39. eingesperrt

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Kapitel 39 – eingesperrt

„Reden?" las Kai die Nachricht laut vor, die ich ihm durch die PC-Kamera zeigte, und sah dann mit hochgezogenen Brauen zu mir. „Wow, da hast du dir ja eine echte Poetin aufgerissen, was?" Er lachte herzhaft. „Nein ehrlich, wie sie mit Worten umgeht, da-" „Klappe Havertz!" unterbrach ich ihm, und zog meine Hand samt dem Handy zurück an mich. Abwartend sah ich auf das Display. „Die Nachricht tippt sich nicht von selbst!" machte er mich aufmerksam. „Ach was! Ich weiß nur nicht was ich zurückschreiben soll." Kai warf mir einen vielsagend blick zu. „Willst du mit ihr reden?" Ich nickte. „wie wäre es dann mit, JA?" Ich entsperrte erneut das Handy, meine Augen flogen über die mini-Nachricht. „Was wartest du? Schreib ihr zurück!"

„Setzt mich nicht so unter Druck!" ermahnte ich meinen besten Freund und war mittlerweile kurz davor einfach seinen Ton auszuschalten. „Wenn ich dich nicht unter Druck setzte dauert es weitere Monate bis ihr euch zusammenrauft. Sie kommt auf dich zu, mach das gleiche!" Selbst wenn er nicht wirklich mir gegenübersaß durchbohrte sein Blick mich und ließ mich herzhaft seufzen. „Gut, ich fahr zu ihr!" Die Überzeugtheit in meiner Stimme überraschte Kai nun doch. „Jetzt? Einfach so? Julian es ist schon neun Uhr abends!" „Na, du hast doch gesagt ich soll die Beine in die Hand nehmen. Keine Sorge, ich melde mich danach bei dir!" Ihm blieb gar keine Zeit mir zu antworten, da war mein Laptop schon zugeklappt. Eilig zog ich mir eine Jacke über, schlüpfte etwas umständlich in meine Schuhe und griff nach meinem Autoschlüssel. Auf halber Strecke änderte ich rasch die Route, da mir einfiel das Nora nicht einmal in ihrer Wohnung sein würde, sie muss schließlich auf Finn aufpassen.

So fuhr ich rasch an den Stattrand von Dortmund, das Haus von Roman ansteuernd. Die Tatsache das kein Licht mehr durch die Fenster drang ließ mich meinen spontanen Einfall überdenken, doch jetzt war ich schon hier. Umdrehen ist nicht! Mit der Türklingel würde ich riskieren alle aus dem Schlaf zu reißen, doch ich kannte Roman, der Ersatzschlüssel unter dem perfekt ins Gesamtbild passenden Blumentopf war schnell gefunden und auf Zehenspitzen trat ich in das Haus.

Jetzt war mein Langzeitgedächtnis gefragt, um mir in den Sinn zu rufen wo das Gästezimmer war, nicht das ich noch ins Kinderzimmer lief und Finn einen Herzinfarkt verpasste. Mit leisen Schritten ging ich die Holztreppe nach oben und drehte mich, alle Türen betrachtend, um mich selbst. Hier, dieses müsste es gewesen sein. Die paar Meter, die mich trennten, waren in Kürze überwunden und meine Hände schlangen sich um das kalte Metall der Türschnalle. Innerhalb des Zimmers brannte bereits kein Licht mehr, doch der leise hörbare Atem ließ mich wissen, dass sie hier war.

Schritt für schritt ging ich näher an das Bett heran und musterte die Silhouette des ruhenden Körpers, bevor ich meinen Arm darum schlang und ich meine Lippen sanft an die Wange gleiten ließ.

Doch erschrocken zuckte ich zurück als meine Lippen nicht auf die weiche Haut von Nora, sondern lästige Bartstoppeln trafen. Mit einem lauten „Was zum! Jule?" schreckte der Körper unter mir hoch und stieß mich unsanft zur Seite. Das Licht des Raumes ging an und Leons aufgerissene Augen starrten mich an.

„Bist du bescheuert?" zischte er erneut, wurde aber im selben Moment von einer heranstürmenden Nora unterbrochen, die einen herumstehend Schuh nach ihm warf. „Haltet verdammt noch einmal die Fresse!" Das sie flüsterte nahm ihr keinerlei Strenge aus der Stimme und die in die hüften gestemmten Hände unterstützen ihr auftreten. „Es hat mich eine knappe Stunde gekostet Finn zum Einschlafen zu bringen. Wenn ihr noch einen Mucks von euch gebt sind jegliche Geschlechtsteile weggeschnitten!" drohte sie uns mit zusammengezogenen Brauen, bevor sie nach meiner Hand griff und mich nicht nur aus dem Raum, sondern gleich noch die Treppen hinunter zog.

„Und du, kannst du nicht vielleicht zuerst schreiben das du vorbeikommst?" zischte sie, wobei sich ihr ernstes Gesicht aber schon etwas zu entspannen schien. „Du meintest du wolltest-" „Psst!" unterbrach sie mein, in meinen Augen eigentlich leises Sprechen. „Komm, lass uns in den Keller gehen, da können wir normal reden ohne Finn zu wecken." Ich sparte mir an dieser Stelle meine Bemerkungen zum Thema in den Keller gehen und folgte ihr stumm. Unten angekommen schaltete sie das Licht von Romans Home-Gym an, dass fast das ganze Kellerstockwerk einnahm. Nora lehnte sich an eine der Wände, stieß sich aber panisch von dieser ab, als ich die Tür hinter uns zuzog. „Nein nein nein!" Mit schnellen Schritten rannte sie auf mich zu und versuchte kläglich die Tür vor dem zufallen zu stoppen. „Du Idiot, wofür denkst du ist der Türstopper!" warf sie mir vor. „Eh, zum Türstoppen?" schlussfolgerte ich und erntete einen Schlag an den Oberarm. „Du hast uns hier eingeschlossen. Ruf Leon an!"

Reflexartig griff ich in meine Hosentasche, wo ich allerdings nichts zu fassen bekam. „Oh, das liegt wohl noch zuhause auf dem Sofa, kannst du das nicht machen?" Mit vorwiegend genervtem Blick sah sie zu mir hoch. „Sehe ich etwa so aus als hätte ich mein Handy dabei?" Um ihre Aussage zu unterstreichen zeigte sie an ihrem Körper hoch und nieder, der nur von einer Stoffshorts und einem Großen Shirt sowie ein paar Kuschelsocken bedeckt war. Seufzend rieb sie sich übers Gesicht. „Ich hasse dich gerade ein bisschen!" gab sie lachend zu, doch genau dieses Lachen ließ mich wissen, dass sie es nicht ernst meinte.

„Na komm, hilf mir ein paar Matten hier rüber zu legen, ich schätze wir werden in dem Fall hier übernachten." „Und danach reden wir?" Mild lächelnd erwiderte sie meinen Blick. „Ja, dann reden wir."

-

„Nora. Ich glaube besser wird's nicht!" Die Jüngere stoppte in ihrem Handeln und musterte das vor uns liegende Bett, das eigentlich nur ein Haufen aus Trainingsmatten und Handtüchern war. Ein größeres dieser würde wohl oder übel unsere Bettdecke werden. „Vermutlich nicht." Erschöpft senkte sie sich mit den Knien hinunter und zog sich eines der Handtücher über ihre nackten Beine. Für einen Moment hielt ich inne, setzte mich dann aber direkt neben sie. „Sag mal, wie viel weißt du von gestern Nacht noch?" Dein Blick ihrerseits blieb auf den Boden gerichtet, die Finger verhakten sich in der Ecke des weißen Stoffes. „Ich weiß das du bei mir geblieben bist und dafür gesorgt hast das, das ich nichts unüberlegtes tue."

„Und kommt jetzt eine ellenlange und super-romantische Rede darüber, wie sehr es dir leidtut?" Ein leichtes Grinsen hatte sich auf die Lippen der rothaarigen gelegt als sie endlich zu mir hochsah. „Willst du eine ellenlange und super-romantische rede?" Grübelnd rieb ich mir übers Kinn. „Eigentlich nicht!"

„Also," sie rückte ein Stück näher an mich heran, „reicht ein simples: Es tut mir leid. Ich mag dich wirklich, wirklich gerne und ich würde alles dafür tun das wir das zwischen uns wieder hinbekommen?" „Und wie das reicht!" Mehr als bereit ihre Lippen endlich wieder an meinen zu spüren, lehnte ich mich nach vorne, mit bereits geschlossenen Augen was da zu führte das ich unangenehm mit der Stirn meines Gegenüber kollidierte. Ein schmerzverzogenes Zischen verlies ihren Mund, wurde in der nächsten Sekunde aber schon von ihrem wunderschönen Lachen abgelöst. „Für uns läuft es einfach nicht!" kam es ihr scherzhaft über die Lippen, bevor ich sie einfach schnappte und enger an mich zog. Ich hatte genug gewartet!

Als wäre es unser erster Kuss, als würde unser Leben davon abhalten, als hätte man uns aneinander festgeklebt, als würde es nichts anderes mehr geben. So fühlte es sich an sie endlich wieder bei mir zu haben. Keiner von uns dachte auch nur ansatzweiße daran sich von dem anderen zu lösen, bevor wir nicht kur vorm Ersticken waren. Tatsächlich hatten wir das wohl etwas zu wörtlich genommen, denn schwer nach Luft schnappen drückte sich Nora irgendwann von mir, ließ allerdings ihre Stirn an meiner ruhen. Ihre Hände langen immer noch in meinem Nacken, Finger leicht über die Haut streichend.

„Mir tut es auch leid. Alles." fügte ich hinzu. „Dann sind wir ja quitt!" stellte sie fest und legte erneut kurz ihre Lippen auf meine, zu kurz als dass ich den Druck überhaupt erwidern könnte. Ein herzhaftes Gähnen verlies ihren Mund und mit sanftem Lächeln beobachtet ich sie dabei wie sie ihre Nase kräuselte und sich über die müden Augen strich. „Sollten wir uns hinlegen?" Kaum merklich nickte sie bevor sie ihren Oberkörper auf das provisorische Bett senkte. Sogleich verließ sie ein stöhnen das in ein langgezogenes „Unbequeeeem!" überging. Lachend legte ich mich neben sie und zog sie, ohne groß nachzudenken an meine Brust. „Besser?" „Besser!" 

- 1425 words

So sehr ich die Reunion der beiden liebe, das Julian Leon auf die Wange geküsst hat, bleibt mein Highlight des Kapitels. Wie hat es euch gefallen? Lasst gerne eure Meinungen da :)

schönes Wochenende -nienie

LACUNA - Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt