Kapitel 5 - Nudeln mit Ente

305 40 176
                                    

Der restliche Nachmittag zog sich nicht bloß wie Kaugummi, sondern glich gegen Ende auch immer mehr einem besonders ausgelutschten Exemplar

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Der restliche Nachmittag zog sich nicht bloß wie Kaugummi, sondern glich gegen Ende auch immer mehr einem besonders ausgelutschten Exemplar. Sylvias Stimmung hatte einen absoluten Tiefpunkt erreicht.

Die Sorgen um Caros Mutter hatten sich in ihren Gedanken festgesetzt und sie hoffte inständig, dass sich ihr Zustand wieder verbessern würde. Sie hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, dass sie um ihren Mädelsabend trauerte, wo doch Caro so viel größere Sorgen hatte als eine entgangene Lasagne und einen Kinofilm. Sie sollte sich glücklich schätzen, dass ihre eigene Mutter kerngesund war und auch sonst niemand, der ihr nahestand, von einer plötzlichen Krankheit heimgesucht worden war.

Die letzte Sitzung hatte sie nur mehr mit halber Aufmerksamkeit verfolgt. Gespräche über Budget hatten eine eigenartig einschläfernde Wirkung auf sie.

Vielleicht sollte sie einfach versuchen, dem ganzen Dilemma doch noch etwas Positives abzugewinnen. Sie saß nun zwar hier an der Uni fest ohne eigenes Auto, aber sie könnte ja einfach Edgar in seinem Büro überraschen. Sie könnte noch kurz zum Chinesen in der Nebenstraße flitzen und dort zwei Nudelboxen mit Ente für sie beide besorgen und dann könnten sie sich einen netten Abend im Büro machen. Wer weiß, vielleicht käme sein großer Schreibtisch auch mal wieder zu Ehren.

Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Grinsen zurückzuhalten. Plötzlich sah der Abend doch nicht mehr ganz so düster aus. Edgar würde ganz schön staunen, wenn sie nicht nur mit Essen, sondern auch mit einem anzüglichen Ansinnen in seinem Büro auftauchen würde. Sie rutschte auf ihrem Sessel hin und her und schielte ungeduldig auf die im Schneckentempo dahinschleichende Wanduhr.

Gut gelaunt und mit zwei heißen dampfenden Nudelboxen bewaffnet, machte sich Sylvia knappe dreißig Minuten später auf den Weg zum benachbarten Gebäude, in dem das Institut für Wirtschaftsrecht untergebracht war. Edgars Büro lag im ersten Stock und war um einiges größer als ihr Fitzelchen von einem Büro, das mehr einer Besenkammer glich. Nicht nur wegen der Größe, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass er es ganz für sich alleine hatte, beneidete sie ihn um seinen bequemen Arbeitsplatz. Nicht, dass sie jemals bereit dazu gewesen wäre, das laut vor ihm zu sagen. Sein Ego war schon groß genug, das brauchte nicht noch künstlich aufgebläht zu werden.

Die Dämmerung legte sich bereits wie eine dunkelblaue Decke mit feinen rosa und lila Streifen über die Welt, als Sylvia federnden Schrittes die ausladenden Stufen zu dem mächtigen Sandsteingebäude hinaufstieg, um dann unter den stets gebeugten Atlanten zum Stehen zu kommen. Die gigantischen Figuren, die seit eh und je das schwere Holzportal flankierten, waren gerade erst vor kurzem vom Schmutz des letzten Jahrhunderts befreit worden und erstrahlten nun in neuem Glanz. An der Eingangsbeleuchtung hatte man jedoch gespart. Die war um einiges zu grell und tauchte ihre Gesichter in ein gespenstisches Spiel aus Licht und Schatten. Die düsteren Herren wirken wie bedrohliche Götter aus längst vergangenen Zeiten und schienen sie aus ihren leeren Augen geradezu warnend anzustarren. 

Entlieben - Wenn Herzen heilenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt