64. Inmitten von Kartons

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Kapitel 64 – inmitten von Kartons

Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, in einem Tempo, das es seit Ewigkeiten mehr erreicht hatte. Kein Fußballspiel könnte es dazu bringen, kein Clown der plötzlich um die Ecke kam, kein Abhang, den ich hinunterfallen würde.

Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, der mit jedem heftigen Auftreten auf der nächsten Stufe in seine Einzelteile zerfallen könnte. Meine Lunge schrie nach Luft, flehte mich an kurz halt zu machen, doch diesen Gefallen tat ich ihr nicht, rannte weiter. Der Gedanke, an der Klingel zu Läuten kam mir erst gar nicht. Wie ein Einbrecher stürzte ich hinein in die Wohnung, ließ die Rothaarige die mitten im Raum stand erschrocken zusammenzucken. Mit leeren Augen sah sie mich an. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie geweint hatte. Ein paar Meter vor ihr machte ich halt, stütze meine Hände auf den Knien ab und wartete ab, bevor sich die Wohnung um mich herum wieder aufhörte zu drehen. Mein Mittagessen kämpfte sich meinen Magen hinauf, konnte gerade noch so wieder hinuntergeschluckt werden. Mit immer noch leicht verschwommenem Blick sah ich hoch und musterte die um mich stehenden Kartons. „Du packst?" schnaufte ich, worauf die Jüngere nur mit den Schultern zuckte. „Hab um ehrlich zu sein nie alles ausgepackt." Ihre Stimme klang erschreckend gleichgültig, doch ich kannte sie gut genug, um zu wissen das all das nur eine Fassade war. „Und jetzt?" „Jetzt packe ich den Rest wieder ein."

Etwas zu schnell machte ich einen Schritt nach vorne und ließ sie zurückweichen. „Du spinnst doch!" eröffnete ich meine recht eindeutige Meinung dazu. „Hat sich vor 24 Stunden noch anders angehört." „Ja, aber du solltest stur genug sein, um nicht auf mich zu hören. Ich meine, what the fuck Nora? Dortmund bin doch nicht nur ich. Gio ist hier, und Nora ist hier, und Roman und Finn un-"

„Und jeder von denen hat es bis vor einem Jahr auch ohne mich ausgehalten!" unterbrach sie mich und legte einen gefalteten Pullover in den Karton vor ihr, nur damit ich ihn sofort herauszupfte und auf den Boden warf. „Kannst du den Scheiß lassen?" „Den scheiß um den du mich gebeten hast? Julian lass deine Post-pubertären Stimmungsschwankungen an jemand anderem aus und lass mich in Ruhe, bitte!" Gegen Ende drohte ihre Zitternde Stimme zu versagen. „Du weißt genau das du mir damit nur falsche Hoffnungen machst!"

„Bitte lass es mich erklären. Bitte!" Ich muss verzweifelt klingen. Doch das war ich auch. „Was willst du mir erklären Julian? Das du nicht weißt was du willst?" „Das ich nicht wusste was ich will, aber ich tu es jetzt!"

Ungläubig und mit Tränen gefüllten Augen schüttelte Nora den Kopf. „Und was, was hat sich jetzt bitte geändert? Hm?" Seufzend griff ich nach den Postkarten in meiner Jackentasche und warf sie zwischen uns auf den Boden. „Die. Die sind nie bei mir angekommen. Bis heute!" Ihr Blick lag keine Sekunden auf ihnen, bevor sie sich mit dem Rücken zu mir drehte.

„Meine Nachbarin hat gesehen, dass ich die erste deiner Karten zerrissen habe. Danach hat sie jede die folgte von meiner Fußmatte gestohlen und aufbewahrt, weil sie Angst hatte das ich es mit ihnen auch machen würde, was ich vermutlich auch getan hätte." Schleichend machte ich einen Schritt in ihre Richtung. „Nora bitte glaub mir. Diese Karten, deine Worte haben mir gezeigt wie viel ich dir bedeute, und haben mir gezeigt, dass diese ganzen Sorgen in meinem Kopf es nicht wert sind. Sie sind es nicht wert wegen ihnen nicht um uns zu kämpfen. Nora, ich liebe dich!"

„Julian, ich halte dieses hin und her nicht mehr aus!" gestand sie und wurde von einem schluchzen übermannt. Schützend wollte ich meine Arme um sie legen, doch sie wich aus.


Pov. Nora

„Ich liebe dich!" „Hör auf das zu sagen!" ermahnte ich ihn erneut. „Nora, was ist denn überhaupt los mit dir. Wieso lässt du das hier nicht zu?" Verständnislos sah er mich an. „Weil- weil ich mich einfach immer noch fürchterlich fühle. Ich habe dich allein gelassen und ich will das wieder gut machen! Du hast diese Dinge alle nicht ohne Grund gesagt. Wir haben uns so oft verletzt." Meine Stimme verlor gegen Ende ihre Kraft und verstummte. Langsam machte Julian einen Schritt nach vorne und griff nach meiner Hand. „Nor-" „Nein nichts Nora. Sag nicht, dass es okay sei, denn das ist es nicht!" Mir verzweifelt durch die Haare fahrend machte ich einige Schritte zurück, bis ich von der Wand hinter mir gestoppt wurde. Das Gesicht des anderen unterdessen wirkte entspannt. „Selbst wenn ich es nicht wollte, ich habe dir doch schon längst verziehen. Fuck, als du auf einmal da standest habe ich dir verziehen. Denn es war nicht mehr wichtig das du weg warst. Alles was zählt war das du zurück warst. Zurück bist!"

„Das sagst du jetzt." Stöhnend warf er seinen Kopf in den Nacken. „Das sag ich auch morgen noch, und in einem Jahr. Ich sage das ich 50 Jahren noch, wenn wir als altes Ehepaar auf unserem Sofa liegen!" versuchte er verzweifelt seinen Standpunkt klarzumachen. „Du willst mich heiraten?" „Schön, dass du immerhin das heraushörst!" Diesmal wich ich nicht zurück als er nach meiner Hand griff. „Aber hast du nicht angst das ich wieder verschwinde?" murmelte ich leise. Julians Finger strichen mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Natürlich habe ich Angst davor. Jeder hat Angst jemanden den man liebt zu verlieren. Das ist in Beziehungen normal." Mein Gesicht wand sich dem Boden zu, um seinem Blick zu entkommen. „Hast du denn vor wieder zu verschwinden?" Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. „Wieso lässt du dann nicht einfach zu das wir glücklich werden?" Seine Finger legten sich an mein Kinn und zwangen mich ihn wieder anzusehen. „Ich liebe dich." „Aber wir-"

„Ich liebe dich!" „Aber wenn wir eines Ta-" „Ich liebe dich!" „Und wenn du we-" „Nora, ich liebe dich!" „Ich dich auch Julian." Seufzend blickte ich in seine Augen. „Aber ich glaube nicht, dass wir das schaffen."

Wie von selbst stieß ich seine Körper von mir. Meine Schüssel an meinem Körper wissend flüchtete ich hinaus, stolperte die Treppenstufen hintunter und hinein in meinen Wagen. Im Rückspiegel sah ich Julian als ich die Ausfahrt erreichte, der wohl plante mir zu folgen. Das Gaspedal durchgedrückt fuhr, oder viel eher rannte ich vor ihm weg. Zu nichts anderes wäre ich in diesem Moment im Stande gewesen.


(ausschnitt aus Kapitel 2)

Zielsicher steuerte ich auf den trüb beleuchteten Barbereich zu. Die laute Musik aus den Boxen bebte auf meiner Haut, meine Ohren mussten sich daran gewöhnt haben, denn mein Kopf dröhnte nicht mehr so sehr wie noch vor etwa einer Stunde. Eine Stunde die ich beinahe nur auf der Tanzfläche verbracht hatte, ohne mein Gefühl für die Zeit bei mir zu behalten. Die Freiheit war beflügelnd und das erste Mal seit meinem Spontan-Umzug konnte ich den Kopf ausschalten. „Hey, ist hier noch frei?" versuchte ich den Typen an der Bar auf mich aufmerksam zu machen, der mich seltsam musterte. „Du fragst in einem Club ob du dich setzten darfst?" Er schob demonstrativ den Barhocker etwas zurück, was ich als Einladung sah. „Kann ja sein das du in Begleitung bist." erklärte ich mich, und wand mich dann dem Barkeeper für eine Bestellung zu. Der Blonde neben mir grinste und zeigte hinter sich. „Siehst du den Man in schwarzem Hemd der etwas unkontrolliert über die Tanzfläche wippt?" „Davon sehe ich in etwa dreißig, welchen meinst du?" witzelte ich und griff nach dem Glas vor mir. „Julian!" Meine Bekanntschaft streckte mir seine Hand entgegen die ich lächelnd schüttelte. „Nora.

( - )


Zielsicher steuerte ich auf den trüb beleuchteten Barbereich zu. Die laute Musik aus den Boxen bebte auf meiner Haut, meine Ohren mussten sich daran gewöhnt haben, denn mein Kopf dröhnte nicht mehr so stark wie gleich nach meiner Ankunft. Mich beflügelte nicht mehr die Freiheit, wie sie es tat als ich das erste Mal hier war. Stattdessen war ich beengt und gefangen. „Hey, ist hier noch frei?" versuchte der Typ neben mir auf sich aufmerksam zu machen und ohne hochzublicken zog mein herz sich schmerzhaft zusammen. „Du fragst in einem Club, ob du dich setzten darfst?" wiederholte ich die Worte unseres ersten Treffens, kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen in meinen Augen an. „Kann ja sein das du in Begleitung bist!" erwiderte er mit schüchternem Lächeln und stellte sich so nah an mich, dass ich seine Brust an meinem Arm streifen fühlte. „Nora, wir schaffen das!" kämpfte er gegen die immer lauter werdende Musik an. „Fuck, wir sind Nora und Julian!" Nicht nur mir flossen mittlerweile unaufhaltsam Tränen die Wangen hinunter. Sein Blick verankerte sich in meinem. „Nora und Julian!" wiederholte ich mehr zu mir selbst und blinzelte die neu aufkommenden Tränen erfolglos weg. Flehend blickte er zu mir hinunter, formte in BITTE mit seinen Lippen. 

„Kommt ganz darauf an!" rief ich ihm entgegen. „Hast du den mehrere dieser glänzenden Uhren zuhause?" Jegliche Spannung schien aus seinem Gesicht zu fallen. „Wenn dir die schon gefällt, solltest du erst meine fancy Dusche sehen." Meinem Kommentar wurde die Aussprache gestohlen, als sich die Lippen des Blonden alles andere als stürmisch, aber dafür umso sehnsüchtiger auf meine legten. Seine Finger verankerten sich in meinen Haaren, während ich mich an ihn klammerte, und ihn so sehr wie noch nie, nie wieder loslassen wollte. 

1541 words

heule ich? ja, lets be honest, tue ich. Bitte, bitte lasst mich an all euren gedanken und emotionen teilhaben. Epilog folgt in kürze!

LACUNA - Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt