Kapitel 20

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Lina

Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis wir wieder bei unseren Häusern ankamen. Ich stieg über ein paar niedrige Krüppelbüsche, die wohl das Vollgenie, das vor uns hier gewohnt hatte, nicht ordentlich gepflegt hatte und blickte erleichtert mein Haus an. Leider hielt die Erleichterung nicht lange an, als ich das Auto meiner Eltern entdeckte. „MEIN GOTT LINA, WAS IST DENN MIT DIR PASSIERT?“ Die schrille Stimme meiner Mutter zerriss mir beinahe das Trommelfell, während die Gehörzellen meiner Freunde wohl alle gerade abstarben. Tja, schön blöd, wenn man als Vampir oder Werwolf ein sensibleres Gehör hat, irgendwo muss man als Mensch doch Vorteile haben. „Öh…hi Mama.“ Ich setzte schnell ein Lächeln auf, um sie zu beruhigen, doch sie schien nur noch hysterischer zu werden. „WARUM BIST DU VOLLER BLUT?“ Sie war kurz davor in Ohnmacht zu fallen. „ALEX!!!“ Einen Moment lang passierte nichts, dann schlurfte mein Bruder gemächlich in den Garten. „Was ist?“, fragte er gelangweilt, wahrscheinlich hatte meine Mutter ihn gerade vom Zocken abgehalten. „DU SAGTEST LINA WÄRE AUF EINEM SPAZIERGANG!!!“ Wow, und ich dachte schon, ich wäre die Hysterische in dieser Familie. „Ja keine Ahnung, nicht mein Problem.“ Er drehte sich um und ging wieder hinein. „Hey, Linchen, wo warst d…“ Meinem Vater, der gerade um die Ecke kam, verschluckte sich bei meinem Anblick an seiner eigenen Spucke. Maude neben mir begann hinter vorgehaltener Hand zu kichern. „Linchen…“ Mein Vater hatte mich nicht gerade ernsthaft Linchen genannt, oder? Nichts dagegen, wenn er mich als sein kleines Mädchen sah oder sonst irgendetwas, aber mich vor meinen Freunden Linchen zu nennen, das ging zu weit. Außerdem reagierte er ähnlich hysterisch wie meine Mutter. „Wer auch immer das getan hat, ich töte ihn…“, knurrte er und machte mir für einen Moment wirklich Angst. „Na los, Erklärung, jetzt!“, befahl er mit einem irren Blick. „Naja, also, wir…“ Verzweifelt blickte ich Jake an, in der Hoffnung, er hätte eine gute Ausrede parat. „Wir waren wirklich spazieren.“, warf Maude ein. „Denkt ihr ernsthaft, ich bin so naiv und glaube euch das?“ Mein Vater sah so aus, als würde er gleich explodieren. „Wir üben ein Theaterstück.“, schoss es auf einmal aus Jake und er setzte ein perfektes Lächeln auf. Ein Theaterstück? Das letzte Mal, als ich Theater gespielt hatte, war ich vor dem Auftritt panisch aus dem Raum gerannt und hatte mich in einem Müllcontainer versteckt. Seitdem drückte ich mich vor jeder Art von Bühne oder Auftritt. „Nun ja, eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden, aber da wir uns leider heute mit der Rückkehr verspätet haben, können wir das jetzt ja vergessen. Tut mir leid, falls wir ihnen Sorgen bereitet haben.“ Jake blickte meinen Vater entschuldigend an und es schien ihm tatsächlich zu gelingen, ihn zu überzeugen. „Ich bin übrigens Jake Greywoods, ich wohne nebenan.“ Er streckte höflich seine Hand aus, doch mein Vater ignorierte ihn, und wandte sich murmelnd ab. „Na dann freue ich mich schon, wenn ich euer Stück demnächst bald sehen könnte.“ Wenn er das so sagte, dann bedeutete es meistens, dass er uns alle lynchen würde, wenn wir ihm nichts zeigen konnten. „Braucht ihr dafür wirklich so viel Kunstblut?“, fragte meine Mutter entsetzt. „Es ist ein sehr dramatisches Stück.“, entgegnete Maude mit ernster Miene und nickte. „Worum geht es denn?“, fragte meine Mutter, die im Gegensatz zu meinem Vater eher naiv und leider sehr neugierig war. Auf diese Frage hin ergriff Jared die Initiative. „Nun ja, es geht um ein Mädchen, das in eine Stadt zieht, in der Werwölfe und Vampire leben und sie sich unsterblich in einen Werwolf verliebt, aber ein eifersüchtiger und wahnsinniger Vampir versucht, ihre Liebe zu zerstören.“ „Ich spiele übrigens den Werwolf.“, fügte Jake hinzu und starrte ihn wütend an. „Nein, tust du ni…“ Jared räusperte sich, immerhin stand meine Mutter noch immer bei uns, und redete weiter. „Stimmt, Jake passt perfekt in diese Rolle, denn der Werwolf hat weder einen akzeptablen Kleidungsstil, noch auch nur das geringste Bisschen an Manieren.“ „Und der Vampir hat die Angewohnheit, wochenlang nicht zu duschen und ein komisches Muttermal auf seinem Rücken, das immer größer und größer wird.“ „Vampire riechen doch generell verdorben, da bringt auch Duschen nichts mehr.“ „Besser verdorben riechen, als es im tiefsten Inneren zu sein, so wie es Werwölfe sind.“ „Das Beste kommt zum Schluss“, fügte ich hinzu. „Das Mädchen erträgt die ganzen Kämpfe zwischen den beiden nicht mehr und stürzt sich von einem Hochhaus. Ende.“ „Und tötet dabei eine Passantin am Gehweg, die am nächsten Tag heiraten wollte. Irgendwen muss ich ja auch spielen.“ Maude lachte. „Ich denke, ihr solltet das Drehbuch noch ein wenig überarbeiten.“, meinte meine Mutter und blickte uns zweifelnd an. „Schade, mir gefällt die Geschichte.“, erwiderte Maude trocken. „Wie auch immer, ihr seid also Linas neue Freunde?“, fragte meine Mutter und alle drei nickten. „Es freut mich, dass Lina so nette Leute wie euch gefunden hat und das, obwohl wir gerade erst angekommen sind. Aber nur zur Sicherheit, ihr gehört doch hoffentlich nicht zu einer dieser Fight-Gangs, oder?“ „Dürfte ich fragen, was das sein soll?“, fragte Maude und hob eine Augenbraue. „Mein Mann hat mir erzählt, dass nachts ein paar Gruppen Jugendlicher im Wald miteinander kämpfen würden, bisher wurden sie aber noch nicht erwischt.“ Kein Wunder, immerhin konnten Werwölfe und Vampire schneller laufen als Polizisten. Wer sonst würde im Wald so einen Krach veranstalten? „Nein, wir sind in keiner dieser…Fight…Gangs…“ Nur meine Mutter wäre auf die Idee gekommen, irgendwelche Teenagergruppen so zu nennen. „Würde es euch etwas ausmachen, wenn ihr nach Hause geht?“, fragte meine Mutter und blickte meine Freunde an. „Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.“ Bei diesen Worten wurde mir ganz anders. Immerhin hatte sie schon am Handy so komisch geklungen… „Okay, bis dann, Lina.“ Die Drei blickten mich besorgt an. Jared zog mich in eine Umarmung, obwohl wir noch voller Blut waren und Maude boxte mir freundschaftlich gegen die Schulter. Als Jake mich ebenfalls umarmte, flüsterte er leise: „Solltest du irgendjemanden zum Reden brauchen, dann kannst du jederzeit vorbeikommen.“ Ich nickte und blickte ihnen hinterher als sie gingen. Manchmal fragte ich mich echt, wie ich es verdient hatte, innerhalb dieser kurzen Zeit so gute Freunde zu finden. Ich folgte meiner Mutter ins Haus, nicht ohne jedoch noch einmal über meine Schulter zu blicken. „Könnte ich vielleicht noch schnell duschen gehen?“, fragte ich. Ich roch so sehr nach Blut, dass man den Geruch bestimmt noch aus zehn Kilometern Entfernung wahrnehmen konnte. „Natürlich, Schatz.“ Schnell verschwand ich im Badezimmer und zuallererst landete mein Shirt im Mistkübel. Ich musste dringend mal wieder shoppen gehen, um meinen Kleiderschrank aufzufüllen, das hier war bestimmt nicht das letzte, was ich durch Blut ruinieren würde. Nachdem ich fertig geduscht hatte, betrachtete ich meinen Körper im Spiegel. An den Armen und Beinen hatte ich einige Schürfwunden und blaue Flecken und da, wo mich die klebrigen Fäden am Hals erwischt hatten, zog sich eine dünne rote Linie entlang. Außerdem hatte ich einen feinen Kratzer auf der rechten Wange, der wohl davon kam, dass ich mir auf dem Rückweg irgendwie einen Ast über das Gesicht gezogen hatte. Schnell klatschte ich mir eine Creme auf die Wunden und zog ein langärmliges Shirt und einen Pulli darüber an. Meine noch nassen Haare band ich zu einem Zopf und atmete einmal tief durch, bevor ich wieder nach unten ging. Meine Eltern hatten doch wohl nichts über Werwölfe und Vampire herausgefunden, oder? Was, wenn doch? Ich müsste dann auf jeden Fall irgendwie meine Freunde warnen, damit ihnen nichts passierte, immerhin wären ihnen nicht alle Menschen friedlich gesinnt, erst recht nicht mein Vater. Im Wohnzimmer angekommen saß der Rest meiner Familie schon um den massiven Eichentisch im Essbereich und alle Augen richteten sich auf mich. Ausnahmsweise hatte sogar Alex eine ernsthafte Miene aufgesetzt. In mir stieg ein seltsames Gefühl auf und eine bedrückende Stille lag in der Luft. Auf einmal wünschte ich mir, woanders zu sein, und sei es, dass ich mit meinem Stalker Kuchen essen würde. „Setz dich, Lina.“ Die Stimme meines Vaters klang kühl und ernst. Ich nahm neben meinem Bruder auf der Bank Platz und wartete ab. „Wie sag ich das jetzt am besten…“, murmelte er, bevor er mich wieder anblickte. „Deine Mutter und ich…wir lassen uns scheiden.“ „Oh.“ In mir breitete sich eine ungewohnte Leere aus. Alex kratzte sich am Kopf und rutschte hin und her. Anscheinend fühlte auch er sich unwohl. „Wieso?“, fragte ich leise, während sich ein Kloß in meinem Hals bildete. „Naja, wir lieben uns nicht mehr…“ Ich blinzelte eine Träne weg. Und ich hatte mir immer vorgestellt, meine Eltern würden eines Tages nebeneinander im Schaukelstuhl sitzen und den Sonnenuntergang betrachten. Und somit zerbrach meine kleine rosa Seifenblase. Lieben und ehren für alle Ewigkeit…was für ein Bullshit. „Ihr solltet wissen, dass wir euch beide immer noch lie…“ „Wenn das alles war, dann bin ich jetzt oben.“ Ich stand auf und ging, ohne sie fertig sprechen zu lassen. Oben setzte ich mich auf mein Bett und ging Musik hören, bis es draußen dunkel war. Einmal klopfte meine Mutter noch an die Türe, doch ich machte nicht auf. Irgendwann, wahrscheinlich so um Mitternacht, beschloss ich, doch noch schlafen zu gehen. Ich schloss meine Augen und sank in einen unruhigen Halbschlaf.

Alles um mich herum war dunkel. In der Ferne konnte ich einen leisen Schrei hören und zuckte zusammen, als ein leises klickendes Geräusch von allen Seiden wiederhallte. Einen Moment später konnte ich etwas in der Finsternis erkennen und unterdrückte einen Aufschrei. Vor mir stand eine ungefähr ein Meter große Spinne, das Klicken kam von ihren Beißzangen. Erschrocken stolperte ich zurück, doch sie kam immer näher und begann nach mir zu schnappen. Irgendwann stieß ich gegen eine Wand, doch kurz bevor sie ihre Klingen in mich bohren konnte, veränderte sich mein Sichtfeld und vor mir am Boden lag Jared, blutüberströmt und regungslos. Seine Augen waren weit aufgerissen und starr, als sein Körper begann, sich langsam aufzulösen. Erneut verschwamm das Bild vor meinen Augen, nur der Schuss einer Pistole war zu hören, während um mich herum alles zerfiel, einschließlich mir selbst…

Erschrocken riss ich die Augen auf und verkroch mich bis zur Nasenspitze unter meiner Bettdecke. Für einen Moment starrte ich in die dunkelste Ecke des Raumes, in der Erwartung, dass dort irgendetwas sein würde. Erleichtert atmete ich auf, als ich langsam die Umrisse meines Schrankes erkennen konnte. Normalerweise hatte ich keine Angst in der Dunkelheit, doch nach einem Albtraum konnte ich es immer kaum erwarten, dass die Sonne endlich aufging. Ich richtete meinen Blick auf meine Digitaluhr. Es war erst zwei Uhr in der Früh. Ich seufzte einmal und atmete tief durch, um meinen immer noch rasenden Herzschlag runterzuschrauben, doch als es im nächsten Moment an das Fenster klopfte, fiel ich vor Schreck fast aus dem Bett.

Hey Leute c:
Ja ich update auch mal wieder xD Tut mir leid, ich weiß dass ich immer ewig lange brauche. Sollte ich in diesem Teil irgendeinen Fehler haben, dann sagt es mir bitte, ich war die letzten 2 Wochen immer bis Mitternacht wach und bin ganz dezent übermüdet. Aber hey, in einer Woche sind Ferien. *-* Ich wollte euch nur noch einmal danken, dass ihr diese Geschichte lest und votet und kommentiert, ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue <3 Wie auch immer, es ist schon halb Mitternacht also sage ich mal gute Nacht c:
Eure Zoey <3

ALTE VERSION | Werwölfe, Vampire und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt