MEINE HÄNDE ZITTERTEN, als ich nach dem Bilderrahmen auf meinem Schreibtisch griff, der das Bild von mir und meinem Vater auf meinem High School Abschluss zeigte. Während mein strahlendes Lächeln aufgezwungen wirkte und jeden Moment zu verrutschen drohte, hatte er sich nicht bemüht, der Kamera oder der Nachwelt etwas vorzuspielen. Seine Miene war beinahe ausdruckslos und ich wusste noch genau, wie sehr ich mir gewünscht hatte, der Tag würde schneller vorübergehen aus Angst, jemand würde den billigen Whiskey in seinem Atem riechen.Vermutlich wäre es angemessener gewesen, ein Bild meines Collegeabschlusses einzurahmen und aufzustellen, doch zu dieser Feierlichkeit war er schon gar nicht mehr erschienen. Er war zu betrunken gewesen, um noch zu wissen, welchen Tag wir hatten und ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, ihn daran zu erinnern. Stattdessen hatte ich mein Diplom abgeholt, mich mit Kommilitonen fotografieren lassen und war mit ihnen in einen Club gegangen, um für kurze Zeit auf dieselbe Weise alles auszublenden, wie mein Vater es seit Jahren tat.
Mit einem letzten tiefen Atemzug riss ich mich von dem Bild los und legte es in den Pappkarton zu den anderen persönlichen Dingen, die ich in meinem Büro aufbewahrt hatte. Als ich mich umschaute, musste ich feststellen, dass mein Arbeitsplatz bereits viel weniger besetzt aussah. Ich öffnete ein letztes Mal die Schubladen, die nun leergeräumt waren und kontrollierte, ob ich auch nichts vergessen hatte. Ich würde nur ungern noch einmal zurückkehren, wenn ich erst einmal gegangen war.
Meine Fingerspitzen streiften die Oberfläche des Schreibtisches und eine merkwürdig taube Traurigkeit durchzuckte mich. Weil ich hier so viel gelernt hatte. Weil ich diesem Job alles zu verdanken hatte, was ich mir bisher aufgebaut hatte.
Es war bereits nach neun Uhr an einem Freitagabend, was bedeutete, dass nur noch obligatorische Krisenteams im Haus waren und niemand beobachten konnte, wie ich mein Büro räumte. Ich hatte Valentina bereits eine Notiz bereit gelegt, die sie wahrscheinlich erst entdecken würde, wenn sie am Montagmorgen wiederkam. Meine Kündigung dagegen lag bereits auf Scotts Schreibtisch. Er würde spätestens morgen früh wieder ins Büro kommen. Auf das Gespräch, das daraufhin folgen würde, musste ich mich mental erst einmal vorbereiten.
Ich schnappte mir meinen Mantel, der über der Stuhllehne geruht hatte und zog ihn mir über. Ein Blick auf mein Handydisplay sagte mir, dass Helena bereits in einem Wagen unten auf mich wartete. Dass sie mich heute Abend nicht alleine ließ, nahm mir eine enorme Last von den Schultern.
Gerade wollte ich nach dem Karton mit meinen persönlichen Gegenständen greifen, da ertönten energische Schritte im Flur. Ich sah auf, in der Hoffnung, dass es nur einer der Angestellten war, der sich einen dringenden Kaffee besorgen wollte, als ich die Person in meinem offenen Türrahmen entdeckte, die ich unter keinen Umständen sehen wollte.
Scott stand in der Tür meines Büros und sah nicht sonderlich glücklich aus. Als ich den Stapel Papier in seiner Hand erkannte, den ich vor zwanzig Minuten erst auf seinem Schreibtisch abgelegt hatte, sackte mir mein Herz in den Magen.
"Was zur Hölle ist das, Natalie?"
Ich konnte nur dastehen und ihn anstarren, während mir heiß und kalt zugleich wurde. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich war fest davon ausgegangen, dass er bis in die späten Abendstunden mit William im Studio sein würde. Und ganz sicher war ich nicht davon ausgegangen, dass er noch einmal einen Zwischenstopp in seinem Büro machen würde.
Seine Augen huschten über meine Gestalt, den vollen Karton vor mir und die leeren Regale hinter mir. Sein Kiefer spannte sich sichtlich an, als sein Blick wieder auf mich fiel. "Was zum Teufel tust du da, Nat?"
Ich zwang mich, nicht völlig die Fassung zu verlieren. Ich wollte das hier. Ich brauchte das hier.
"Ich kündige", sagte ich schließlich und hoffte, dass ich mich nicht so schwach anhörte, wie ich mich fühlte. "Ich kann das nicht mehr. Ich... kann einfach nicht mehr. "
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the one i want | ✓
Romance❝Sag mir, dass ich aufhören muss.❞ Scotts Stimme klang rau, beinahe heiser und als ich meine Augen öffnete, stellte ich fest, dass in seinen Augen das dunkle Verlangen genauso sehr tanzte wie in meinen eigenen. ❝Denn das sollte ich.❞ ❝Das solltest d...