Kapitel 3 - Blicke kalt und warm

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Helin musste feststellen, dass Hogwarts sich zwar vielleicht nicht verändert hatte, seit sie hier unterrichtet worden war, doch wie verwirrend die zahllosen Gänge und die beweglichen Treppen tatsächlich waren, hatte sie eindeutig verdrängt. Nachdem Minerva sie herumgeführt-, ihr die wichtigsten Klassenräume, Versammlungsstellen und die Gemeinschaftsräume der Häuser gezeigt hatte, war Helin dem Ehrgeiz erlegen, den Weg zurück zu ihrem Büro selbst finden zu wollen. Und McGonagall hatte sie gnadenlos sicher ein dutzend Mal falsch abbiegen- oder nicht die richtige Treppe nehmen lassen, ohne sich über die zusätzliche Wegstrecke auch nur mit einem Wort zu beklagen. Statt dessen hatte sie Helin jedes mal nur stumm mit gehobener Braue angelächelt, wenn diese erneut mitten in einem Korridor stehen geblieben war, um festzustellen, dass sie in die falsche Richtung ging. Erst als sie frustriert und ein wenig entnervt die Hände in die Luft warf und laut eingestand, dass sie sich hoffnungslos verirrt hatte, übernahm Professor McGonagall wieder die Führung. Es stellte sich heraus, dass Helins Büro nur noch zwei Biegungen entfernt war.

Der lange Marsch durch die Schule hatte einige Zeit in Anspruch genommen. Somit fühlten sich die beiden Frauen auch rechtschaffen hungrig, als es schließlich läutete und die Schüler von ihren letzten Unterrichtsstunden des Tages erschöpft- aber dennoch laut schnatternd zum Abendessen strömten.
Das ungleiche Paar schloss sich ihnen an, wobei man Helin gelegentlich neugierige Blicke zuwarf. Das mochte vielleicht auch an ihrer etwas ungewöhnlichen Erscheinung liegen, denn sie trug noch immer ihre Reisekleidung, deren wärmere Bestandteile inzwischen als erster Einrichtungsgegenstand den Schreibtischstuhl in ihrem Büro zierten.
"Sind Sie die neue Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste?"
"Klasse! Heißt das, wir sind Snape endlich los?!"
Verdutzt sah Helin sich um und ihr Blick fiel auf zwei junge Rotschöpfe (Erstklässler, ihrer Größe nach zu urteilen), die einander so haargenau ähnelten, dass sie im ersten Moment dachte, etwas stimme mit ihren Augen nicht. Bevor sie jedoch auch nur über eine Antwort nachdenken konnte, ertönte auch schon Minervas barsche Stimme neben ihr:
"Weasley! Achten Sie gefälligst auf ihren Ton, sonst setzt es Strafarbeiten! Und nun Marsch zum Abendessen, Sie werden alles schon noch früh genug erfahren." Mit einem strengen Blick und einer unwirschen Geste scheuchte Minerva die sommersprossigen Jungen vor sich her, die in der Menge verschwanden. Nicht jedoch, ohne sich noch einmal grinsend nach den zwei Frauen umzublicken und dann die Köpfe zusammenzustecken.
"Mit den beiden werden Sie noch Ihre Freude haben." murmelte Minerva Helin zu, ohne die Lippen zu bewegen. "Die Weasley-Zwillinge sind wohl die größten Unruhestifter, die in diesem Jahr an die Schule gekommen sind und das sage ich schon nach nicht einmal zwei Monaten. Sehen Sie zu, dass Sie sie so schnell wie möglich an die Leine bekommen."
Helin rang ein Schmunzeln nieder und nickte, während sie den beiden roten Flecken einen Blick hinterher warf, die in der Schülermenge davon hopsten.

Das Abendessen entpuppte sich als lärmige Angelegenheit und Helin war froh, gemeinsam mit Minerva dort aufzutauchen, während sich noch alle im mehr oder minder großen Chaos einen Platz an den vier großen Haustischen sicherten. Zielstrebig führte McGonagall die junge Frau am Rande des Gewusels hinüber zum Lehrertisch an der Stirnseite, wo Professor Dumbledore sie bereits erwartete. Das Lächeln, mit dem er Helin empfing, war so warmherzig, dass sie nicht umhin konnte, es bereits zu erwidern, noch ehe sie das kleine Podest ganz erreicht hatte.
"Ah, Miss Evenson. Wie ich sehe, sind Sie gut angekommen." mit beiden Händen ergriff er ihre Rechte. "Es freut mich außerordentlich, Sie nach so langer Zeit noch einmal hier in Hogwarts begrüßen zu dürfen. Auch wenn unser letztes Treffen kaum eine Woche zurückliegt." er zwinkerte ihr zu und lächelnd begegnete Helin dem Blick seiner klaren blauen Augen.
"Ich bin unglaublich dankbar für diese Gelegenheit, Sir! Und es ist wundervoll, noch einmal in Hogwarts sein zu dürfen. Minerva war so freundlich mich schon ein wenig herumzuführen." sie nickte in Richtung der Verwandlungslehrerin, die neben ihnen stand und ihren Mund zu einem schmalen, aber ehrlichen Lächeln verzog.
"Wunderbar. Wir werden später Gelegenheit haben, ein paar ruhige Worte zu wechseln und Sie mit dem Rest des Kollegiums bekannt zu machen. Ich werde Sie vor dem Abendessen den Schülern vorstellen. Dann können sie sich während des Essens in aller Ruhe wilden Spekulationen über ihre neue Lehrerin widmen." seine Augen funkelten belustigt und Helin ließ ein leises Lachen ertönen. Dann nahm sie auf Dumbledores Einladung hin neben seinem verzierten Stuhl am Lehrertisch platz.

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