Kapitel 4 - Im Lehrerzimmer

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Im Lehrerzimmer war es behaglich und warm. Ein wenig zu warm schon fast für Helins Geschmack, doch die anderen schienen sich wohl zu fühlen. Scheinbar waren alle verfügbaren Sessel im Raum so zusammengeschoben worden, dass sich die Möglichkeit ergab, vor dem Kamin gemütlich miteinander zu plaudern. Auf einem kleinen Tisch in der Ecke standen Gläser und Getränke bereit und Helin fragte sich unwillkürlich, ob es hier immer so aussah, oder ob jemand das Zimmer genau für diesen Abend vorbereitet hatte. Ihr Blick huschte rein aus Gewohnheit zuerst über die Wände- hin zu den beiden großen Fenstern, hinter denen es bereits dämmerte- weshalb nicht mehr zu erkennen war, auf welchen Teil des Schlossgeländes sie hinaus führten. Weiter zu einem etwas überdimensionierten Schwarzen Brett, an welchem Stundenpläne und eine wahre Flut von Notizen und Zeitungsausschnitten hingen. Und schließlich hin zu einem gewaltigen Kleiderschrank, der sich an der Wand hinter dem langen Eichentisch in die Ecke drückte. Eine schwere Standuhr neben dem Kamin zeigte Fünf nach Sieben.
Die Professoren schenkten sich Getränke ein, und machten es sich in den knautschigen Sesseln gemütlich, wobei Helin sicher drei Mal gefragt wurde, ob sie auch ganz sicher keinen Gin mochte und ob ihr der kleine Schluck Met denn genüge. Als sich schließlich alle gesetzt hatten, begann ein zu Helins Erleichterung recht ungezwungenes Gespräch, in dem die Lehrer sich teils selbst vorstellten oder von ihren Kollegen vorgestellt wurden. Damit blieb es der jungen Aurorin eine ganze Weile erspart, von sich selbst zu erzählen. Denn es gab eine Menge Fragen zu Hogwarts, den Tagesabläufen, Hauspunkten, Schulregeln und Besonderheiten der Fächer, die sie sich neugierig beantworten ließ und bei denen ihr der Großteil der Lehrer nur zu gern weiter half. Einige waren etwas wortkarger als andere. Eine Hexe mit gewaltigen Brillengläsern und mit einer regelrechten Sintflut bunter Seidenschals und Perlenkettchen behangen, stellte sich als Sybill Trelawney vor. Jedes Mal wenn sie Anstalten machte, länger zu sprechen, wurde sie früher oder später von einem schneidenden Blick Minervas unterbrochen und verlegte sich schließlich auf ein beleidigtes Schweigen.
Der Einzige, der die ganze Zeit über jedoch kein einziges Wort sagte, war der große hagere Lehrer mit dem strähnigen schwarzen Haar und der Hakennase, der bisher die Vertretung für Verteidigung gegen die Dunklen Künste übernommen hatte.
Helin mied seinen Blick, denn jeder noch so kleine Teil seiner Erscheinung drückte nur zu deutlich aus, dass er nicht den leisesten Wunsch verspürte hier zu sein. Sie fühlte sich ein wenig schuldig für sein offenkundiges Unbehagen, da Dumbledore ihn scheinbar ihrentwegen dazu genötigt hatte, sich den Lehrern anzuschließen. Unweigerlich fiel ihr auf, dass Severus Snape seinen Platz so gewählt hatte, dass er die große Standuhr im Blick behalten konnte und Helin war froh, nicht darunter zu sitzen, wenn seine schwarzen Augen alle paar Minuten zu dem Ziffernblatt huschten. Er bemühte sich nicht einmal, es zu verbergen- ganz so als wolle er vielleicht sogar, dass sie es mitbekam.
Nun, dafür hätte er sich nicht so sehr ins Zeug legen müssen, dachte sie ein wenig sarkastisch. Helin war durch ihre Aurorenausbildung darauf geschult, feine Veränderunen im Verhalten ihrer Mitmenschen wahrzunehmen und sie zu deuten. Selbst wenn sie es gewollt hätte; sie konnte inzwischen gar nicht mehr anders, als die Haltung, die Sprache, die Gesichtsausdrücke und Blicke von Personen zu analysieren, mit denen sie zutun hatte. Und Snape hätte es selbst einem Anfänger ausgesprochen leicht gemacht.

So überraschte es sie nicht, als der Zaubertranklehrer sich Punkt Fünf nach Acht ruckartig aus seinem Sessel erhob. Professor Sprout, die gerade eine kurze Zusammenfassung der Pflanzen zum Besten gab, die sie in ihren Gewächshäusern züchtete und auf welche Arten diese zu Helins Unterrichtsfach passen könnten, verhaspelte sich mitten im Satz und sah verwirrt zu Snape auf. Auch einige der anderen Lehrer waren unwillkürlich zusammengezuckt, doch niemand sagte etwas. Mit Ausnahme des Zaubertrankmeisters: "Auf mich wartet noch Arbeit. Ich wünsche Ihnen...einen guten Abend..."
Helin, die seine eigentümliche Stimme nun zum ersten Mal in ihrem ganzen öligen Schnarren hörte, schaute ebenfalls hinüber und für einen winzigen Sekundenbruchteil begegnete sie den kalten schwarzen Augen. Dann machte Snape auf dem Absatz kehrt und rauschte aus dem Lehrerzimmer, eine seltsame Stille hinterlassend...die sich jedoch nicht lange hielt.
"Ehrlich gesagt, ich bin überrascht, dass Severus uns überhaupt so lange Gesellschaft geleistet hat..." bemerkte der Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe mit einem Schulterzucken und rutschte in seinem Sessel ein wenig tiefer, damit sein hölzerner Unterschenkel bequemer auf dem Fußpolster lag.
"Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass er überhaupt bleiben würde..." bestätigte Septima und die kurze Anspannung löste sich wieder, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen.
Helins Augen huschten hinüber zu Dumbledore, doch dieser starrte noch nachdenklich auf die geschlossene Tür und als er den Blick wieder in die Runde richtete, hatte Helin den ihren schon abgewandt.

Gletschereis und FrühlingssonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt