1 4 | m a s o c h i s t

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SCOTT RICHTETE EINS seiner berühmten Dinner aus und ich suchte tagelang vergeblich nach einer Ausrede, um nicht hingehen zu müssen.

Ein paar mal im Jahr öffnete Scott Keller die Türen seiner Millionenvilla, ließ ein Fünf-Gänge-Menü aufbereiten und lud wichtige Geschäftspartner, enge Freunde und einige Mitarbeiter zu sich ein. Dieses Jahr war bereits das vierte Jahr in Folge, dass ich an dem endlos langen Esszimmertisch sitzen und seinen teuren Wein trinken würde. Valentina, die Ärmste, wartete bis heute noch auf ihre Einladung.

Ich fuhr mit meinen Fingern ein letztes Mal über den Stoff meines kurzen, schwarzen Kleides, das am Ausschnitt asymmetrisch geschnitten war und nur einen Ärmel besaß, während der andere Arm schulterfrei war. Es war aufregend genug, als dass ich es zu einem von Scotts Dinnern tragen konnte und schlicht genug, um in der Menge unter zu gehen.

Meine Knie waren weich, als der Fahrer mir die Tür öffnete und ich einen in meinen Dior-Pumps gekleideten Füßen auf dem Asphalt abstellte. Ich war schon eine Handvoll Male bei Scott Zuhause gewesen, doch der Anblick seines Heims erfüllte mich jedes Mal mit einer Ehrfurcht, die ich nur schwer verbergen konnte. Ein Herrenhaus, in etwa zehnmal so groß wie mein vier Zimmer-Apartment, das mich ein Vermögen kostete und mit hohen Fensterfronten, die zu dieser Uhrzeit das Licht aus dem Innenbereich sanft auf die Einfahrt fallen ließen.

Ich hörte bereits das gedämpfte Stimmengewirr, als ich die Auffahrt hinauf schritt und vor der massiven Holztür, die mich um einiges überragte, zum Stehen kam. Ich nahm einen letzten Atemzug, dann drückte ich den vergoldeten Klingelknopf durch.

Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde. Ich nutzte diesen Augenblick, um zu überdenken, ob ich nicht doch lieber verschwinden sollte, jetzt wo ich es noch konnte.

Gerade spielte ich mit dem Gedanken, mich wieder auf den Heimweg zu machen, da wurde die übergroße Haustür aufgezogen. Von niemand anderem als Scott, im faltenfreien Hemd und Anzugshosen, die dunklen Haare ordentlich gelegt. Er sah so gut aus, dass es beinahe schmerzte, ihn zu lange anzusehen.

Ihn so ausgiebig zu betrachten, war etwas, was ich mir in den letzten Wochen selbst verboten hatte. Es war ein Selbstschutz, weil ich wusste, dass ich mit jedem Blick, den ich ihm schenkte ein wenig tiefer in das schwarze Loch fiel, das sich seit Italien unter mir geöffnet hatte.

Ich beobachtete, wie seine dunklen Augen über meinen Körper wanderten, das schwarze Kleid musterten, an meinen nackten Beinen hängen blieben, nur um mir dann wieder ins Gesicht zu sehen.

„Natalie", sagte er schließlich und der heisere Ton seiner Stimme ließ mein Herz in meinen Magen sinken. „Du bist spät dran."

Etwas sprachlos erwiderte ich seinen Blick. Ich hatte Zeit geschindet, indem ich einige Aufgaben im Büro erledigt hatte, denen ich mich auch problemlos zu einem anderen Zeitpunkt hätte widmen können - wie beispielsweise die Akten in meinem Schrank neu zu sortieren. Als ich dann schließlich nach Hause gekommen war, hatte ich mich so oft umgezogen, dass mein Kleiderschrank nun aussah, als hätte er eine Atombombe abbekommen. Es war meine Art gewesen, das herauszuzögern, von dem ich wusste, dass es früher oder später kommen würde. Ein Gespräch mit Scott, das nicht in den Wänden seines Büros stattfand.

„Tut mir leid", brachte ich schließlich hervor und spielte nervös mit meiner Clutch herum. „Der Verkehr war die Hölle."

Ich war eine Lügnerin und Scott wusste es. Ich sah es in seinen dunklen Augen, in denen etwas aufblitzte, das ich nicht entziffern konnte. Vielleicht war es Enttäuschung.

Vielleicht hatte er mich all die Jahre für eine ganz andere Person gehalten - und jetzt, wo er merkte, wie falsch er gelegen hatte, indem er mich idealisierte, verlor er endgültig das Interesse.

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