Kapitel 12 - Das Halloween-Desaster

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Menschen sterben jeden Tag. Jeden Tag aufs Neue werden sie beweint. Manche verschwinden unbemerkt.
Menschen leiden jeden Tag. Aus Trauer über eine verlorene geliebte Seele oder wegen ihrer eigenen, lebendigen Seelenschmerzen.
Niemand bleibt von solchem Leiden verschont.
Und jedem Wesen, das diese tiefe Trauer erfährt, wird die Demut vor dem Leben-, aber auch vor dem Tod gelehrt.
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Die letzten Tage vor Halloween vergingen wie im Fluge und die Schüler schienen in freudiger Erregung auf den großen Abend zu warten.
Helin erinnerte sich, dass es ein Festessen geben würde und Hagrid verriet ihr, dass die monströsen Kürbisse in seinem Beet für eben jenes Fest von ihm gezüchtet worden waren.
Sie freute sich auf die Abwechslung und genoss auch die Tage vor dem Fest, in denen die Vorbereitungen bereits liefen und die Schule dekoriert wurde.
Für die junge Aurorin war es etwas Besonderes, denn an ihre eigenen beiden Halloweenfeste in Hogwarts konnte sie sich kaum noch erinnern und in Norwegen wurde dieser Tag nicht im großen Sinne begangen. Anstatt zu feiern, blieb man in den Häusern, während die Geister der Toten draußen umhergehen durften. Ältere Nichtmagier legten Binsen auf die Türschwellen und verbrannten Lavendel und Salbei in ihren Kaminen, um das Haus zu reinigen- eine Tradition, die sie mit vielen Magiern teilten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Während unter den Schülern aller Klassen die übliche Aufregung herrschte, entging Helin nicht, dass einige ihrer Kollegen zwar ebenfalls lächelten und sich voll Elan an den Planungen beteiligten, zugleich allerdings ein wenig unruhig wirkten...oder bedrückt?
Ganz einordnen konnte sie es nicht, doch da war etwas in Minervas Lächeln, in Filius' Art, den Zauberstab zu schwingen, in Pomonas liebenswürdigem Blick...
Severus schien noch abweisender allen Kollegen (und vor allem ihr) gegenüber, als sonst- auch wenn Letzteres kaum noch möglich war. Und Gryffindors Stundenglas in der Eingangshalle büßte dieser Tage verdächtig viele Rubine ein.
Mit jedem Tag, den der 31. Oktober näher rückte, verstärkte sich Helins unbestimmtes Gefühl, dass zumindest im Kollegium eine gewisse Spannung herrschte. Nichts, was unter normalen Umständen wirklich aufgefallen wäre - und vielleicht hätte sie es einfach auf die zusätzliche Belastung der Organisation der Festlichkeiten geschoben. Aber ihr Bauchgefühl mochte diesen Gedanken als Erklärung nicht so recht zulassen und ihrem Instinkt hatte die Aurorin zu trauen gelernt. In diesem Falle jedoch brachte er ihr zumindest keine Antworten.


Die Große Halle bot einen atemberaubenden Anblick und Helin konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, ob sie es in ihrer Schulzeit auch so erlebt hatte.
Die zahllosen Kerzen, welche unter der Hallendecke schwebten, verströmten an diesem Abend einen weitaus unheimlicheren Glanz und lebendige Fledermäuse flatterten zwischen ihnen umher. Hin und wieder stießen die Tiere auf die Köpfe der Schüler hinab, ohne sie jedoch ein einziges Mal zu berühren. Riesige Kürbisse, ausgeschnitzt mit unheimlichen Fratzen und von Kerzen erhellt, zierten die hohen Fensterbänke, die Ecken der Halle und gesellten sich zum Teil sogar schwebend zur Zier der hohen Decke.
Das Wetter passte einmal mehr ganz vorzüglich zu jenem Abend - oder vielleicht hatte auch Professor Flitwick sich ein wenig daran zu schaffen gemacht: den ganzen Tag über war es schon grau und düster gewesen, hatten die Wolken sich zu hohen Bergen aufgetürmt und mit Gewitter gedroht. Der Regen setzte gegen Mittag ein und kurz vor Sechs ertönte der erste Donnerschlag.
Die Atmosphäre war gleichsam bedrückend, wie aufregend und Helin musste sich eingestehen, dass sie ganz von dieser eindrucksvollen Stimmung gefangen genommen wurde. Sie selbst hatte tatkräftig dabei geholfen, einige der Rüstungen in den Fluren durch sich bewegende Gerippe zu ersetzen, die hin und wieder die Schüler erschreckten, indem sie sich im Halbdunkel vor ihnen verneigten und den Zylinder vom Kopf rissen.
Auch die Schulgeister hatten sich...nun vielleicht nicht gerade ‚herausgeputzt', aber sie gaben sich doch alle Mühe, dem allgemeinen Flair gerecht zu werden- und leisteten ganze Arbeit damit.

Als Helin die Große Halle zum Festessen mit ein paar anderen Lehrern betrat, jagte gerade eine geisterhafte Reiterschar quer durch den Saal, von der nur die wenigsten ihren Kopf noch auf den Schultern trugen.
„Das ist...unglaublich..." brachte Helin hervor, die zwar an der Dekoration beteiligt gewesen war, nun jedoch zum ersten Mal alles in seiner Gänze erblickte. Minerva neben ihr schmunzelte. Die Spannung der letzten Tage schien von den Meisten größtenteils abgefallen zu sein. Waren es vielleicht wirklich nur die Vorbereitungen gewesen?
„Man könnte beinahe meinen, Sie hätten das hier noch nie gesehen." Helin hob abwehrend die Schultern.
„So kommt es mir auch vor. Es ist wirklich eine ganze Weile her, dass ich hier war. Und irgendwie...sind die Erinnerungen nicht mehr halb so gut gewesen, wie das Original." gestand sie ein und schmunzelte.
„Warte nur, bis die Schule für Weihnachten dekoriert wird. Das wird dich gewiss erst recht aus der Bahn werfen, wenn du das hier schon beeindruckend findest." murmelte Septima, die sich von hinten über ihre Schulter gelehnt- und den Kopf zwischen Helin und Minerva nach vorn gesteckt hatte. Beide Gesichter wandten sich ihr zu- ein wenig erschrocken. Dann grinsten die drei Frauen...und wurden im nächsten Moment auch schon davon abgelenkt, dass der Hausgeist von Hufflepuff sie mit einem gütigen Lächeln in die Halle winkte.
Er schloss sich den Professoren auf dem Weg zur Lehrertafel an, wobei er ausgiebig versicherte, persönlich dafür Sorge getragen zu haben, dass Peeves das Fest diesmal nicht für seine Zwecke missbrauchen- und die jüngeren Schüler von den anderen Geistern nicht gar zu sehr erschreckt werden würden. In den Vorjahren musste es hier wohl einige Zwischenfälle gegeben haben. Doch im Moment schien niemand in der Stimmung zu sein, diese Dinge für Helin noch einmal aufzuwärmen- und so fragte sie erst gar nicht groß nach.

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