Lily war die erste in der Gruppe, die sich vorsichtig und langsam in das Büro von Dumbledore begab. Der Raum war in schwere Schatten getaucht, welche sich an den Wänden hochzogen und die Decke mit pure Finsternis fluteten. Die einzige Lichtquelle war ein rundes Becken in einer dunklen Ecke des Büros, das in einem hellen Blau schillerte. Lily kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung dadurch etwas mehr sehen zu können.
„Professor?", rief sie, „Professor Dumbledore, Sir? Sind Sie da?"
Keine Antwort.
Lily trat weiter in das Büro hinein.
Der Boden war mindestens genau so finster wie die Decke, die durch ihre Schwärze massiv und schwer wirkte, als könnte sie einen Menschen mit ihren Schatten zerquetschen.
Lily zog ihren Zauberstab und richtete ihn auf die düstere Mitte des Raumes.
„Homenum revelio.", flüsterte sie und ein Hauch von Unsicherheit lag in ihrer Stimme.
Nichts geschah.
„Wir sind alleine.", sagte Lily, wirkte aber nicht sonderlich beruhigt. Mit einer geschickten Handbewegung führte sie einen Lichtzauber aus.
Das Büro war jetzt nicht mehr in kompletter Finsternis getaucht.
Hier und da ließen sich nun Umrisse von den einzelnen Einrichtungsgegenständen, wie Tischen oder Stühlen, erkennen. Viele kleine Glasskulpturen, welche im ganzen Raum verteilt waren, glitzerten im Glanz des Lichts.
Dicht hinter ihr war Severus, der leicht gebückt lief, als hätte er Angst, dass die unzähligen Porträts ihn mit ihren Blicken demütigen würden. Und obwohl jedes einzelne Porträt in einem tiefen Schlaf versunken war und sich friedlich gegen seinen Bildrahmen gelehnt hatte, wurde Severus das Gefühl nicht los beobachtet zu werden. Er sah rasch hinüber zu dem Gemälde, in dem einst der der rothaarig Zauberer hockte, welcher ihn während seiner Konversation mit Dumbledore und Slughorn ständig verhöhnt hatte. Severus atmete erleichtert aus, als er das leerstehende Gemälde hinter dem Tisch des Schulleiters sah.
Als letztes betraten Remus und Tatze das Büro. Ebenso wie Lily hatte auch er seinen Zauberstab in der Hand und sah sich ängstlich um.
„Wenn ich erwischt werde, dann kann ich mein Vertrauensschülerabzeichen in die Tonne treten.", flüsterte Remus beunruhigt und sah hinunter zu Tatze, welcher zustimmend den Kopf hob und aufgeregt hechelte.
Das Büro hatte einen seltsamen Eigengeruch. Es roch modrig und zur gleichen Zeit nach frisch gewaschenen Vorhängen. Untergründig sickerte der Geruch von Tatzes ungepflegtem Fell durch und Severus rümpfte die Nase, als müsse er jeden Moment niesen.
„Wo er wohl sein mag?", flüsterte Lily und deutete mit ihrem Zauberstab auf die vielen Glasskulpturen, die in unterschiedlichen Farben und Formen glitzerten. Zufällig nahm sie sich eine Figur, welche die Form eines roten Hirschs hatte und betrachtete ihn gelangweilt.
„Ob Dumbledore wohl eine Vorliebe für Hirsche hat?", kicherte Lily und stellte die rote Skulptur vorsichtig an ihren Platz zurück.
Ihre Augen verweilten einige Sekunden auf der Figur.
„Ein Hirsch... warte, Moment mal!", rief Lily und wirbelte herum.
Severus, welcher damit beschäftigt war sich ständig im Kreis zu drehen, um sicherzustellen, dass auch wirklich jedes Porträt am schlafen war und sie nicht ausspionierte, drehte sich zu Lily um.
„Was ist los?", fragte er und sah zu Lily, die aufgeregt auf die rote Hirschfigur zeigte. Tatze, der sich zuvor müde auf den Boden gelegt hatte, sah ebenfalls zu ihr hoch.
