Der Animagus

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„Was soll das heißen, Sirius Black ist in diesem Raum?", fragte Severus ungläubig und sah sich in Dumbledores Büro um. Hatte sich Black irgendwo versteckt? Vielleicht hinter den Vorhängen? Oder vielleicht kauerte er unter einer der vielen Tische im Raum. Severus runzelte die Stirn und kratzte sich verwirrt am Kopf. Lily hatte Dank eines Zaubers feststellen können, dass niemand außer ihm, ihr und Lupin in Dumbledores Büro war.
„Kann es sein, dass du dich über mich lustig machst?", brummte Severus und starrte Lupin mit einem durchdringenden Blick finster an. Hier war keine vierte Person im Raum. Menschen-Aufspürzauber logen niemals.
Lupin, welcher ein sanftes Lächeln aufgesetzt hatte und nicht durch Severus' bissige Unterstellung eingeschüchtert war, schüttelte den Kopf.
„Ich mache mich nicht über dich lustig, Snape. Die Karte des Rumtreibers lügt nicht. Sirius ist in diesem Raum.", sagte Remus und kraulte Tatze liebevoll hinter den Ohren.
Dann kniete er sich zu dem Hund herunter, dessen gelbe Augen friedvoll leuchteten, und flüsterte ihm etwas zu.
Severus drehte sich verzweifelt zu Lily um. Was meinte Remus bloß damit, dass die Karte niemals log, obwohl es keine Spur von Sirius Black gab.
„Weißt du, was ein Animagus ist, Sev?", fragte Lily, als sie die besorgte Miene von Severus bemerkt hatte. Ein Animagus? Ja, er hatte tatsächlich schon einmal davon gehört.
„Animagi sind Menschen, die sich in ein Tier verwandeln können, oder?", antwortete Severus und war ziemlich verwirrt, dass Lily ihm eine so komische Frage stellte.
„Gut, dann ist ja alles geklärt!", lachte Lily und ihre grünen Augen leuchteten mindestens so kräftig, wie die Gelben von Tatze.
Alles geklärt? Severus verstand kein Wort. Er war verwirrter als vorher. Hatte er einen Denkfehler? Erneut ließ Severus seinen Blick durch das Büro von Dumbledore wandern.
„Sirius Black, Sirius Black.. wo bist du bloß?", murmelte Severus konzentriert. Er musterte jedes der vielen Porträts, die schlafend an der Wand hingen und friedlich schnarchten.
War Black vielleicht in einem der Gemälde gefangen?
Hatte Severus sich deshalb ständig beobachtet gefühlt?
Er zog seinen Zauberstab und führte geschwind einen Lichtzauber aus, um die Personen in den Gemälden besser erkennen zu können.
Aufmerksam sah er sich jedes Porträt bis ins Detail an.
Aber immer noch war keine Spur von Sirius Black zu sehen.
„Meine Güte, Junge, mach das Licht aus! Wir wollen hier schlafen!", zischte ein alter Zauberer in seinem Gemälde, der einen Umhang in den Farben von Slytherin, Grün und Silber, trug. Sein weißer Spitzbart schimmerte wie ein großes Netz aus Spinnweben im schwachen Schein von Severus' Lichtzauber.
Remus und Lily hatten sich auf den Boden gesetzt und kicherten, während sie das schwarze Fell von Tatze streichelten.
Beschämt löschte Severus das Licht.
Wo in Merlins Namen versteckte sich Black nur?
Enttäuscht trottete er zu Remus, Lily und Tatze zurück. Entmutigt ließ er sich neben Lily auf den Boden fallen.
„Ich glaube, ich bin zu blöd für dieses Rätsel. Könnt ihr mir nicht einfach sagen, wo Black ist?", stöhnte Severus demotiviert und lehnte sich müde gegen Lilys Schulter.
Für einen kurzen Moment schloss er seine Augen und genoss die angenehme Wärme, die von Lilys Körper ausging. Noch nie hatte sich Severus so wohl in der Gegenwart einer Person gefühlt. Ein Leben ohne Lily konnte er sich nicht mehr vorstellen. Ohne sie wäre Severus' Leben grau und trostlos. Er lehnte sich ein Stückchen mehr an sie und zu plötzlich spürte Severus Lilys sanfte, rosige Lippen auf seiner Wange. Liebevoll hauchte sie ihm einen zarten Kuss auf die Haut, welcher weich wie Seide war.
Severus' Herz fing, wie die vielen Male davor, an zu rasten. Wie wild schlug es gegen seine Brust, als würde es vor Freude explodieren. Ein heißer, roter Schimmer schoss in sein bleiches Gesicht.
„Ähm, also gut.", räusperte sich Remus und lächelte schief. Leicht verärgert, dass Remus diesen wunderbaren Moment zwischen ihm und Lily ruiniert hatte, öffnete Severus seine schwarzen Augen.
Und mit dem, was er dann sah, hätte er nie gerechnet.
„W-Was in Merlins Namen?", stotterte Severus schockiert, als er ein ihm vertrautes Gesicht erblickte.
Sirius Black saß mit einem Grinsen direkt neben Remus.
Er trug die übliche Uniform des Hauses Gryffindor. Die Krawatte war allerdings schlampig zusammengeknotet und sein Umhang war zerknittert und voller Falten.
Die Haare waren schulterlang und gewellt und, anders als es bei Severus der Fall war, gewaschen.
Dennoch sah Sirius neben Remus ein wenig verwahrlost aus.
„A-Aber wie kann das sein? Wie kommt Black hier p-plötzlich in das B-Büro?", fragte Severus mit zittriger Stimme und umklammerte ängstlich Lilys Arm. Er konnte sich nicht erklären, wie Sirius, ohne sich bemerkbar zu machen, in den Raum eindringen konnte.
„Erinnerst du dich an das, was Lily dich eben gefragt hat?", sprach Sirius mit tiefer Stimme, „Ob du weißt, was ein Animagus ist?".
Ja, Severus erinnerte sich an diese Frage.
Dann kam ihm ein Gedanke.
Konnte es sein, dass Black ein Animagus war? Immerhin war er ein sehr talentierter Zauberer. Möglich wäre es durchaus, keine Frage.
„Aah, jetzt checkst du's, Schniefelus.", lachte Sirius spöttisch, als er das Funkeln der Erkenntnis in Severus' pechschwarzen Augen erkannte.
„Nenn ihn nicht so, sonst setzte ich einen Fluch auf dich!", funkte Lily wütend dazwischen und starrte Sirius mit grimmiger Miene an.
Severus und Remus sahen sich erschrocken an. Es kam äußerst selten vor, dass Lily so sauer wurde. Selbst Remus, der mehr Zeit mit ihr verbracht hatte als Severus, schien durchaus erstaunt über Lilys Wutanfall.
„Ja ja, was auch immer.", fuhr Sirius fort und schien die Warnung von Lily nicht ernst zu nehmen.
Severus klammerte sich fester an Lilys Arm.
Aus irgendeinem Grund hatte er eine gewisse Ehrfurcht vor Sirius. Sirius war so selbstbewusst und stolz, dass sich Severus eingeschüchtert fühlte. Neben Sirius sah er aus wie ein lächerlicher Schwächling.
„Aber ja, ich bin ein Animagus. Ich habe die Fähigkeit mich in einen Hund zu verwandeln. Genauer gesagt verwandele ich mich hin und wieder in Tatze.", erklärte Sirius gelangweilt, als wäre es das normalste der Welt, ein Animagus zu sein, „Ich glaube, wenn Schniefelus sich in ein Tier verwandeln könnte, wäre er eine Kakerlake oder ein Mistkäfer."
Aus dem Nichts sprang Lily ruckartig auf, wodurch Severus zur Seite gestoßen wurde und mit dem Kopf gegen einen Stuhl knallte.
„So, das reicht!", schrie sie und fixierte ihren Zauberstab auf Sirius, der über seinen eigenen Witz laut lachte.
Jetzt war auch Remus aufgestanden und stellte sich rasch zwischen Lily und Sirius.
„Stopp! Alle beide!", rief Remus und breitete schützend seine Arme aus.
„Er soll aufhören ihn zu beleidigen!", schrie Lily hasserfüllt und machte keinen Anschein den Zauberstab sinken zu lassen.
„Was gibst du dich auch mit diesem dämlichen Kerl ab?", sagte Sirius, der entspannt auf dem Boden hinter Remus saß und keinerlei Angst zu verspüren schien.
„Er ist nicht dämlich!", kreischte sie und ein hellblauer Lichtstrahl schoss aus der Spitze ihres Zauberstabs.
Der blaue Lichtstrahl verfehlte jedoch Sirius und schlug unter gewaltigem Lärm in die Wand des Büros ein.
„Stopp habe ich gesagt!", befahl Remus, dem eine Schweißperle über das vernarbte Gesicht lief.
In völliger Verzweiflung entriss er Lilys Zauberstab und warf ihn zu Severus, der sich unter Schmerzen den Kopf rieb.
„Jetzt setzt euch wieder hin und seid still! Wisst ihr eigentlich, wie laut ihr beide seid? Wegen euch kommt noch ein Lehrer vorbei und dann fliegen wir alle von der Schule!", sagte Remus mit bebender Stimme.
Lily schnaubte wütend, wusste jedoch, dass Remus recht hatte. Sie hatte überreagiert und blind vor Hass gehandelt. Still ließ sich Lily neben Severus auf dem Boden nieder.
„Hier.", flüsterte Severus schüchtern und schob Lily ihren Zauberstab zu, den Remus ihm vor wenigen Momenten zugeworfen hatte.
Sie bedankte sich und ließ ihn in ihrem Umhang verschwinden.
„Ich habe doch gar nichts gemacht!", knurrte Sirius und fuchtelte wild mit den Armen umher, „Lily hat mich angegriffen!"
„Ja, weil du Snape beleidigt hast! Merlin, wie alt bist du, Sirius? Zwölf? Reiß dich verdammt nochmal zusammen!", schrie Remus zurück und hatte anscheinend seine eigenen Worte, dass jeder mit dem Schreien aufhören sollte, komplett vergessen.
Stattdessen tadelte er Sirius so laut, dass es wohl möglich das ganze Schloss hören konnte.
„Sag bloß nicht, dass du auf der Seite von Schniefelus bist!", brüllte Sirius und ballte drohend seine Fäuste.
„Halt's Maul, du Arsch!", schrie Remus und holte zu einem Schlag aus, der Sirius um wenige Zentimeter verfehlte.
„Guten Abend, Lupin.", ertönte eine ruhige Stimme.
Wie versteinert blieben Remus und Sirius in ihrer Bewegung stehen.
Auch Severus und Lily, welche nebeneinander auf dem Boden saßen und den Streit der beiden Gryffindors beobachtet hatten, waren wie paralysiert.
Im Türrahmen des Büros stand ein alter Mann mit langem Bart. Er trug ein prächtiges cremefarbenes Gewand, welches mit vielen Stickereien verziert war. Auf der Nase trug er eine Brille mit Halbmondgläsern, durch die seine tiefblauen Augen aufblitzten.
„P-Professor Dumbledore!", stotterte Remus verlegen und ein dunkelroter Schimmer der Scham legte sich auf sein vernarbtes Gesicht.
„Oh Scheiße.", murmelte Sirius, der ebenfalls erschrocken über das plötzliche Erscheinen des Schulleiters war.

Five Sickles - eine Snily Fanfiction (Deutsche | German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt