2 4 | d i e s c h ö n s t e n d i n g e

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ICH HATTE IMMER gewusst, dass Scott aus einem wohlhabenden Elternhaus kam. Vielleicht lag es daran, dass er nach dem College keine Studienkredite abbezahlen musste und stattdessen direkt in sein eigenes Plattenlabel investieren konnte, oder dem Eindruck, dass Designerware für Giulia keine große Besonderheit war. Auf ihrer und Logans Hochzeit waren fünfhundert Gäste geladen und ein ganzes Hotel in der Toskana war durch die Beiden ausgebucht gewesen. Aber wenn ich an den Familiensitz in Washington gedacht hatte, hatte ich trotz allem nicht das Herrenhaus erwartet, das ich durch die Frontscheibe erkennen konnte, als Scott den Mietwagen die ewig lange Auffahrt hinauf manövrierte.

Riesige Grünanlagen mit perfekt getrimmten Rollrasen säumten das Gebäude, das mindestens vier Stöcke in die Höhe ragte. Festliche Dekorationen schmückten die riesige Eingangstür, die mir bereits einen Eindruck davon verschaffte, was mich im Inneren erwarten würde.

Scott lenkte den Wagen neben einer Reihe anderer Sportwagen, jeder davon teurer als der vorige. Obwohl ich seit fünf Jahren in der Musikindustrie arbeitete und schon einiges gesehen hatte, schien ich gegen endlosen Reichtum noch immer nicht abgehärtet zu sein.

Ich spürte Scotts Blick auf mir und zwang mich dazu, meinen Blick von dem protzigen Herrenhaus abzuwenden. Er hatte den Schlüssel bereits aus der Zündung genommen, schien jedoch darauf zu warten, dass ich etwas sagte.

"Du hättest mich warnen können", meinte ich irgendwann, wobei ich mich zu einem Lächeln zwang, doch ich hörte selbst wie meine Stimme wackelte. "Hätte ich gewusst, dass deine Eltern im Weißen Haus wohnen, hätte ich es mir vielleicht noch einmal überlegt."

Scotts Mundwinkel zuckten, doch ich sah ihm an, dass meine Verunsicherung nicht spurlos an ihm vorbeiging. "So schlimm ist es nicht."

Ich war beinahe sprachlos. "Scott, euer Poolhaus ist größer als das Haus in dem ich aufgewachsen bin."

Er griff über die Mittelkonsole hinweg nach meiner Hand. "Aber es sind immer noch meine Eltern, Tal. Die, die du schon seit Jahren kennst. Sie sind nicht plötzlich anders, nur weil sie ein großes Haus haben."

"Eine Villa", verbesserte ich. "Der Buckingham Palace hat übrigens angerufen und will seinen Bauplan wieder."

Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Augen verdrehte. "Jetzt übertreibst du."

Ich schnaubte leise, griff aber nach meinem Sicherheitsgurt. Scott stieg aus, umrundete den Wagen und öffnete die Beifahrertür für mich, bevor ich dazu kam. Nachdem ich meine Handtasche aus dem Fußraum genommen hatte, machten wir uns über die Kiesauffahrt zum Eingang. Meine Pumps streikten, als sie den unebenen Untergrund streiften und ich hielt mich an Scotts Arm beinahe reflexartig fest, während er mir nur ein spöttisches Lächeln schenkte.

"Was ist mit unserem Gepäck?", fragte ich, als wir die halbe Auffahrt bereits passiert hatten. Ich dachte an meinen überdimensionalen Koffer, in den ich wieder einmal viel zu viele Kleidungsstücke gepresst hatte. Dieses Mal konnte ich es jedoch auf den Umstand schieben, dass ich fürchtete nichts zu finden, was die kleine Wölbung verdeckte, die in der letzten Woche einen weiteren minimalen, aber bei genauerem Hinsehen eben doch existenten Satz gemacht hatte. Das schwarze Chanel-Minikleid, das ich gerade trug fiel in A-Linie und würde hoffentlich keine Spekulationen verursachen.

"Das hole ich später", erwiderte Scott und warf einen kritischen Blick auf meine Füße, als ich beinahe ausrutschte. "Lass uns erstmal heil drinnen ankommen."

Ich wollte ihm einen finsteren Blick zuwerfen, konnte das Lächeln jedoch nicht unterdrücken. Besonders nicht, wenn er wieder einmal so gut aussah wie heute. Er trug schwarze Anzughosen und ein weißes Hemd, das seine Schultern gerade zu umschmeichelte. Es fiel mir schwer, mich auf den Weg zu konzentrieren.

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