„Moony, ein Hirsch! Ein Hirsch!", schrie Lily aufgeregt und bekam kaum noch Luft.
Remus blickte sie vollkommen überfordert an und schien nicht zu wissen, weshalb sie so aufgebracht war.
„Ja und was soll damit sein?", fragte er zaghaft und lachte nervös.
„Ein Hirsch! Merlin, begreifst du es nicht? Wir benutzen die Karte um Dumbledore zu finden!", rief Lily euphorisch und starrte Remus mit einem stolzen Lächeln an.
Remus schaute verwirrt drein, bis auch er nach einem Augenblick verstand, worauf Lily hinaus wollte.
„Du hast recht! Die Karte, wie habe ich das bloß vergessen können!", sagte er und schlug sich stöhnend mit der Hand gegen die Stirn. Sofort suchte er in der Innentasche seines Umhangs nach der besagten Karte, die anscheinend von großer Wichtigkeit zu sein schien.
Tatze sprang wie wild im Kreis umher und stieß dabei aus Versehen ein paar alte, geheimnisvolle Messinstrumente auf einem wackligen Holztisch um. Lily zuckte bei dem Lärm zusammen und fluchte leise.
„Tut mir leid, wenn ich eure Freude störe.", sagte Severus und eilte hinüber zu Lily, um ihr beim Aufsammeln der Messinstrumente zu helfen, „Aber von was für einer Karte redet ihr eigentlich? Und was hat diese hässliche Glasfigur damit zu tun?"
Remus war so beschäftigt damit seinen Umhang zu durchsuchen, dass er die Frage von Severus glatt überhört hatte.
„Es ist eine verzauberte Karte, die von James, Remus, Sirius und Peter erfunden wurde.", erklärte Lily und ließ ihren Zauberstab über die zerbrochenen Teile des Holztischs gleiten.
„Eine verzauberte Karte? Und was kann sie?", bohrte Severus nach und sammelte fleißig die restlichen Messinstrumente vom Boden auf.
Er wusste gewiss, dass Potter und seine Freunde begabte und talentierte Zauberer waren. Aber das sie es geschafft hatten, selbstständig eine verzauberte Karte zu erschaffen, verblüffte Severus.
„Die Karte zeigt den Standort jeder Person an, die sich gerade in Hogwarts befindet. Und das zu jeder Zeit.", sagte Lily ihre langen kupferfarbenen Haare glitzerten im Schein des Lichtzaubers.
Severus' schwarze Augen schweiften herüber zu Remus, der triumphierend ein vergilbtes und zerknittertes Pergament in der Hand hielt.
„Ich hab's! Ich hab's!", rief er und hielt das Pergament siegessicher in die Höhe.
Severus, der sich den Anblick einer pompösen Karte erhofft hatte, runzelte die Stirn.
„Das is'n Stück leeres Pergament.", murmelte er enttäuscht.
Remus gluckste und grinste.
„Ja, noch ist es ein Stück Pergament. Aber wart's nur ab!", rief er siegessicher.
Remus quetschte sich zwischen Severus und Lily, zog den Zauberstab und berührte mit der Spitze vorsichtig die Mitte des Pergaments.
„Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin!", trällerte Remus melodisch und wirkte unglaublich stolz.
Severus beugte sich neugierig über das Pergament. Und tatsächlich passierte etwas. Von der Spitze des Zauberstabs aus erschien ein scharlachroter Farbfleck, der sich immer mehr über die Oberfläche des Pergaments zog.
Nach einer kurzen Weile erstarb die Bewegung des Farbflecks. Zu sehen war nun eine kleine Karikatur eines alten Gemäuers, das vermutlich einen Teil von Hogwarts repräsentieren sollte.
Langsam strich Severus mit seinem Finger über das nun beschriftete Stück Pergament.
„Die hochwohlgeborenen Herren Moony, Wurmschwanz, Tatze und Krone präsentieren stolz die Karte des Rumtreibers.", las Severus die Inschrift der Karte vor.
Sein Finger stoppte bei dem Namen 'Tatze'. Etwas fühlte sich seltsam an.
Severus las den Namen immer und immer wieder und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass er sich nicht verlesen hatte.
Wie konnte denn ein Hund dabei geholfen haben, eine magische Karte zu erschaffen?
„Ich glaube, die Karte ist kaputt. Hier steht nämlich 'Tatze'!", sagte er und tippte mit dem Zeigefinger auf den Namen.
Remus' herzliches Grinsen erstarb. Verlegen kratze er sich am Hals und räusperte sich verlegen.
„Oh, vermutlich hast du recht, Snape. Die Karte ist k-kaputt, wie bedauerlich!", stotterte Remus und schob den Finger von Severus, der noch immer auf dem Namen verweilte, beiseite.
Lily schnaubte verärgert und entriss Remus blitzschnell die Karte. Mit wütender Miene starrte sie ihn an.
„So ein Unfug, Moony! Sev ist doch nun ein Freund von uns, wieso sollte er nicht das Geheimnis der Rumtreiber erfahren?", knurrte Lily und umklammerte mit ihren Fingern energisch das beschriebene Pergament.
Tatze, der bis eben seelenruhig durch das Büro stolziert war und sich genaustens umgesehen hatte, blieb stehen und sah mit seinen glühenden Augen, die furchteinflößend und mysteriös im schwachen Licht funkelten, zu Lily herüber. Aufmerksam stellte er die schwarzen Ohren auf.
„Bist du dir sicher, Lily? Meinst du nicht, du gehst ein Stück zu weit?", fragte Remus und griff erfolglos nach der Karte.
„Natürlich bin ich mir sicher! Wenn jemand ein Geheimnis für sich behalten kann, dann ist es Sev!", rief Lily und ihre Wangen glühten in einem zarten Rosa.
Remus seufzte und auf plötzlich wirkte er ziemlich erschöpft.
„Ja, aber Krone wird unglaublich sauer auf dich und mich sein. Du weißt doch, wie sehr er Snape hasst!", entgegnete er und seine Augen waren sehnsüchtig auf das Pergament fixiert.
„So ein Stuss! Krone muss damit klarkommen, dass Sev und ich befreundet sind und ich ihm vertraue!", knurrte Lily und das Rosa auf ihrem Gesicht färbte sich dunkelrot.
Severus' Kopf drehte sich abwechselnd zu Remus und Lily, sodass ihm ein wenig schwindelig wurde.
„Gut, dann sagen wir es ihm."
Lily gab Remus zögerlich die Karte zurück. Behutsam klappte er die Karte auf, die durch den festen Griff von Lily noch mehr Knicke und Risse bekommen hatte.
Keiner sagte ein Wort.
Severus sah schweigend zu, wie Remus die Karte durchblätterte und anscheinend etwas suchte. Fasziniert davon, dass sich die Namen der Personen, die sich zum jetzigen Zeitpunkt im Schloss befanden, tatsächlich bewegten, beugte sich Severus erneut über das Pergament.
Lily hatte also nicht gelogen. Die Karte war echt.
„So, hier sind wir.", flüsterte Remus nach einer Weile des Durchblätterns.
Mit der Spitze seines Zauberstabs deutete er auf einen eingezeichneten Raum mit der Überschrift 'Büro des Schulleiters'. In 'Büro des Schulleiters' schwebten vier Namensschilder, die Auskunft über die Position der Personen im besagten Raum gaben.
Severus beugte mehr zur Karte herunter, sodass die Spitzen seines rabenschwarzen Haares sanft die Überfläche des vergilbten Pergaments berührten.
„ 'Remus Lupin', 'Severus Snape', 'Lily Evans'.", las Severus laut vor und sein Mund klappte erstaunt nach unten, als er auch den letzten Namen las, „ 'Sirius Black'."
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Five Sickles - eine Snily Fanfiction (Deutsche | German Version)
RomanceSeverus stocherte genervt in seinem Frühstück herum. Seit gestern hatte er das Gefühl, dass sich sein Magen ständig umdrehen würde. Ihm war übel. So übel, als würde er gleich erbrechen müssen. Dabei war Severus körperlich vollkommen in Ordnung. Es w...