Kapitel 9 - Ein Freundschaftsdienst

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„Sag mal, bist du lebensmüde?" Natalias Stimme war mindestens eine Oktave höher geklettert als sonst, gefährlich nahe dran am hysterischen Kreischen

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„Sag mal, bist du lebensmüde?" Natalias Stimme war mindestens eine Oktave höher geklettert als sonst, gefährlich nahe dran am hysterischen Kreischen. Hoffentlich waren die Wände hier dick genug, damit Sylvia nicht in ihrer Nachtruhe gestört würde.

Nachdem er Sylvia in das größere Schlafzimmer einquartiert hatte, das mit dem besseren Ausblick auf den Garten, hatte Armand das neben ihr liegende bezogen, obwohl er als Gott natürlich keinen Schlaf brauchte. Eigentlich hatte er sich ja vorgenommen, sofort nach Wolkenstadt zurückzukehren, aber der Anblick von Sylvias erschöpftem Körper, begraben unter einem Haufen weicher weißer Daunendecken, hatte in ihm einen bisher ungekannten — oder vielleicht nur verschüttet geglaubten — Beschützerinstinkt geweckt. Ein wenig mehr Zeit musste schon noch drin sein.

Es wäre sicher nicht förderlich für Sylvias Wohlbefinden, wenn sie morgen früh in einem ihr fremden Haus, vollkommen alleine, aufwachen würde. Was, wenn sie noch einmal versuchen würde, sich das Leben zu nehmen? Nein, das konnte und wollte er nicht riskieren.

Also hatte er beschlossen, endlich doch Natalia anzurufen. Und es fast sofort wieder bereut.

Er hatte das Handy auf dem Nachtkästchen geparkt und starrte angespannt auf den Bildschirm. Blöderweise hatte er seine Kopfhörer in Wolkenstadt vergessen und noch keine Zeit gehabt, hier nach welchen zu suchen, also wischte er den Lautstärkeregler so weit nach unten, bis ihre Stimme nur mehr als gedämpftes Schnattern den Raum erfüllte.

„Weißt du eigentlich, was Mr. Z hier oben für eine Show abzieht?"

Armand sog einmal tief Luft ein und ließ den Luftstrom dann langsam zwischen seinen Lippen entweichen. Sein Blick wanderte zu dem Fenster, vor dem der nächtliche Sternenhimmel prangte. Ein dünner Vorhang, der ihn für einen kleinen Moment abschirmte von der kaltherzigen Ewigkeit, die oben auf ihn wartete wie ein Gefängnis ohne Fluchtweg.

Nein danke, er brauchte keine Details von Natalia, um sich vorstellen zu können, was oben in Wolkenstadt abging. Mr. Z war berühmt für seinen Unmut, wenn es um Verletzungen der Dienstpflicht ging. In lebhaften Farben konnte er sich ausmalen, wie das faltenlose, sonst wie gebügelt wirkende Gesicht, die Farbe und Textur einer überreifen Tomate annahm, und seine sonore Stimme sich dem Brüllen eines brünstigen Stiers annäherte. In ganz schwerwiegenden Fällen war sogar der elegante Glasschreibtisch von Mr. Z schon Opfer seiner Ausbrüche geworden. Keine Ahnung beim wievielten Modell er zurzeit war.

„Tut mir leid. Ich hatte einen Notfall und dann sind die Dinge anders gelaufen als erwartet."

„Einen Notfall? Für sowas bist du doch gar nicht zuständig. Du weißt doch wie pingelig Mr. Z ist, wenn es um Überschreitungen des Kompetenzbereiches geht. Das ist fast genauso schlimm wie unangemeldet zu verschwinden. Und beides zusammen? Ich muss dir wohl nicht sagen, dass das in etwa einem mittleren Wolkenbeben gleicht. Willst du wirklich, dass dich Mr. Z auf deine alten Tage noch feuert? Ist dir dein Status als Unsterblicher wirklich so wenig wert, dass du ihn so mir nichts dir nichts aufs Spiel setzt? Hast du mal an mich gedacht? Wo bist du überhaupt?"

Entlieben - Wenn Herzen heilenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt