2 5 | i m m e r n u r d u

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ICH MACHTE MIR nicht die Mühe anzuklopfen. Ohne Vorwarnung öffnete ich die Tür, die zu dem Gästezimmer führte, das Scott die nächsten Tage über belegen würde. Meine Augen huschten eilig über das gemachte Bett, seinen Koffer, der halb offen vor seiner Kommode lag und dann zu Scott, der daneben stand und sich gerade das Hemd von den Schultern streifte.

Ich zwang mich, seine gebräunte Haut und die Muskeln in seinem Rücken, die sich bei jeder Bewegungen anspannten, nicht zu beachten. Stattdessen legte ich all meine Frustration in meine nächsten Worte.

"Warum hast du es mir nicht gesagt?"

Überrascht, so als hätte er gar nicht gemerkt, dass ich seine Zimmertür soeben aufgerissen hatte und hineingestürmt war, ohne anzuklopfen, wandte er sich zu mir um.

Statt dem genervten Ausdruck, den ich erwartet hätte, weil ich ungefragt eingetreten war, spiegelte sich eine Mischung aus Sorge und Verwirrung in seinem Blick.

"Von was redest du, Nat?"

Ich schloss die Tür mit Eindringlichkeit hinter mir. "Vielleicht davon, dass du vergessen hast zu erwähnen, dass Cassie auch hier sein wird."

Scotts Gesichtszüge wurden augenblicklich weicher. "Tal, sie ist eine Freundin der Familie. Unsere Eltern kennen sich schon seit Ewigkeiten. Sie feiern Thanksgiving zusammen, seitdem ich denken kann."

Ich versuchte mich nicht allzu sehr auf seinen nackten Oberkörper zu konzentrieren, während er sich nach dem Stapel gefalteter Hemden in seinem Koffer bückte. "Und warum hast du mir dann nicht einfach gesagt, dass sie kommt? So etwas wie 'Hey, Natalie, meine Exfreundin wird übrigens auch da sein, wenn wir allen von unserem gemeinsamen Kind erzählen wollen' hätte schon voll und ganz ausgereicht."

Scotts Kiefer mahlte gefährlich. "Wärst du denn dann gekommen?"

"Natürlich nicht", entgegnete ich aufgebracht. "Ich bin schließlich kein Masochist."

"Es wird nicht so schlimm, wie du befürchtest", meinte er und schüttelte den Kopf. "Cassie ist nur etwas ... kompliziert."

"Sie hasst mich", brachte ich hervor. "Und sie betet dich geradezu an. Ich versuche wirklich, mich zurück zu halten. Aber wenn sie die nächsten Tage genauso an dir klebt wie in Italien, weiß ich nicht, ob ich hier bleiben kann."

Scott, der sich ein frisches Hemd übergezogen hatte, hielt inmitten des Knöpfens inne und blickte zu mir auf. "Nat-"

"Ich weiß, dass ich absolut kein Recht dazu habe", unterbrach ich ihn, plötzlich den Tränen nahe. "Aber sie war deine erste Liebe, Scott. Und ich bin nur deine ehemalige Assistentin. Ich bin niemand."

Ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm, diese Worte auszusprechen. Es waren dieselben Gedanken, die bereits in Italien in meinem Kopf herumgeschwirrt waren und mich seitdem zu verfolgen schienen. Weil die Beiden eine Vergangenheit teilten. Sie waren durch ihre Kindheit miteinander verbunden und die Freundschaft ihrer Eltern würde ihre Leben für immer überschneiden lassen.

Scott, der ohrenbetäubend laut geschwiegen hatte, ließ die Hände sinken, die bisher mit den Knöpfen seines Hemdes gekämpft hatten. Seine Züge waren eingefroren, während sein Blick schwer auf mir lag.

"Nat", sagte er schließlich. "Was redest du denn da?"

Plötzlich fühlte ich mich dumm. Weil Scott meine Unsicherheit nicht nachvollziehen konnte. Weil er Scott Keller war, der seinen Erfolg mit in die Wiege gelegt bekommen hatte. Er war niemals minderwertig gewesen. Und ich, ich hatte ein ganzes Leben davon hinter mir.

"Es tut mir leid", flüsterte ich, weil ich meiner Stimme nicht traute. "Ich weiß nicht, was ich da sage. Ich sollte..."

Scott, der mich noch immer betrachtete, als wäre ich eine völlig andere Person, jemand der ihm völlig fremd war, machte einige Schritte auf mich zu. "Meinst du das ernst? Das, was du gerade gesagt hast?"

the one i want | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt