Ich glaube es wird Zeit, dass du mich kennenlernst. Ich werde dir nun meine Geschichte erzählen. Du kannst jederzeit Pausen einlegen, wenn es zu viel wird, wenn es scheint, als würde die Welt über dir zusammenbrechen, oder wenn du keine Luft mehr bekommst, denn all das kann dir in den nächsten Zeilen passieren, aber ich flehe dich an zu Ende zu lesen. Bitte.
Wie du vielleicht bereits bemerkt hast, bin ich sehr impulsiv und habe Stimmungsschwankungen. Das war auch schon so, bevor ich hierherkam. Ich denke dies liegt hauptsächlich an der Erziehung meiner Eltern, ja genau die, die mich Sumpfwolf genannt haben. Meine Mutter interessierte sich nicht wirklich für mich, ihr Traum war stets ein Mädchen zu gebären, doch ich machte ihr einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Ich verletzte meine Mutter mit meinen ersten Atemzügen, nein sogar schon davor. Aufgrund meiner Geburt, konnte meine Mutter kein weiteres Kind gebären. Ich glaube es waren 3, oder 4 Missgeburten bevor sie schlussendlich aufgab und dazu überging mich zu hassen. Sie redete nur noch mit mir, wenn es unbedingt nötig war und warf mich mit neun Jahren aus dem Haus. Seitdem musste ich bei meinem Vater leben, denn meine Eltern hatten nie zusammengelebt. Eigentlich war mein Vater mit einer anderen Frau verheiratet, er hatte sozusagen eine Affäre mit meiner Mutter. Du denkst, dass ich fortan bei meinem Vater lebte war vielleicht gut, weil ein Vater seinen Sohn verstehen sollte, doch da liegst du gewaltig falsch. Du musst wissen, mein Vater ist ein hohes Tier. Ich werde dir nicht seinen Namen verraten, denn er spielt hier, zwischen uns beiden keine Rolle. Er ist nur ein Teil meiner Vergangenheit und nicht meiner Zukunft. Jedenfalls begann er mich, als ich zehn Jahre alt war, nachdem er von der Arbeit nach Hause kam mich zu schlagen, um seinen Frust an mir auszulassen. Oft sagte er Dinge wie:" Du bist eine Enttäuschung für diese Familie." „Du bist der Sohn einer unwürdigen Frau." „Du bist nicht würdig mein Nachfolger zu sein."
Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, was das mit einem Zehnjährigen anstellte. Ich wollte so sein, wie mein Vater es von mir erwartete. Ich musste aufhören an die Gefühle anderer zu denken, musste aufhören verletzlich zu sein, musste aufhören sanft zu sein, also tat ich das alles. Als ich elf Jahre alt war, war ich bereits verhasst in meiner Klasse, alle fürchteten mein nächstes Opfer zu werden. Am Gang wichen mir meine Mitschüler aus, die Mädchen wagten nicht einmal mehr den Blick in meiner Gegenwart zu heben. Bis ich siebzehn Jahre alt war suchte ich mir jeden Tag nach dem Unterricht jemanden aus, den ich im Schatten des Schulgebäudes schlug und trat, bis dieser um Vergebung bettelten. Weißt du was? Fast kein einziges dieser Kinder, die ich vermöbelt habe, haben mir etwas getan. So sehr ich mich heute dafür schäme, (vor allem, da ich weiß, dass ausgerechnet du diese Zeilen liest) ich habe es genossen, fand immer mehr Freude daran andere zu verletzen und es hörte nicht auf. Als ich die Schule mit siebzehn Jahren abschloss, war mein Vater ausreichend genug stolz auf mich, um mir einen Job anzubieten, eine Führungsposition. Meine Mitarbeiter hatten großes Pech mich als neuen Boss zu haben. Ich schikanierte sie, erniedrigte sie und hatte keinerlei Respekt für sie.
Du willst vielleicht mehr wissen, vielleicht auch nicht, aber ich kann nicht. Ich kann nicht weiter über ein Ich sprechen, dass sich anfühlt, als wäre es eine andere Person. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich mich erinnern muss, dass diese Person ich selbst war.
Ich habe noch immer mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen und das Böse Ich kommt noch immer manchmal hervor, aber ich dränge es zurück, glaub mir. Ich kämpfe dagegen an, weil ich diese Person nicht mehr sein will. Es tut mir leid, wie ich manchmal mit dir geschrieben habe, von Zeit zu Zeit kommt mein altes Ich doch noch hervor.
Zum Glück hatte ich nur wenige Monate in meinem neuen Job, denn eines Tages, als ich in einem Club war, verlor ich aufgrund zu viel Alkohol das Bewusstsein. Und- naja, wachte hier auf. Seit ich hier bin, hatte ich Zeit zu denken. Ich weiß, ein paar Seiten zuvor sagte ich, dass ich nicht denken wollte, aber unbewusst schlichen sich die Schuldgefühle in meine Gedanken, meist wenn ich dich beobachtete. Du, die ihr bestes gibt freundlich zu sein und nett, aber soll ich dir etwas verraten?
Jeder hat eine böse Seite, auch du.
DU LIEST GERADE
Think
RandomDieses Buch ist ein Notizbuch, welches aus einem ganz bestimmten Grund bei dir gelandet ist, denn es ist für dich. Doch von wem stammt es? Lerne die Person hinter dem Büchlein kennen und lerne, dass sie dich schon lange kennt und beobachtet. Eines...