Lav

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- Schreibmaschinen Tipp Geräusche -

Willow Green High
Vorplatz, Hauptgebäude

07:48 Uhr

Mein brauner zweireihig geknöpfter Trenchcoat flatterte in der Morgenbrise. Mit schnellen Schritt lief ich auf das Hauptgebäude zu. Umso näher ich meiner Zielperson kam, desto unruhiger tippte mein Zeigefinger gegen den Plastik-Kaffeebecher-Deckel.

"Mr. Andrews! 5 Minuten! Wir müssen uns unterhalten."

Instinktiv griff ich in meine Jackentasche. Doch in ihr befand sich, wenig überraschend, kein Ausweis einer Behörde die Kriminalfällen ermittelte. Meine fehlende ausweisende Autorität machte sich nun bemerkbar, denn meine Zielperson machte keine Anstalten stehen zu bleiben und bewegte sich weiter in Richtung Gebäudeinneres.

"Bobby!" Sofort nahm ich die Verfolgung auf, meinen Kaffee drückte ich der nächstbesten Person in die Hand.

"Bleib stehen!"

In meinem halbschnellen Trottschritttempo rutschte mir meine "coole" Ermittlersonnenbrille von der Nase.

"Bobby!"

Doch meine Verfolgungsjagd sollte erfolglos bleiben.
Die Zielperson sichtete ich ein letztes Mal vor seiner erfolgreichen Flucht in das Männerklo.
Leider blieb mir keine Zeit für eine ausführlichere Observation.

7:55 Uhr

Der Unterricht rief.
Zu meinem Glück verlangte diese Realität keinen Papierkram nach einer erfolglosen Verfolgungsjagd.

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9:45 Uhr

Die Glocken kündigten die allmorgendliche erste Schülervölkerwanderung der Green Willow High an. Auf meinem Weg zu meinem neuen Domizil, dem Spanisch Klassenraum, betrauerte ich meinen noch frischen Verlust. Den vollen Kaffeebecher.

Ein paar Köpfe hinter mir musste sich die Neue anbahnen. Ihre Stimme drang durch das Stimmengewirr zu mir durch.

"Lav! " "Hey!"

Genauso schnell verschluckten die restlichen anwesenden Menschen sie wieder.
Wo war Bobby? Auch er musste hier irgendwo unterwegs sein...
Möglicherweise hatte ich meinen Weg zum Spanischraum schon mit einer Ehrenrunde gekrönt. Die Chance erhöhen die Zielperson an ihrem Spind ausfindig zu machen... Meine erste Runde war erfolglos verlaufen.

Da hüpften wilde braune Locken durch die Menge! 

"Mr. Bobby Andrews!"

Schnell schob ich mich in Position vor seinen Spind.

"Bobbster!"

Mit soviel Nachdruck in meiner Stimme wie möglich, raunte ich verschwörerisch hinterher. 

"Wir müssen reden! Die... Party..."

Er schüttelte seine Locken.

"Nein!"

Meine Zielperson schien wohl nicht kooperieren zu wollen.

"Lass mich in Ruhe!"

Mit einer Hand versuchte ich mich an die Spindwand fest zu saugen wie ein Frosch. Mit der andere griff ich nach Bobbys Arm. Bobby war schneller, befreite sich aus meinem Griff und schob mich zur Seite.

"Der Seeabend... Erinnerst du dich?"

"Geh einfach!"

"An was kannst du dich noch erinnern! Ich hab niemanden gesehen, aber saß die ganze Zeit ja auch etwas ungünstig...."

Er knallte die Spindtür zu und entfernte sich mit schnellem Schritt. Sie sprang wieder auf.

"Bobby", zischte ich so bedrohlich autoritär wie man Zischlaute eben hervorbringen konnte. Gleichzeitig schloss ich seine Spindtür, schnappte meine Umhängetasche und folgte ihm.

Er war noch immer nicht gewillt zu kooperieren. Dann war es jetzt wohl Zeit für härtere Maßnahmen.

"Bobby!"

"Nein!"

Im Gehen hatte er sich kurz umgedreht nur um mir mit großer Geste zu signalisieren, dass wir nicht reden würden.

"Pass auf Alter!"

In einer ausladenden X Bewegung seiner Arme hatte er sein Chemiebuch in die Magengrube seines ehemaligen Ruderkollegen Knox Garcia gesetzt. Ich nutze diese Millisekunde seiner Verwunderung und zog ihn am Arm weg. Im Vorbeigehen murmelte ich "Entschuldigung" in Richtung der Schrankversion von Antonio Banderas und schon waren wir verschwunden. Wie auf Autopilot gestellt, zog ich Bobby weiter mit. Meine Hand grub sich dabei wohl etwas zu weit in sein Handgelenk, aber besondere Momente erforderten erhärtete Maßnahmen. Die Tür zu meiner linken erschien mir eine willkommene Möglichkeit zu sein. Schnell drückte ich die Klinke herunter, stieß die Tür auf und stumpte meinen Verdächtigen unsanft hinein. Seine Protestrufe ignorierte ich. Schnell folgte ich und schloss die Tür. Es war dunkel und eng.

"WAS soll das Lav!?"

Bevor ich antworten konnte, verlor ich den Halt. Der Gegenstand der eben noch unter meinen Füßen Platz gefunden hatte, fiel in entgegengesetzter Richtung gegen die Wand. Meine Füße fanden vor mir keine neue Stellfläche und so kippte ich unkontrolliert nach vorne. 

Meine Hände krallten sich in etwas Weiches vor mir. 

Es schepperte und wurde Licht.

Ah. Wir befanden uns in der Abstellkammer. Natürlich.

Schnell sammelte ich mich wieder und strich Bobbys Jacke glatt, die mir eben noch als sicherer Hafen für meine Notlandung gedient hatte.

"Kannst du dich noch erinnern?"

"Ja! Offensichtlich!"

"Hast du jemanden gesehen? Der ... uns... gesehen hat? Hast du jemanden davon erzählt? Oder nur Anmerkungen gemacht? Irgendwas? Was hast du Mao gesagt?"

"NEIN! Nichts!" Er schubste mir den Putzwagen mit Mopp, der zwischen uns stand, entgegen. "Bitte! Lass mich in RUHE!" Er schlüpfte an mir vorbei und fügte seinem Abgang ein argwöhnisches "Verdammte Irre" hinzu.

Mein Mopp und ich blieben alleine zurück.

Was am Ende bleibt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt