardiert. Schnell knallte ich den Flugmodus wieder rein, bevor das überhaupt nicht aufhörte. Ich schaute zu Oma, die mich beobachtete "So, meene Kleene, und jetzt erzählst du mir mal, was hier eigentlich los ist. Du gehst doch nicht einfach nur so durch." Nee, das war ja auch nicht einfach nur so. Das war alles totale Hamsterkacke gigantischen Ausmaßes und ich hatte null Plan, wie es weitergehen sollte. Aber wie sollte ich Oma das erzählen. Am besten ganz von Anfang an und Scheibchenweise. Genau...am besten fing ich mit dem Derby und dem Foul von Kevin an und taste mich dann weiter vor. "Also die letzte, die so durchgegangen ist, war deine Mama als sie von ihrer Schwangerschaft mit Max und Phil erfahren hat", lächelte Oma. "Ich bin auch schwanger", platzte es aus mir heraus "Und meine Syndesmose ist gerissen", setzte ich nach. Ja, das nannte man dann wohl ohne Umschweife alle Probleme in einen Satz packen. Oma sprang sofort von ihrem Stuhl auf und kam zu mir, um mich in ihre Arme zu nehmen. "Verflucht, das ist ganz schön viel auf einmal." Sie drückte mich ganz fest. Manno, tat das gut. Wieso rollten mir denn plötzlich Tränen über die Wangen? Ich war Tessa und nicht Maja. Ich heulte nie. Schnell löste ich mich von Oma und wischte mir die blöden Wassertropfen weg. Oma schaute mich an und strich mit ihrer Hand auch über meine Wange. "Und jetzt weißt du nicht, was du tun sollst und brauchst erst einmal deine Ruhe, um dich zu entscheiden?" Ich nickte. "Die sollst du hier haben. Du bekommst Mamas altes Zimmer." Oma starrte auf den Rucksack, der noch am Türrahmen lehnte. "Viel hast du ja nicht mit. Aber oben im Schrank hängen sogar noch Klamotten von deiner Mama, die sie damals nicht mitgenommen hat, als sie ausgezogen ist, damit sie immer eine Reserve hier hat." Oma fing an zu lachen "Die sind zwar über zwanzig Jahre alt, aber garantiert gerade wieder total hip." Ich musste auch grinsen. Damit hatte Oma wahrscheinlich recht. "Aber bevor wir überhaupt etwas machen, schickst du deinen Eltern eine Nachricht, dass es dir gut geht. Und dem werdenden Vater auch. Ich nehme doch an, dass das dieser Leo ist, der letzten Sommer auch hier war?" Wieder nickte ich nur. "Alles andere hätte mich auch gewundert", zwinkerte Oma schon wieder. Unter ihrem wachsamen Blick zog ich also mein Handy wieder aus der Tasche und tippte schnell die zwei Nachrichten. Nee, ich musste auch noch an Maja und Lucy schreiben. Also tippte ich weiter, als auch schon ein Signalton ertönte. Natürlich mit einer Nachricht von meinem Erpel Wo bist du? Ich komme sofort. Hegdl  Was verstand er bitte nicht daran, dass ich meine Ruhe und Abstand brauchte, um eine Entscheidung zu treffen. Und warum hatte er uns lieb? Das war doch zum Haare raufen. Schnell schaltet ich wieder in Flugmodus und schaute zu Oma, die eine Karaffe mit Zitronenwasser zubereitete. "Der Kerl hat sofort geantwortet und will jetzt herkommen, stimmt's?" Wieder nickte ich. Woher wusste Oma das alles? "Na, komm. Wir gehen jetzt erst einmal auf die Terrasse und du erzählst mir alles von Anfang bis Ende." Sie reichte mir meine Krücken und ich humpelte hinter ihr her. Schnell rückte sie mir einen Liegestuhl zurecht "Du sollst den Fuß doch bestimmt hochlagern." Musste ich heute eigentlich noch etwas anderes machen als nicken? "So, jetzt mache es dir bequem und schau nicht so bedröppelt. Wir bekommen das schon alles wieder hin."

Schuss und Treffer in der Abseitsfalle ✔️Teil 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt