Der gerissene Gryffindor

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„Sie wissen Bescheid.", seufzte Severus, der sich mit seinem Kopf gegen die Tür des Klassenzimmers gelehnt hatte. Seit Minuten schon stand er an der selben Stelle und lauschte.
„Was meinst du?", nuschelte Remus und erwachte gähnend aus seinem Halbschlaf. Müde rieb er sich die Augen.
„Hörst du das?", fragte Severus und Remus befürchtete, dass der Slytherin ihn möglicherweise nicht gehört hatte.
Remus hopste vom Lehrerpult, auf dem er eben kurz eingenickt war, herunter und drückte sein Ohr nun auch gegen die Tür.
Es herrschte absolute Stille.
„Ich höre rein gar nichts, Snape.", flüsterte Remus und zuckte mit den Achseln.
„Und genau das ist der Punkt. Normalerweise wären die Gänge jetzt voller Schüler, denn der Unterricht ist zu Ende.", erklärte Severus und seine schwarzen Augen blitzen.
Remus nickte langsam.
Es war inzwischen so dunkel, dass beide Schüler Lumos zaubern mussten.
„Sie haben also James und Peter gefunden und haben wahrscheinlich alle Schüler aufgefordert in ihren Gemeinschaftsräumen zu bleiben.", murmelte Remus und dachte an das scheußliche Blutbad im Korridor zurück, was ihn erschaudern ließ.
Sicherlich würde er die furchtbaren Bilder von James' verstümmelten Körper nie wieder aus dem Kopf bekommen.
„Sie werden bestimmt die Schüler durchzählen. Spätestens wenn sie merken, dass wir fehlen, ist es glasklar, dass wir etwas mit der Sache zutun haben.", flüsterte Severus so leise wie möglich, als würde er befürchten, dass ihn jemand hinter der Tür ausspionieren würde.
Er sank zu Boden und vergrub frustriert die Hände in seinem blassen Gesicht.
Remus setzte sich ebenfalls auf den Boden. Er überlegte für einen Moment ob er Severus in den Arm nehmen sollte, entschied sich aber dafür es nicht zu tun.
Es war beängstigend wie still es in Hogwarts war. Keine Schritte, keine Stimmen und selbst das verrückte Lachen von Peeves dem Poltergeist hallte nicht wie üblich durch die Gänge.
„Kennst du ihn? Den Halbblutprinzen?", fragte Remus nach einiger Zeit um die unangenehme Stille zu brechen.
Severus hob seinen Kopf und blickte auf.
Die grünen Augen von Remus funkelten neugierig im flackernden Schein seines Zauberstabs.
„Wieso willst du das wissen, Lupin?", knurrte Severus und schien nicht erfreut über die Frage zu sein.
„Du eiferst einem Buch hinterher, das nicht dir, sondern dem Halbblutprinzen gehört. Hat das einen Grund?", fragte Lupin und lächelte sanft, denn er wollte unter keinen Umständen einen Streit anfangen.
Severus' Miene verfinsterte sich schlagartig.
„Das geht dich überhaupt nichts an! Gib es mir einfach zurück und zwar so schnell wie möglich, wenn du Potter noch lebend zu Gesicht bekommen willst!", fauchte Severus und seine Hand hatte sich zu einer Faust geballt.
Remus rückte ein Stück nach hinten. Er wiederholte den Satz in seinem Kopf um herauszufinden, ob Severus ihm unterschwellig etwas mitteilen wollte.
„Ich verstehe nur nicht, wieso du nicht dein eigenes Buch verwendest. Soweit ich weiß hat doch jeder Schüler die selbe Kopie.", sagte Remus leise und rückte vorsichtshalber erneut ein Stück nach hinten.
„Nein, dieses Buch ist anders. Es beinhaltet Flüche und Gegenflüche die sonst keiner kennt. Deshalb ist das Buch so besonders und darf auf keinen Fall in falsche Hände geraten. Den Zauber, den ich auf Potter angewendet habe, war einer aus dem Buch.", flüsterte Severus.
Remus runzelte die Stirn.
„Aber wieso warst du fähig einen unbekannten Zauber auszuführen, wenn ihn nur der Halbblutprinz kennt?"
Severus spürte, wie er am ganzen Körper zu schwitzen begann.
Hastig suchte er nach einer passenden Ausrede.
„Er, ähm- Er hat mir ein paar seiner Zaubersprüche beigebracht.", stotterte Severus und hoffte, dass sein Gesicht nicht zu rot angelaufen war.
Remus schaute ihn für eine Weile mit einem durchdringenden Blick an, als wäre er sich nicht sicher, ob Severus wirklich die Wahrheit sagte.
„Also kennst du ihn tatsächlich?", fragte Remus.
Severus' Herz machte einen Freudensprung. Remus hatte ihm seine Lüge tatsächlich abgekauft.
„Ja, natürlich kenne ich den Halbblutprinzen.", rief Severus und lachte gekünstelt.
Er durfte jetzt bloß nicht übermütig werden und sich in weitere Lügen verstricken.
„Unglaublich! Und wer ist es? Black? Malfoy? Kenne ich die Person überhaupt?", fragte Remus und umklammerte voller Aufregung den Saum seines Umhangs.
„Das kann ich dir leider nicht verraten.", antwortete Severus mit trockener Stimme.
„Ach komm schon, du kannst mir vertrauen, Snape. Wir sind doch jetzt Freunde, nicht wahr?", jammerte Remus und begann ein bisschen zu schmollen.
„Ich weiß nicht so recht.", stammelte Severus schüchtern und schaute in das enttäuschte Gesicht seines Gegenübers.
Remus schnaubte genervt und verschränkte seine Arme.
„Ich gebe dir das Buch zurück, Snape. Aber nur wenn du mir sagst, wer der geheimnisvolle und mysteriöse Halbblutprinz ist. Einverstanden?", fragte Remus und streckte Severus seine Hand entgegen.
Zögerlich starrte Severus auf die ausgestreckte Hand von Remus.
Er steckte in einer schrecklichen Situation.
In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Würde er dem Pakt zustimmen und sein Buch zurückbekommen, so würde Remus herausfinden, dass niemand geringeres als Severus selbst der ominöse Halbblutprinz war. Und die Wahrscheinlich, dass James davon Wind bekommen würde, war hoch. Viel zu hoch.
Würde er den Pakt ablehnen, wäre seine harte Arbeit, Zaubersprüche und Gegenflüche zu erschaffen, verloren. Außerdem würde das Buch in unerfahrene Hände geraten und riesigen Schaden anrichten. Er wäre auch an dem Tod von James Schuld und die Reue würde ihn sein Leben lang verfolgen.
„Wo ist das Buch im Moment?", fragte Severus scharf und starrte noch immer auf die ausgesteckte Hand vor ihm.
Remus sagte für einige Sekunden nichts.
Handelte es sich hierbei um eine Falle? Immerhin war Severus ein Slytherin. Und Slytherins waren bekannt dafür hinterlistig und gerissen zu sein.
„In meinem Gemeinschaftsraum, wieso?", antwortete Remus misstrauisch und hob eine Augenbraue, als wäre er sich nicht sicher, was Severus mit dieser Information anfangen sollte.
Er bereute es diesen Satz gesagt zu haben, als die schwarzen Augen von Severus gefährlich zu leuchten begannen.
Es war eine Falle gewesen.
„Ich danke dir, Lupin.", sagte Severus und biss sich nervös auf die Unterlippe. Mit zitternder Hand hielt er seinen Zauberstab in der Hand und richtete ihn auf Remus, der verwirrt vor ihm saß.
Severus wollte auf gar keinen Fall das Vertrauen, dass Remus zu ihm aufgebaut hatte, zerstören. Doch im Moment musste er seine Prioritäten setzten. Und nichts war Severus wichtiger als sein Buch, das irgendwo im Gemeinschaftsraum der Gryffindors ungeschützt herumlag.
„Petrificus Totalus!"
Ein hellgrauer Lichtstrahl schoss aus Severus' Zauberstab und traf Remus direkt in sein vernarbtes Gesicht.
Remus fiel auf den Rücken und blieb regungslos liegen. Seine Haut hatte nun einen gräulichen Ton angenommen. Die Arme lagen steif an seinen Oberkörper an. Nur Remus' grünen Augen huschten panisch umher.
„Bitte verzeih mir, Lupin.", flüsterte Severus, der sich seiner Schuld mehr als bewusst war.
Remus' Augen verfolgten jede Bewegung von Severus, als sich dieser zu ihm hinunterbeugte.
Vorsichtig riss er Remus ein feines, braunes Haar heraus. Severus glitt mit seiner Hand in die Innentasche seines Umhangs und zog ein Fläschchen hervor, in der eine dunkelgraue Flüssigkeit schimmerte. Vielsafttrank. Er löste behutsam den Verschluss des Fläschchen und ließ das Haar von Remus in die zähe Flüssigkeit fallen. Binnen Sekunden fing die Flüssigkeit an zu blubbern und Severus wusste, dass genau jetzt er richtige Zeitpunkt gekommen war. Er setzte seine Lippen an den Rand des Fläschchen und schluckte den gesamten Trank herunter. Der Vielsafttrank hatte einen bitteren Nachgeschmack und angewidert verzog Severus sein Gesicht.
Nach einigen Augenblicken fing seine Haut an fürchterlich zu brennen. Severus schaute hinunter auf seine Hände. Er knirschte mit den Zähnen als er spüren und sehen konnte, wie seine Knochen sich unter der Haut zu verschieben begannen.
Die schmerzhafte Prozedur war nach knapp einer Minute endlich vorbei.
Erleichtert atmete er aus.

„Da bist du ja!", rief eine Stimme. Severus, der jetzt in der Gestalt von Remus Lupin war und dessen Gryffindor-Uniform angezogen hatte, zuckte zusammen. Er schaute hektisch umher und erblickte Lily. Schnell versiegelte er das Schloss des Klassenzimmers, aus dem er gerade gekommen war, mit einem Zauberspruch. Schließlich lag Remus noch immer auf dem Boden und litt unter dem Fluch der Ganzkörperklammer. Aber um ihn würde er sich später kümmern. Severus lehnte sich rasch gegen die Wand, als wäre er nur zufällig an diesem Ort vorbeigekommen.
Sein Herz schlug schneller denn je. Severus wusste nicht, ob es daran lag, dass er nun offiziell als Remus Lupin durch Hogwarts lief, oder weil Lily Evans, die Liebe seines Lebens, ihm gerade entgegengerannt kam.
„H-Hallo.", stotterte Severus und lächelte verlegen.
„Was in Merlins Namen machst du hier?", rief Lily verärgert und schaute mit verheulten Augen zu Severus hinauf.
Sein Lächeln verschwand so schnell wie es gekommen war.
Was sollte er bloß sagen? Sollte er Lily in den Arm nehmen? Sollte er Lily trösten? Oder sollte er am besten einfach den Mund halten?
„Ich, ähm, ich habe nur.. ich wollte..", stammelte Severus und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Noch nie war ihm ein Gespräch mit Lily so unangenehm gewesen, obwohl er theoretisch nicht mal in seiner eigenen Haut steckte.
„Ist ja auch egal.", unterbrach ihn Lily ungeduldig, „Du wirst mir nicht glauben was passiert ist! Es gab einen grausamen Unfall! Überall Blut und James-"
Lilys Stimme machte einen Aussetzer, als sie den Namen ihres Freundes aussprach.
In ihren bereits glasigen Augen hatten sich Tränen gebildet.
„Professor McGonagall kam in den Gemeinschaftsraum. Sie hat gesagt, dass keiner den Gemeinschaftsraum verlassen dürfte. Dann nahm sie mich mit den in den Krankenflügel, wo ich James sah. Er war übersät von tiefen Schnitten und Wunden, die nicht heilen wollten. Es war ein furchtbarer Anblick, Remus. So furchtbar.", schluchzte Lily und ihre Worte überschlugen sich beinahe.
Severus dachte angestrengt darüber nach, wie sich Remus in solch einer Situation verhalten würde.
Lily schaute ihn mit verheulten Augen an und wartete auf seine Reaktion.
„Oh.", sagte er letztendlich. Etwas besseres war Severus auf die Schnelle nicht eingefallen.

Five Sickles - eine Snily Fanfiction (Deutsche | German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt